Wie ich zu meinem Namen kam

Nun, ich weiß nicht, wie es anderen Mitgliedern hier im SeniorenTreff mit ihrem "Nick" geht. Ich jedenfalls werde manchmal gefragt, was er bedeutet. Heute morgen auch schon wieder und deshalb erzähle ich euch hier gern, warum ich diesen Nick wählte.

Vielleicht mögt ihr ja die Geschichte.


Tranquilla Trampeltreu ist eine Figur von Michael Ende. Als mein ältester Sohn gerade mal vier Jahre alt war, wurde dieses Bilderbuch im Kindergarten vorgestellt und ich, ich verliebte mich in die Geschichte und die Bilder der damaligen Erstausgabe. Oft, sehr oft musste ich diese Geschichte dann abends meinem Sohn vorlesen und an einigen Tagen auch zweimal hintereinander.



Und das ist die Geschichte von Tranquilla: Der König der Tiere, Leo der achtundzwanzigste will heiraten und lädt alle Tiere zur Hochzeit ein. Tranquilla Trampeltreu, die kleine Schildkröte hörte, am Fuße eines Baumes sitzend, wie ein Taubenpaar sich darüber unterhielt und dann schnell wegflog, da es ein weiter Weg bis zur Hochzeitstätte war.


Zitat aus dem Buch:

Tranquilla versank in tiefes Nachdenken. Wenn alle Tiere, groß und klein, eingeladen sind, sprach sie zu sich selbst, dann bin ich es wohl auch. Und wenn mich der Große König ausdrücklich eingeladen hat, warum sollte ich dann nicht auch auf die Hochzeit kommen? - Nachdem sie den ganzen Tag und die folgende Nacht hindurch nachgedacht hatte, stand ihr Entschluss fest.

Kaum war die Morgensonne aufgegangen, setzte Tranquilla Trampeltreu sich in Bewegung, Schritt für Schritt, langsam zwar, aber unaufhaltsam.

Tranquilla begegnete unterwegs den unterschiedlichsten Tieren. Eine Heuschrecke z.B. wollte sie zur Umkehr bewegen mit dem Hinweis, dass selbst sie auch nicht rechtzeitig da sein würde. Sie rief Tranquilla zu: Du hast so kurze Beine, gib es auf.

Aber Tranquilla gab nicht auf. Auch dann nicht, als ihr die Heuschrecke noch hinterher rief, sie liefe ja in die verkehrte Richtung. Sie bedankte sich nur artig für den Hinweis, kehrte um und krabbelte wieder los.

Auch eine Schnecke, der sie begegnete, konnte sie nicht von ihrem Vorhaben abbringen und auch eine Eidechse nicht, die, statt der Einladung des Königs zu folgen, sich lieber auf einem Kürbis in der Sonne sonnte, weil sie annahm, dass sie nicht rechtzeitig da sein würde.

Als sie die Raben traf und diese ihr mitteilen, nachdem sie von Tranquilla erfuhren, wohin sie wolle, dass der König gestorben sei und sie ihn vor wenigen Tagen begraben hätten, auch da ließ sich Tranquilla nicht beirren.

Was diese Geschichte für mich so liebenswert macht, ist die Entschlossenheit von Tranquilla, diese Unbeirrbarkeit im Glauben an das Ziel und an sich selbst. Dies zieht sich wie eine Melodie durch die Seiten. Zur Umkehr aufgefordert und mit der Frage konfrontiert, wie sie das wohl schaffen wolle, sagt sie immer wieder:

Schritt für Schritt. Mein Entschluß steht fest. Ich werde schon rechtzeitig da sein.

Und mein Herz ging mit ihr und ich konnte sie laufen sehen, mit ihren kurzen Beinchen, wenn dann wieder da stand:

... Und Tranquilla wanderte weiter, viele Tage lang, über Stock und Stein, durch Sand und Hain, bei Nacht und bei Sonnenschein.

Die Geschichte geht gut aus. Eines Tages kommt Tranquilla zu einem Wald voller blühender Bäume und in der Mitte der Bäume eine große Blumenwiese, auf der sich viele Tiere in vergnügter und freudiger Erwartung tummelten. Und sie erfuhr, dass der König der Löwen, Leo der neunundzwanzigste Hochzeit feiert und alle Tiere eingeladen waren.

Zitat:

In diesem Augenblick erschien im Eingang der Höhle ein herrlicher junger Löwe mit einer gewaltigen Mähne, die wie die Sonne leuchtete. Und neben ihm stand eine ebenso schöne junge Löwin. Und alle Tiere jubelten...

Und dann wurde gefeiert. Und mitten unter den Hochzeitsgästen saß Tranquilla Trampeltreu, ein bisschen müde zwar, aber sehr glücklich, und sprach: Ich hab's doch immer gesagt, dass ich rechtzeitig da sein werde.








Es ist eine Kindergeschichte, ich bin mir dessen bewusst. Aber seit ich sie kenne, begleitet sich mich durch mein Leben.



Ich mag diese Tranquilla und habe deshalb ihren Namen zu meinem Nick gewählt. Und auch, weil ich ihr ein wenig ähnlich bin - ich gehe meinen Weg, nachdenklich und Schritt für Schritt.

Und so, wie Morgenröte in anderen Ländern ein Name ist, so ist Tranquilla hier mein Name. Es wäre schön, wenn er euch nicht mehr so fremd und unpersönlich klingen würde.




Wie ich hier von omasige erfahren habe, meint im spanischen tranquillo: mach langsam oder auch reg dich nicht auf oder auch bleib ganz ruhig.
Lache: Das gefällt mir auch, und wir sollten es uns öfter einmal sagen.



Das Buch ging verloren. Eine Freundin einer meiner Söhne hat es für mich wieder gefunden – jetzt hüte ich es wie meinen Augapfel, denn die nachfolgenden Ausgaben hatten nie wieder die Leuchtkraft der Bilder von der Malerin Marie-Luise Pricken. Ich bin dieser Freundin meines Sohne noch heute dankbar dafür, dass sie es für mich in vielen Antiquariaten suchte. Vielleicht könnt ihr mich verstehen. Ich setze hier eine Seite aus dem Buch ein und hoffe, dass die, die noch die Urheberrechte daran besitzen, es mir verzeihen mögen.


herzlich grüßt euch
tranquilla



Nachtrag: Diro hat mich mit seinem "Klick" noch darauf hingewiesen, dass es von dieser Geschichte auch eine musikalische Bearbeitung gibt. Diro, vielen Dank dafür. Natürlich habe ich diese Bearbeitung auch. Mir gefällt sie, denn sie ist einfach und läßt der Phantasie der Kinder noch freien Raum. Ich freue mich darauf, wenn ich mit meiner kleinen Enkelin diese Geschichte wieder erleben darf.