Was soll ich davon halten
Heute bitte ich um eure Meinung. Ich frage mich, warum es mich bis ins Mark erschüttert, wütend und hilflos macht.
Ist es nur Dummheit, oder machen Langeweile und Wohlstand dumm, oder wie soll ich es mir erklären?
Eine entfernte Bekannte, geringfügig älter als ich, verheiratet (ob glücklich, weiß ich nicht), beruflich „ambivalent“ (will sagen: Sie hat viel und nichts wirklich getan trotz eines Studiums), unstet (sie hat ein wunderbares Haus im Rheinland aufgegeben, um in eine völlig ungeplante und gänzlich unüberlegte Zukunft in einer Stadt im Norden Deutschlands zu ziehen. Dort fährt sie mit Mann und Sprinter durch die Gegend und „rettet“ Bücher und Schallplatten, die die beiden in einem Lager aufbewahren. Mehr ist über das „Geschäft“ nicht bekannt. Sie haben auch vom Hausverkauf so viel Geld, dass sie nicht arbeiten müssen.
Bei Facebook ist sie aus lauter Langeweile oft unterwegs. In letzter Zeit meist mit dem Klagelied des Insomnia-Clubs…schlaflos in der Nacht... Klar, wenn ich den ganzen Tag Däumchen drehe daheim, werde ich nicht müde und kann des nachts nicht schlafen. Manchmal auch mit dem Loblied auf sich selbst, dass sie eine Suppe für eine caricative Einrichtung in der norddeutschen Stadt gekocht hat. Mit Foto, versteht sich. Die Portion reicht – wenn ich dem Foto glaube – für eine große Familie. Sie sagt, es sei für mindestens 20 Personen.
Heute morgen nun entdecke ich ihren neuesten Beitrag. Bei Facebook kann man auch den Gemütszustand angeben, in dem man sich befindet, und dort steht neben ihrem Profil „verzweifelt“. Ich erschrecke und frage mich, was passiert ist.
Ich sehe das Foto: Von oben herab fotografiert ihre nackten Beine mit grell rot lackierten Fußnägeln.
Ich suche nach Verletzungen… nichts.
Dann lese ich den Grund ihrer Verzweiflung:
Erst am 14.2. hat sie wieder einen Termin bei ihrer Fußpflegerin (kosmetische Fußpflege), die ihr dann endlich wieder Shellac-Fußnägel bescheren kann. Aber bis dahin….???
Mich packt die Wut.
Ich weiß nicht genau, warum ich spontan eine Reportage der WDR-Korrepondentin Isabel Shayani erinnere. Sie ist vor Ort in Moria/Lesbos. Unter anderem schwenkt die Kamera auf Kinder, barfuß in Flipflops, und es heißt, dass es in den nächsten Tagen mehr als frostig werden wird im Lager… alle frieren, es gibt kein fließendes Wasser, weil die Leitungen zugefroren sind. Ja, das passiert auf den griechischen Inseln, auch wenn wir sie nur als Touristen und reich an Sonne kennen.
Die Fußnägel des kleinen Mädchen sind übrigens nicht lackiert.
Ich mache hier mal einen Schnitt, bin aber immer noch wütend. Weiß solche „Selbstdarstellung“ , kombiniert mit „Verzweiflung“ nicht einzuordnen. Habe einen beißenden Kommentar geschrieben, und zack, war der Verzweiflungs Post im Ganzen gelöscht. Immerhin. Aber von be-greifen, was sie da für einen Müll postet, ist sie wohl weit entfernt.
Bitte keine Kommentare, dass das Facebook geschuldet ist. Ich bin der Meinung, dass man sich Leute und Gruppen bei FB sehr wohl gut aussuchen kann. Nur frage ich mich, ob es mit der momentan Situation zu tun hat, oder warum werden manche Menschen „niedlich“ (um es einmal etwas freundlicher auszudrücken)?
Kommentare (6)
@Rosi65
Danke, Rosi. "Lernen durch Schmerzen"... tja...
Andererseits muss ich mich natürlich fragen, wie sehr diese Menschen derzeit schon leider. Oder?
Das schreibe ich, weil ich keine Langeweile kenne, und das noch nie in meinem Leben gehabt habe. Okay, ich habe auch keine rotlackierten Zehennägel ;-)
Ja, was soll ich davon halten?
Da ich ein Saurier als Kind die Kriegsjahre noch erleben durfte, kann ich nur in Staunen verfallen, was die Menschen hier im sicheren Deutschland alles durchmachen müssen.
Dabei habe ich Bilder meiner Kindheit vor Augen, meine Mutter ohne Mann mit 5 Plagen am Hals und nie gewusst, wie es am nächsten Tag weitergehen wird.
Und dann denke ich an die 80 Millionen Flüchtlinge auf der Welt, das Elend in den Flüchtlingslagern, ohne Hygiene und ausreichendem Essen und kein Dach über dem Kopf.
Der Egoismus ist beispiellos bei uns.
Ich bin sehr traurig darüber.
Terry
@Terry Wong
Danke dir. Ich bin auch nicht mehr nur wütend,ich bin mittlwerweile auch traurig. Was ich da heute morgen gelesen/gesehen habe, ist tatsächlich nur ein Beispiel des heutigen Egoismus.
Ich habe letztens noch ein kleines Experiment gemacht. Mein Nachbar ist im Vertrieb einer großen Firma tätig und seit dem 1. Lockdown im Homeoffice. Seine Firma hat trotz enormer Aufträge Kurzarbeit, aber er arbeitet nach eigenem Bekunden durch und hat mittlerweile mehrere riesige Aufträge (da geht es dann um Aufträge knapp unter der Million) hereingeholt. Wohlgemerkt: Bei Kurzarbeit. - Seine Entlohnung bei dieser Firma ist bekanntermaßen "göttlich". - - Mich haben tausend Teufel geritten, aber ich habe ihn letztens einfach mal ganz überraschend gefragt: Sag mal, spendest du schon mal etwas? - Er sah mich völlig irritiert an, und ich nannte ihm Beispiele von Spende an die Tafel bis Spende für Flüchtlinge.
Auch da war ich erstaunt... Über die Antwort. Sie lautete: "Wie käme ich dazu?"
Ich frage inzwischen immer wieder mal Menschen in meiner Umgebung genau danach.... Ich weiss auch, dass das jeder selbst entscheiden kann und soll und muss. Und ich staune immer wieder neu.... aber das aufzudröseln bedarf eines neuen Beitrags :-)
Oh, auch ich verstehe, dass Du wütend bist und Dir hier Luft machen musst.
Mir ginge es genauso.
Es gibt diese Typen überall, die sich wohl nie ändern werden. Wer weiß, welche Kindheit, Erziehung und Jugend hinter ihnen liegt ...
Dabei stellt sich mir auch die Frage, wie sich diese Art von Menschen verhielte, hätten wir wieder ständig Bombenalarm mit anschließenden Trümmerbergen. Habe ich noch erlebt.
Aber so weit zurück braucht es gar nicht, vergleicht man nur, wie Du schreibst, die Situation der Kinder auf Lesbos. Ach und anderswo ebenso.
Es ist der helle Wahnsinn !
Es grüßt Andrea
Ich verstehe deine Wut!
Es gibt Leute, die wissen
vor lauter Wohlstand
nicht Ein noch Aus!
Gruß
Arni
Liebes Tannenmütterchen,
leider zeichnen sich viele Menschen durch Herzlosigkeit und Egoismus aus. Sie scheinen regelrecht zu verrohen. Nur eine extreme Notlage könnte ihnen vielleicht mal die Augen öffnen...
"Lernen durch Schmerzen" nennt man das wohl auch!!!
Beste Grüße
Rosi65