Als ich gestern in unseren Garten kam...
Als ich gestern in unseren Garten kam bemerkte ich, dass die Wiese an manchen Stellen unregelmäßig hoch war. Ich ging etwas näher hin. Tatsächlich richtige Dellen waren an vielen Plätzen. Es sah aus, als wären sie nach einer bestimmten Ordnung aneinandergereiht. Ich fand keine Löcher, es schien so, als hätte der Boden sich gesenkt. Langsam ging ich von einer Stelle zur anderen. Ob ich irgend etwas fand, was mich der Lösung dieses Rätsels näher brachte? Systematisch begann ich vom Eingang des Gartens. Direkt hinter dem neuen kleinen Tor begannen diese Unregelmäßigkeiten. Schritt für Schritt durchlief ich den Garten. Beim ersten Mal entdeckte ich fast ein Dutzend Bodendellen. Jede war etwa 25cm im Durchmesser und fast kreisrund und bei keiner konnte ich eine Öffnung entdecken. Nun lief ich noch einmal in verkehrter Richtung den Garten ab.
Was war das? Unter der Koreatanne, direkt hinter der letzten - oder wie man es nimmt - der ersten Bodenveränderung war ein kleines Loch. Ein trockener Gang führte hinein. Nun wurde ich noch neugieriger. Denn wenn hier ein Ein- oder Ausgang war, dann gab es doch sicher moch so eine Stelle, oder mehrere. Ich begab mich erneut auf die Suche und ich wurde fündig: noch an zwei anderen Veränderungen waren kleine Öffnungen. Ich bückte mich tiefer um es besser sehen zu können. Was war denn das? Mir wurde warm, mir wurde kalt, ich hörte leises Gewisper. Das Gras wuchs in Windeseile rund um mich herum. Nein, ich war es ja die immer kleiner wurde! Das vorhin noch so klein erscheinende Loch war inzwischen rießengroß. Und was mir vorhin nicht aufgefallen war, es führten Stufen in die Tiefe. Sogar ein kleines Geländer war an beiden Seiten angebracht. Wer hier wohl zu Hause war? Langsam und vorsichtig ging ich Stufe für Stufe hinunter.
Eigentlich müsste es in der Tiefe doch dunkler werden, aber auch das war nicht so. Es wurde immer heller und angenehm warm. Winzige Kerzenständer standen am Ende der Treppe. Ich zögerte und überlegte: "Ob ich wriklich weiter gehen soll?" Ich getraute mich einen Blick um die Ecke des Treppenhauses zu werfen. O, da war ja ein Weinkeller! An beiden Seiten standen Weinregale und die waren bis obenhin mit Flaschen gefüllt. Ich konnte sogar die Etiketten lesen. Obwohl ich kein Weinkenner bin, kamen mir die Namen bekannt vor. Nun hatte sich meine Furcht gelegt und ich ging weiter. Bis jetzt hatte ich noch niemand entdeckt, zu dem die leisen,Stimmern gehörten. Eine wunderbar geschnitzte Holztür versperrte mir den Weg. Ich berührte die Türklinge, die Tür war nicht abgeschlossen, also machte ich sie auf und ging in den nächsten Raum. Hier waren sie die Bewohner oder Gäste dieser geheimnisvollen unterirdischen Welt. Frauen in knallroten Kleidern mit weißen Blusen und schwarzen Schürzen und Männer in schwarzen Hosen, weißen Hemden und roten Westen saßen an einem langen Tisch, tranken Wein, aßen Speck und Brot dazu. Es sah aus wie ein Fest. Denn alle lachten und erzählten. Im Hintergund waren Musikinstrumente, aber keine Musiker. Vielleicht machten sie grade Pause. Während ich mich noch umsah, rief mich eine der Frauen an den Tisch. Sie lachte mich freundlich an, nahm mich bei der Hand und ging mit mir in einen Nebenraum. Dort gab sie mir genauso ein knallrotes Kleid, jedoch ohne Bluse und Schürze. Komisch, es passte wie für mich genäht und ich fühlte mich sofort wohl darin. Sie sagte zu mir: "Ich heiße Annegret und wie heißt du? Wir reden uns hier alle mit DU an. Ich hoffe, es macht dir nichts aus." Ich lachte sie an:" Ich heiße so ähnlich wie du: Anna Margarete. Und das mit dem Du ist in Ordnung. Mir gefällt es dass ihr so lustig seid. Erzählst du mir von euch?" Annegret meinte: " Wir sind eigentlich kleine Käfer. Nur an drei Tagen vor dem Vollmond werden wir so wie du uns jetzt siehst. Und das finden wir herrlich. Deshalb sind wir auch so lustig und genießen diese Tage und Nächte. Als Käfer lieben wir Früchte die schon halb vergoren sind und auch an leeren Wein- oder Biergläsern haben wir unsere Freude. Unsere Freunde sind Maulwürfe und Wühlmäuse. Sie bauen uns die Gänge." Ich fragte sie:" Warum habe ich euch noch nie vorher bemerkt?" "Na, weißt du, wir sind eigentlich nicht soi viele. Nur in den letzten Jahren haben wir uns sehr vermehrt. Und deshalb sind jetzt so viele Dellenin deiner Wiese, weil wir Gänge benutzen müssen die sonst nie benutzt wurden." Annegret nahm mich wieder bei der Hand und wir gingen zu den anderen zurück. Ich wurde mit einem großen Hallo und Lachen begrüßt. Von einem kleine Mann mit einem langen weißen Bart wollte ich wissen, wieso ich denn nun auf einmal auch klein geworden war und das alles sehen und erleben konnte. Er stellte sich erst einmal vor: "ich habe schon gehört, dass du Anna Margarete heißt. ich heiße Dietrich und bin der Älteste hier im Kreis. Warunm du zu uns kommen und uns kennen lernen durftest möchtest du wissen?" "Ja, denn ich kann es mir nicht vorstellen." "Na ja, wir haben gespürt, dass du an Märchen und Träume glaubst und ausgerechnet an dem einzigen Tag im Jahr, an dem wir uns einem Menschen zeigen dürfen, hast du deine Nase in einen Eingang von unserem unterirdischen Reich gesteckt,. Desahalb bist du hier." Ich sah mich noch ein bischen um, setzte mich dann mitten unter die kleine Schar, trank ein Glas Wein, lachte und scherzte mit ihnen. Auf einmal wurden alle leise. Annegret kam auf mich zu, nahm mich wieder bei der Hand und sagte: "Komme, ich muss dich zur Treppe bringen. Unsere lustigen Tage sind in einigen Stunden um und du musst wieder nach oben." Ich verabschiedete mich von allen und war ein wenig traurig. Langsam ging ich zur Treppe und stieg nach oben. Kaum roch ich die frische Luft, spürte ich, wie sich irgendetwas veränderte. Mir wurde etwas schwindelig und ich blinzelte einmal kurz. Hoppla, was war denn nun? Ich lag auf der Wiese in meinem Garten, die eine Hand auf einem etwas erhöhten Moos. Ein kleines rotes Kleid für eine Minipuppe in der anderen Hand. Zuerst wusste ich garnicht was passiert war. Dann fiel es mir wieder ein. Aber wo war der Eingang? Ich konnte nichts mehr erkennen. Der Boden war glatt, keine Unebenheiten mehr auf meiner Wiese.
Ob ich schon wieder einen Traum gehabt hatte? Aber wer kann mir erklären woher ich diese kleine Kleid hatte?
Kommentare (2)
Das ist eine ganz bezaubernde Geschichte, liebe Sami. Was wären wir ohne Träume und ohne Fantasie . Schon seit eh und je lassen sich Menschen gerne Geschichten erzählen. Dir danke ich für diese Geschichte, die für mich nun sozusagen eine Gute-Nacht-Geschichte war.
Herzlichen Gruß
Roxanna
Es hat mir sehr viel Spass und Spannung verschafft, die Alice im Wunderland einmal in Deiner Version lesen zu können. Diese weit bekannte Geschichte hast Du wirklich sehr gut aufgearbeitet und es war ein Vergnügen für einen alten Mann sie zu lesen. Meine Kinder kennen diese Geschichte im Original auch.
Lieber Gruß aus Karlsruhe