….Wer regelmäßig Fernsehn sieht
und hört, was in der Welt geschieht,
erfährt, wie man gestehen muss,
auch vieles, was ihm bringt Verdruss:
Dass Menschen andre Menschen quälen,
misshandeln, plagen und bestehlen;
Millionen dürsten, hungern, frieren,
gefoltert werden und krepieren;
durch Trockenheit, Erdbeben, Flut
verlieren Heimat, Haus und Gut;
dass Krankheit und Verkehrsunfall
sich Opfer suchen überall;
von Energie- und Umweltkrisen,
Schmuggel von Rauschgift und Devisen,
Erpressung, Rohheit, Geiselnahmen,
Entführungs- und Verfolgungsdramen
und Wirtschaftsflaute, die erhöht
die Jugendkriminalität.
Herr X, wen überraschte dies,
beurteilt seine Umwelt mies.
….Doch er, gesund und noch nicht alt,
mit regelmäßigem Gehalt,
er dürstet nicht, er hungert nicht,
nein, ungewollt steigt sein Gewicht;
zentralgeheizt sein hübsches Zimmer
mit Stereo und Kerzenschimmer;
Theater, Kino und Museen,
es steht ihm frei, dorthin zu gehn.
….Nun ja, es steigen zwar die Preise,
doch lockt die nächste Urlaubsreise;
die Läden sind zum Bersten voll,
er weiß kaum, was er wählen soll.
Die Freiheit ist nicht eingeschränkt,
und er darf sagen, was er denkt;
kein diktatorisches Regime
bestreitet und verbietet ihm,
sich seiner Rechte zu erfreun,
ein freier, froher Mensch zu sein.
….Doch er klagt, und es klingt sehr echt:
Mein Gott, wie geht es mir so schlecht!
Er fängt beinahe an zu weinen:
Wie ungerecht! Ich kenne einen,
der sich mit Sekt und Sahne nährt
und außerdem Mercedes fährt.
….O Mensch, ich rate dir entschieden,
sei nicht so schrecklich unzufrieden.
Lass ab von ständigen Beschwerden.
Den Himmel hast du hier auf Erden,
wenn du das viele Schöne siehst
und, statt zu nörgeln, es genießt.
Was willst du machen, wenn du erst
endgültig in die Hölle fährst!


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Kommentare (5)

Via

Sartre war der Meinung: "Die Hölle, das sind die Anderen".
Ich bin jedoch überzeugt davon, dass wir uns unsere eigene Hölle schaffen - oder eben den Himmel auf Erden. Das ist die Freiheit, die uns geschenkt wurde.
Liebe Grüße
Via

ehemaliges Mitglied

Wenn wir die Situation im deutschsprachigen Raum mit anderen Ländern vergleichen,
müssten die Allermeisten von uns, ganz automatisch zufrieden sein/werden.


lieben Gruß
WurzelFluegel

silesio

@WurzelFluegel
Wenn der Konjunktiv nicht wär,
wär das Leben halb so schwer 

Roxanna

Das kann man ja eigentlich ganz kurz zusammenfassen: Mangel an Dankbarkeit. Gerade heute morgen las ich einen Spruch von Arthur Schopenhauer:

Wir sollten das, was wir besitzen, bisweilen so anzusehen uns bemühen, wie es uns vorschweben würde, nachdem wir es verloren hätten, und zwar jedes, was es auch sei: Eigentum, Gesundheit, Freunde, Partner, Geliebte, Weib, Kind, Pferd und Hund. Meistens belehrt erst der Verlust uns über den Wert der Dinge.

 

silesio

@Roxanna
Schopenhauer war zwar ein Pessimist durch und durch - wie ich -, was nicht ausschliesst, dass er auch ganz gescheite Dinge gesagt hat. 


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