Vorstellung (Vita) Michael Koehn (als Autor)


Verschüttet

Ich bin Anfang 1945 nach einem Besuch bei meinen Großeltern in Berlin- Moabit Perleberger Straße nach einem Bombenangriff und dem Einsturz des Wohnhauses in dessen Luftschutzkeller wir uns befanden für 2 Tage verschüttet gewesen.
Welchen Einfluss Angst und Dunkelheit seit dem auf mich haben - ich weiß es nicht.

Ich habe 1945 im Unterbewusstsein den Einmarsch der Russen in Berlin erlebt, die Vergewaltigung von Frauen im Keller unseres Wohnhauses.
Ob der Vorfall Einfluss auf meine spätere Beziehung zu Frauen ... und wenn ja - welchen - weiß ich nicht.

Ich bin im Alter von ca. acht Jahren von Russen bei einem illegalen Grenzübertritt an der Elbe gefangen genommen worden, die mich als Geisel nahmen, um meine Mutter, die sich schon auf englischem Gebiet befand, zur Rückkehr zu bewegen. Die Russen haben, um ihrer Forderung Nachdruck zu verleihen, neben meinem rechten Ohr eine Salve aus einer Maschinenpistole (Kalaschnikow) abgefeuert.
Seit dem höre ich zumindest auf diesem Ohr schlecht. Ob sonst noch was war - weiß ich nicht.

Bei einem erneuten Grenzübertritt (Hamsterfahrt, sagte man dazu), ca. ein Jahr später, wurde meine Mutter und ich von Russen gefangen genommen, und zwei Tage mit etwa 15 Leuten zusammen in einen Keller gesperrt in dem es weder Toilette noch Wasser gab, um von der GPU (Geheime Staatspolizei) wegen angeblicher Spionage vernommen zu werden - und der Habseligkeiten an Essen beraubt zu werden, die wir bei uns trugen, um nicht zu verhungern.
Ob ich ’Russen’ wegen des Vorfalls generell hasse - weiß ich nicht.

Beim Spielen mit Munition aus dem zweiten Weltkrieg, die in einem Kinderbuddelkasten vor unserem Wohnhaus vergraben war, zündetet eine Handgranate, von der mich ein Splitter am rechten Auge traf. Als Folge lag ich vierzehn Tage mit verbundenen Augen im Krankenhaus. Ich war elf Jahre alt.
Du hast Glück, es bleibt lediglich eine Narbe in der Augenhöhle nach, hörte man. So was passiert im Krieg. Wer genau das sagte - habe ich vergessen.

© 22.okt.2012 michael köhn




... Kurzbiographie ...?

Sirenengeheul. Nachts mit Steppbett in den Keller. Sirenen ... Bomben. Verschüttet. Zwei Tage drei Nächte. Sirenengeheul. Verschüttet. Während das Haus darüber brennt. Phospor. Sauerstoff. Ab da tagsüber in den Keller vom Haus gegenüber. Nachts auch. Sirenen ... Während unser Haus nicht mehr brennt. Ohne Sirenengeheul kommen die Russen. Die Russen kommen! Frauen kommen nicht. Frauen bekommen Syphillis oder bringen sich um. Zehntausende ... Russen werden Väter. Millinonen Kinder sind Waisen. Das gleicht sich nie aus. Viele Geschütze rauchen noch. Auch heute. Am Bahnhof Zoo werden Amis, Stella und Orient mit Gold/zähnen aufgewogen. Meine Schultüte ist so schlecht wie leer. Der Schlitten zu Weihnachten gebraucht. Immerhin. Der wird im Winter 48 verheizt - und brennt gebraucht wie neu. Wie die Schultüte. In Nürnberg ... Mein Vater war Nazi. Ist es geblieben. Meine Mutter und ich auf den Puffern des Tenders einer Lokomotive zum Hamstern. An der Elbe schießen Russsen auf uns. Einer schießt neben meinem rechten Ohr das Magazin seiner Kalaschnikow leer. Hörgerät Fehlanzeige. Schon gar nicht für Kinder. Dafür drei Tage und zwei Nächte im Keller der GPU. Nicht zu vergessen die Untersuchungen. Rektal. Anal. Maul auf! Täglich. Nachts auch. Meine Mutter und ich zuhause hungrig vor dem Gasherd. Dessen Flammen brennen nicht. Es stinkt lediglich. Nach drei Wochen im Krankenhaus ist die Lunge wieder sauber. Sagt man. Ich werde verschickt. Sechs Wochen später holt mich Mutter am Bahnhof ab. Ich bekomme vom Entlausungspulver Husten ... Mutter entschuldigt sich bei mir.
... nein, nein, nein - keine solche Kurzbiographie ... Wer interessiert sich schon für den Scheiß von vor/gestern; es geht nur so ...

Vita:
Geboren in Berlin, lebt der Autor in Hitzacker/Elbe. Er schreibt Prosa und Lyrik in einem ihm eigenen Stil, - lotet in seinen Arbeiten die Tiefgründe im Menschen aus. Gedruckt sind Teile seiner Arbeiten in Literaturzeitschriften wie z.B.: Federwelt 36, Asphaltspuren 0, Lesestoff Leipzig 7, Lit.Cafe 3, Federwelt 42, Asphaltspuren 1, Edition Schreib*kraft 2004, Federwelt 61 ... und allerlei an e- book bei Amazon.

13.Jan.2013
Michael Koehn

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Kommentare (3)

MichaelKoehn ich lerne auch dadurch immer dazu

Ganz liebe Grüße von
Michael Köhn
http://www.literatalibre.de/
omasigi sehr nachdenklich machte mich das was Du hier geschrieben hast.
Bin im Krieg geboren doch so an der Front war ich nie wie Du.
Auch wurden bei uns Hamsterfahrten gemacht aber niegens lauerte solche Gefahren.
Also bin ich Zeitzeuge der die Zerstörung des Krieges überall sah ... aber trotzdem sowas wie eine behütete Kindheit hatte.
Dass Du darüber schreibst ist sehr gut.
grüssle
omasigi
Traute Sehr interessant.
Bald sind wir Zeitzeugen weg, es ist gut, dass die Erlebnisse den jungen Menschen, zur Kenntnis kommen,
Mit freundlichen Grüßen,
Traute

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