Biologische Informationen zur Corona-Krise Teil 2


Biologische Informationen zur Corona-Krise Teil 2
Die elektronenmikroskopische Aufnahme zeigt das Covid-19 verursachende Coronavirus SARS-CoV-2, das mit Farben nachträglich im Computer aufgehübscht wurde. Quelle: NIAID

Letztes Update 28.1.2021

(Im Wörterbuch sind einige der Fachbegriffe erläutert, die ich in diesem Text benutze. Dazu kann man sich ein zweites Fenster öffnen.)

Im ersten Blog aus dieser Reihe habe ich versucht, das Prinzip der Lebensweise eines Virus darzustellen. Ich habe deutlich gemacht, dass Viren Parasiten sind, die ohne Wirtszellen sich nicht vermehren können.

Ich habe sie auch als genetische Piraten bezeichnet, weil sie ihr komplettes Erbmaterial in eine befallene Zelle injizieren. Dadurch wird diese Zelle so umprogrammiert, dass sie eine maximale Anzahl neuer Viruspartikel bildet.

Das ist bei den Coronaviren des Menschen trotz aller Unterschiede nicht anders als bei den Viren der Bakterien, den Bakterienfressern bzw. Bakteriophagen.


Wie sind Viren entstanden?

Viren sind einfach gebaute Lebewesen. Parasiten können jedoch nicht vor ihren Wirten existiert haben. Viren müssen deshalb abgewandelte, selbstständig gewordene genetische Einheiten sein, die quasi in einer "leblosen" Form außerhalb ihrer Wirtszellen auf neue Wirtszellen warten können. 

Es gibt mehrere Theorien zur Entstehung von Viren. Mir persönlich erscheint es am wahrscheinlichsten, dass schon in Urzeiten Viren aus RNA- oder DNA-Molekülen von Wirtszellen entstanden sind. Diese selbständig gewordenen Nukleinsäuren haben die Fähigkeit erworben, sich unabhängig vom Genom der Wirtszelle oder deren RNA zu vermehren (mehr dazu z. B. hier). Mögliche Zwischenformen könnten springende Gene darstellen (s. z. B. hier). Viren haben die zellulären Lebewesen also von Anfang an begleitet und sind mit diesen eine Koevolution eingegangen.

Welches sind charakteristische Eigenschaften des SARS-CoV-2 Virus?

Die Coronavirenfamilie hat ihren Namen von dem Erscheinungsbild ihrer 60 bis 160 nm großen Viruspartikel im Elektronenmikroskop, siehe z. B. obiges Bild. Die kugelförmige Kapsel hat eine "Corona", die durch spezifische Eiweißmoleküle gebildet werden (z. B. durch das Spike-Protein). Diese Strukturen stellen bei Coronaviren den Kontakt zur Wirtszelle her.  Danach verschmilzt die virale Hülle mit deren Zellmembran und die Erbsubstanz des Coronavirus (RNA) kann dann in die Wirtszelle eindringen. 

Coronaviren zeichnen sich durch eine enorme Länge ihres RNA-Genoms aus (als Genom bezeichnet man die Summe aller Erbsubstanz, also den kompletten "Text", ein Nukleotid entspricht hingegen einem "Buchstaben").
Wikipedia:
Das einzelsträngige RNA-Genom der Coronaviren ist etwa 27.600 bis 31.000 Nukleotide (nt) lang, womit Coronaviren die längsten Genome aller bekannten RNA-Viren besitzen.[9]
Die Erbsubstanz der Coronaviren enthält mehrer Abschnitte, die in unterschiedliche Eiweißmoleküle übersetzt werden können. Es werden sowohl neue virale Genome als auch neue Corona- und Kapseleiweiße (-proteine) gebildet.
Unter den menschlichen Coronaviren besonders bekannt geworden sind die folgenden Coronaviren:
  • SARS-CoV[-1] (severe acute respiratory syndrome coronavirus [1])
  • MERS-CoV (Middle East respiratory syndrome coronavirus)
  • SARS-CoV-2 (severe acute respiratory syndrome coronavirus 2)
Sie waren bzw. sind die Auslöser der SARS-Pandemie 2002/2003, der MERS-Epidemie (ab 2012) und der COVID-19-Pandemie (ab 2019).
Anmerkung: Zur klareren und sinnvolleren Unterscheidung zwischen den Coronaviren SARS-CoV und SARS-CoV-2 wird SARS-CoV gelegentlich auch als SARS-CoV-1 bezeichnet.

Quelle.
 

Was macht SARS-CoV-2 so gefährlich?

Das Paradoxon der Gefährlichkeit des Covid-19 auslösenden Virus ist, dass es eben nicht so tödlich wie das Ebola-Virus ist und viele Menschen harmlose Krankheitsverläufe haben.

Ebola ist eine schreckliche Viruskrankheit, die nach einer Infektion die Menschen sehr schnell bettlägrig macht. Sie können dann nicht mehr reisen und das Virus verbreiten. Da die Ebola-Patienten meist sterben, ist dies dann auch das Ende für das Virus.

SARS-CoV-2 verfolgt eine "klügere" Strategie. Es gibt eine lange Inkubationszeit, in der die Beweglichkeit der Infizierten noch nicht eingeschränkt ist. Auch überlebt die Mehrheit der Infizierten die Krankheit Covid-19. Ebola war gerade wegen seiner Tödlichkeit auf Regionen in Afrika einzuschränken und wurde nicht zur Pandemie. Covid-19 wurde zur Pandemie, weil wenige Menschen sehr viele anstecken können und durch ihre Reisetätigkeit das Virus auch sehr schnell verbreiten helfen.

Bill Gates, dessen Stiftung bei der Bekämpfung von Ebola sich sehr verdient gemacht hat, warnte schon 2015 vor der Möglichkeit einer Pandemie durch andere Viren, weil er erkannte, dass ein Virus, das sich zunächst unbemerkt im Körper ausbreitet, sich schnell über den Erdball ausbreiten würde. SARS-CoV-2 ist ein solches Virus. Hilfreich ist ihm dabei auch, dass junge, aktive Menschen meist besser mit ihm leben können. Hohe Todesraten erzielt es nur bei älteren Patienten.

Warum SARS-CoV-2 einen Stresstest für die Gesundheitssysteme weltweit darstellt

Das durch seine relative "Harmlosigkeit" begünstigte exponentielle Wachstum der Infiziertenzahlen erzeugt eben doch sehr schnell auch große Zahlen schwer erkrankter Patienten, die die Kapazitätsgrenzen der Krankenhäuser sprengen.
"Und wenn die Krankenhäuser mit Covid-Patienten voll sind, dann ist auch die gewohnte medizinische Versorgung nicht mehr gewährleistet mit dramatischen Auswirkungen für alle, die eine Behandlung benötigen." Melanie Brinkmann
Gibt es schon Mutationen von SARS-CoV-2?

Mutationen sind Veränderungen im Erbgut und sie passieren immer, wenn genetisches Material vervielfältigt wird. Praktisch entstehen bei jeder Virenvermehrung in einem Wirtsorganismus Mutationen. Das ist ein normaler und erwartbarer Vorgang. 

Da der oben geschilderte "pandemische Erfolg" des SARS-CoV-2 Virus darauf beruht, dass er nicht so tödlich ist wie z. B. Ebola, könnte erwartet werden, dass sich auf sein Verhalten auswirkende Mutationen dazu führen werden, die Krankheitsverläufe weiter abzumildern. Denn ein toter Patient nutzt auch dem Virus nichts mehr, es benötigt lebende Zellen zur Vermehrung.

Andererseits, die meisten Mutationen haben gar keinen Effekt. Sie sind neutral. Dies hat unterschiedliche Gründe, auf die ich hier jetzt aber nicht eingehen muss (Interessierte sehen hier nach). Solche neutralen Mutationen können trotzdem nützlich sein, weil sie sich hervorragend dazu eignen, die Verbreitungswege von Infektionsketten zu rekonstruieren. So hat z. B. eine Arbeitsgruppe um Emma Hodcroft am Biozentrum der Universität Basel herausgefunden, dass im Sommer sehr viele Infektionen ihren Ausgang in Spanien genommen haben und die dort entstandene Mutationsvariante sich sehr stark in Großbritannien und Deutschland ausgebreitet hat. Dies korreliert mit den Urlaubsgewohnheiten der Menschen in beiden Ländern.

Aufregung hat auch eine Mutation in Dänemark erzeugt. Die mit der Cluster-5 Variante infizierten Menschen konnten auf Arbeiter zurückgeführt werden, die mit Nerzen in einer Pelzfarm arbeiteten und tatsächlich waren hier wohl Sars-CoV-2 infizierte Nerze Ausgangspunkt der Neuinfektionen bei Menschen. Die Cluster-5 Variante scheint inzwischen jedoch ausgestorben zu sein.

Update vom 24.12.2020 zu den neuen Sars-CoV-2 Mutationen in Großbritannien

In Großbritannien wurden zwei neue Varianten von Sars-CoV-2 nachgewiesen. Eine davon scheint auf einen einzigen Patienten in Kent im September zurückzuführen zu sein, die andere wurde aus Südafrika importiert. Die neue Variante aus Kent zeigt gleich 23 neue Mutationen, von denen 6 für das Verhalten des Virus relevant sein könnten. Am meisten Sorge machen vier Veränderungen im Spikeprotein, das die Außenseite der viralen Hülle ziert und wichtig für die Infektion von menschlichen Zellen und das Ziel der meisten Impfstoffe ist. 3 dieser Veränderungen (N501Y, N439K and Y453F) sind Punktmutationen, die zu einem Einbau anderer Aminosäuren in das Protein führen. Die 4. Mutation ist ein kleiner Stückverlust (Deletion) im Spike-Gen. Die N501Y Mutation kennzeichnet auch die neue importierte Variante aus Südafrika. Beide Varianten scheinen aus viraler Sicht die Infektion von Menschen zu verbessern. Noch ist nicht ganz klar, worauf dies beruht. Der Selektionsvorteil der Varianten scheint aber groß zu sein, denn sie setzen sich in Großbritannien gegen andere virale Varianten schnell durch und verbreiten sich auch am Kontinent schnell. Ein möglicher Grund könnte sein, dass das Virus länger infektiös bleibt als die älteren Varianten.

Ob diese Varianten durch die verfügbaren Impfstoffe noch bekämpft werden können, diskutiere ich im nächsten Blog.

Würde ich mich impfen lassen?

Wir dürfen nicht vergessen, dass eine Infektion mit dem SARS-CoV-2 Virus bedeutet, dass dieses sein gesamtes Erbmaterial in unsere Zellen einschleust. Ich habe im 1. Teil Viren nicht zu Unrecht als gentechnische Piraten bezeichnetÜberleben wir einen solchen Angriff, sind wir zumindest für eine gewisse Zeit immun, aber: 

Eine RNA-Impfung ist da wesentlich milder!! 

Es wird nur ein Bruchteil der Erbinformation des Virus übertragen, alle krankmachenden Teile sind nicht dabei, stattdessen Sequenzen, die für Eiweißmolekülabschnitte codieren,  die unser Abwehrsystem lehren, das Virus, wenn es denn käme, abzuwehren. Die Impfung dient also dem Ziel Immunität aufzubauen, ohne dass wir dabei die Krankheit Covid-19 mit all ihren Risiken und Nebenwirkungen durchmachen müssen.

Wenn ich persönlich die Wahl hätte zwischen der kompletten Virus-RNA inklusive Covid-19 Erkrankung oder zwischen der für das Impfen ausgewählten RNA-Sequenzen, ich wüsste, was ich wählen würde.

Die Entwicklung eines RNA-Impfstoffes ist jedoch tatsächlich etwas komplett Neues und das bedarf einer genaueren Analyse. Deshalb werde ich den dritten Blog den vielfältigen Versuchen, einen Impfstoff gegen Covid-19 zu entwickeln, widmen. Ich werde auch der Frage nachgehen, wie zuverlässig diese Impfstoffe getestet werden, und aufgrund der aktuellen Neumutationen auch diskutieren, wie schnell die Impfstoffe auf neue Mutationen eingestellt werden können.

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Karl

P.S.: Ich werde die Editierbarkeit der Blogs nutzen, um obigen Text des öfteren zu ergänzen.
 

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Kommentare (10)

ehemaliges Mitglied

danke Karl,
für diese wesentlichen und übersichtlichen Informationen von Teil I und II. 

Die rasante Entwicklung der Impfung weckt in mir nicht nur Hoffnung, sondern gleichzeitig große Sorge bezüglich ihrer Sicherheit. Ich warte also dringend auf deinen 3. Teil.
Kannst du darin auch die Frage berücksichtigen, wie man Spätfolgen einschätzen kann - kann man das überhaupt?
Es wird ja mit großer Wahrscheinlichkeit keine längeren Beobachtungszeiträume geben, bevor die Impfung breitflächig angewendet wird. Dieses Faktum bereitet mir am meisten Kopfzerbrechen.

WurzelFluegel

Karl

@WurzelFluegel  

Liebe Wurzelfluegel,

die meisten und schlimmsten Langzeitschäden scheint das komplette Sars-CoV-2 Virus zu bewirken. Zumindest lese ich immer öfter davon. Besonders sollen wohl Atemnot, Schmerzen und eine bleierne Müdigkeit Spätfolgen sein. Die Impfungen gegen Covid-19 verwenden als selektives Antigen wohl das Spikeprotein, egal ob es sich um konventionelle oder um mRNA-Impfungen handelt. Nur wenige Impfunternehmungen stützen sich auf abgeänderte, ganze Viruspartikel. Ich bin deshalb ziemlich sicher, dass die "Nebenwirkungen" geringer sein werden als diejenigen von Covid-19 selbst.

Ich bin schon jetzt oft so zerschlagen und müde, dass ich das Post-Covid-19 Syndrom nicht auch noch brauchen kann. Ich werde mich deshalb definitiv impfen lassen, sobald dies möglich ist. Ich möchte wieder in mein Sportstudie und mein normales Leben zurück!

Karl

Tannenmuetterchen

Ich hoffe, ich darf hier den Hinweis auf eine TV-Sendung geben:
ARD, heute, Sonntag, 12.03 Uhr: Presseclub
Diskussion von Journalisten (!!!) über den Impfstoff.

@ Karl: Wenn der Hinweis in diesem Blog nicht gern gesehen ist, lösche ihn bitte.

Karl

@Tannenmuetterchen  

nein, wieso. Ich finde solche Hinweise gut. Der Presseclub bemüht sich immer erkennbar um seriöse Information, meine Meinung.

Karl

Karl

@Margareta35  

meinst Du diesen Link: https://www.ndr.de/nachrichten/schleswig-holstein/coronavirus/XFEL-Schenefeld-Das-Raetsel-des-Corona-Proteins,xfel256.html. ?

Es geht hier um die Proteinstrukturanalyse. Die Relevanz für die Medikamentenforschung ist dadurch gegeben, dass die genaue Struktur des Proteins, mit dem das Virus die Zelle kontaktiert, die passgenaue Entwicklung von chemischen Molekülen ermöglicht, die diese Epitope der Proteine (Eiweiße) maskieren können. Gelingt dies, kann das Virus die Wirtszelle nicht mehr finden und der Mensch ist vor Infektion geschützt.

Karl

Margareta35

@karl  

ja, den Link meine ich.
Bei mir wird er nicht richtig dargestellt.

Margareta
 

Margareta35

Guten Abend Karl,

im SH-Magazin wurde heute berichtet über das European XFEL bei Schenefeld.
Vielleicht ist diese Methode auch für Deine Recherchen geeignet.

read://https_www.ndr.de/?url=https%3A%2F%2Fwww.ndr.de%2Fnachrichten%2Fschleswig-holstein%2Fcoronavirus%2FXFEL-Schenefeld-Das-Raetsel-des-Corona-Proteins%2Cxfel256.html

Margareta.

Tannenmuetterchen

Dankeschön, Karl.

Karl

@Tannenmuetterchen  

Ich weiß nicht, ob Du das Update noch mitbekommen hast oder ob sich dein Kommentar überschnitten hat. Jedenfalls habe ich noch einiges ergänzt.

Beste Grüße und danke fürs Danke 😁

Karl


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