Von wie viel Schnapsbonbons wird man taumelig?
Von wie viel Schnapsbonbons wird man taumelig?
1913 gab es erstmals ein Verbot der Verabreichung alkoholhaltiger Waren
Es bestimmte die gesellschaftliche Debatte in Radeberg und Umgebung, denn unmittelbar vor dem 2. Advent 1913 erfolgte das „Verbot der Verabreichung alkoholhaltiger Waren an Kinder“. Geschichten um den Teufel Alkohol sind eher nicht lustig, denn auch im Radeberg des besagten Jahres gab es unter den Erwachsenen mehr als 800 „Alkoholkranke“, darunter etwa 350 Frauen. Letzteres war oft ein Tabuthema.
Und es gab in Sachsen seit 1906 Organisationen der Abstinenzler. Diese lösten das Problem jedoch auch nicht, denn ihre Akzeptanz in der Bevölkerung ging gegen Null. Forderungen wie täglich nur noch von 19 bis 21 Uhr Schnaps verkaufen zu dürfen oder am Wochenende allen Gastwirtschaften jeglichen Ausschank von Bier, Wein oder Branntwein zu verbieten, wurden selbst von den in den Gewerkschaften organisierten Arbeitern vehement bekämpft. Der damals bekannte Alkoholgegner Dr. Ferdinand Krause aus Berlin musste das Lokal „Grüne Tanne“ durch die Hintertür verlassen, so aufgebracht waren über 200 Arbeiter, die vor dem Lokal lautstark zu vernehmen waren. Die Polizei geleitete Dr. Krause in einer Kutsche zum Bahnhof und sprach ein Aufenthaltsverbot für Radeberg auf drei Monate aus.
Die am 2. Dezember veröffentlichte Anordnung der Amtshauptmannschaft Dresden legte fest, dass den Gast- und Schankwirtschaften, sowie den Händlern die Verabreichung von Wein, Bier, Branntwein, sonstigen Spirituosen, Likör- und Schnapsbonbons an Kinder bis zum 14. Lebensjahr verboten wurde. Ausnahmen waren, wenn sie in Begleitung Erwachsener in einem Lokal waren und der Genuss einfachen Bieres war in allen Altersklassen gestattet. Der Aufschrei war wirklich groß, denn es gehörte zu Kneipenkultur, dass Kinder mal ein kleines Schnäpschen erhielten oder beim Vater am Glas nippen konnten. Einen Ausschlag gab eine Schulranzenkontrolle im September 1913. Bei 11 jährigen Jungen wurden über 80 kleine Schnapsfläschchen sichergestellt. Auch war in manchem Mädchenranzen so etwas zu finden. Eine durch die Lehrerschaft angesetzte Befragung ergab, dass nur 5% der Heranwachsenden noch nie Alkohol getrunken hatten, aber bei 26,3% war es mindestens jeden dritten Tag an der Tagesordnung.
Doch nicht der Genuss hochprozentiger Sachen bestimmte die Diskussion. Es war jener fast lustig zu nennende Vorfall in der alkoholfreien Speisewirtschaft „Pauline“ in der Röderstraße. Hier trafen sich bis in die frühen Abendstunden Jugendliche und ältere Schulkinder. Die 14 jährige Emma Hartig soll 27 Schnapsbohnen in diesem Lokal gegessen haben und davon „besoffen“ gewesen sein. Der Wirt des Lokals wurde vom Amtsgericht zu 200 Mark Geldstrafe, ersatzweise 14 Tage Haft, verurteilt. Obwohl er ein Dresdener Gutachten vorwies, dass der Genuss von Schnapspralinen in seiner Speisewirtschaft zum Geschäft gehörte. Man stellte zwar eine Gesetzeslücke fest, wie denn nun mit „Alkohol gefüllte Schokolade bzw. Bonbons“ zu werten seien, aber der Wirt namens Ernst Paufler wurde zum Sündenbock, denn die örtliche Justiz wollte im Sinne der Anordnung tätig werden.
„Von wie viel Schnapsbonbons wird man taumelig?“ war sogar Gegenstand einer Stadtratssitzung. Es konnte nie geklärt werden, denn die Diskussion zog sich in das Jahr 1914 und der beginnende Krieg stellte andere Fragen. Doch im weiteren Verlauf des 20. Jahrhunderts nahm nicht nur in Radeberg die Einsicht ihren Lauf, dass man Alkohol von Kindern fern halten sollte. Was ja nicht bedeutet, dass ein Kind vielleicht doch eine oder mehrere Weinbrandbohnen zum Naschen erhielt.
haweger
1913 gab es erstmals ein Verbot der Verabreichung alkoholhaltiger Waren
Es bestimmte die gesellschaftliche Debatte in Radeberg und Umgebung, denn unmittelbar vor dem 2. Advent 1913 erfolgte das „Verbot der Verabreichung alkoholhaltiger Waren an Kinder“. Geschichten um den Teufel Alkohol sind eher nicht lustig, denn auch im Radeberg des besagten Jahres gab es unter den Erwachsenen mehr als 800 „Alkoholkranke“, darunter etwa 350 Frauen. Letzteres war oft ein Tabuthema.
Und es gab in Sachsen seit 1906 Organisationen der Abstinenzler. Diese lösten das Problem jedoch auch nicht, denn ihre Akzeptanz in der Bevölkerung ging gegen Null. Forderungen wie täglich nur noch von 19 bis 21 Uhr Schnaps verkaufen zu dürfen oder am Wochenende allen Gastwirtschaften jeglichen Ausschank von Bier, Wein oder Branntwein zu verbieten, wurden selbst von den in den Gewerkschaften organisierten Arbeitern vehement bekämpft. Der damals bekannte Alkoholgegner Dr. Ferdinand Krause aus Berlin musste das Lokal „Grüne Tanne“ durch die Hintertür verlassen, so aufgebracht waren über 200 Arbeiter, die vor dem Lokal lautstark zu vernehmen waren. Die Polizei geleitete Dr. Krause in einer Kutsche zum Bahnhof und sprach ein Aufenthaltsverbot für Radeberg auf drei Monate aus.
Die am 2. Dezember veröffentlichte Anordnung der Amtshauptmannschaft Dresden legte fest, dass den Gast- und Schankwirtschaften, sowie den Händlern die Verabreichung von Wein, Bier, Branntwein, sonstigen Spirituosen, Likör- und Schnapsbonbons an Kinder bis zum 14. Lebensjahr verboten wurde. Ausnahmen waren, wenn sie in Begleitung Erwachsener in einem Lokal waren und der Genuss einfachen Bieres war in allen Altersklassen gestattet. Der Aufschrei war wirklich groß, denn es gehörte zu Kneipenkultur, dass Kinder mal ein kleines Schnäpschen erhielten oder beim Vater am Glas nippen konnten. Einen Ausschlag gab eine Schulranzenkontrolle im September 1913. Bei 11 jährigen Jungen wurden über 80 kleine Schnapsfläschchen sichergestellt. Auch war in manchem Mädchenranzen so etwas zu finden. Eine durch die Lehrerschaft angesetzte Befragung ergab, dass nur 5% der Heranwachsenden noch nie Alkohol getrunken hatten, aber bei 26,3% war es mindestens jeden dritten Tag an der Tagesordnung.
Doch nicht der Genuss hochprozentiger Sachen bestimmte die Diskussion. Es war jener fast lustig zu nennende Vorfall in der alkoholfreien Speisewirtschaft „Pauline“ in der Röderstraße. Hier trafen sich bis in die frühen Abendstunden Jugendliche und ältere Schulkinder. Die 14 jährige Emma Hartig soll 27 Schnapsbohnen in diesem Lokal gegessen haben und davon „besoffen“ gewesen sein. Der Wirt des Lokals wurde vom Amtsgericht zu 200 Mark Geldstrafe, ersatzweise 14 Tage Haft, verurteilt. Obwohl er ein Dresdener Gutachten vorwies, dass der Genuss von Schnapspralinen in seiner Speisewirtschaft zum Geschäft gehörte. Man stellte zwar eine Gesetzeslücke fest, wie denn nun mit „Alkohol gefüllte Schokolade bzw. Bonbons“ zu werten seien, aber der Wirt namens Ernst Paufler wurde zum Sündenbock, denn die örtliche Justiz wollte im Sinne der Anordnung tätig werden.
„Von wie viel Schnapsbonbons wird man taumelig?“ war sogar Gegenstand einer Stadtratssitzung. Es konnte nie geklärt werden, denn die Diskussion zog sich in das Jahr 1914 und der beginnende Krieg stellte andere Fragen. Doch im weiteren Verlauf des 20. Jahrhunderts nahm nicht nur in Radeberg die Einsicht ihren Lauf, dass man Alkohol von Kindern fern halten sollte. Was ja nicht bedeutet, dass ein Kind vielleicht doch eine oder mehrere Weinbrandbohnen zum Naschen erhielt.
haweger
Kommentare (3)
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das erinnert mich gerade an meinen Bruder. Ich weiß jetzt nicht mehr, wie alt er war, aber er war noch sehr jung gewesen, als er sich heimlich über die übriggebliebenen Früchte aus dem Rumtopf hermachte. Das war heftig, denn dort ist der meiste Alkohol zu finden, aber es ging dennoch gut für ihn aus
es liest sich gut
herzliche Grüße
uschi
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