Von Visionen und erreichten Ergebnissen


Von Visionen und erreichten Ergebnissen

Als Radeberg einen Verein der Steuerfreunde kannte

„Welche Freude, welche Wonne, Steuerzahler jetzt zu sein!“ waren jene sarkastischen Worte, mit denen 1909 ein Radeberger Bürger die Visionen und Pläne in der Kommunalpolitik kritisierte. Es war jene Zeit in denen die Stadt Radeberg in der kommunalpolitischen Selbstverwaltung stets einen Haushaltsplan nach seinen eigenem Befinden aufstellen konnte. Generelle Grundlage war die Vermögenseinschätzung der Stadt, die 1909 bei mehr als 19 Millionen Mark lag. Davon durfte 1% als kreditierbare Summe über die sogenannte Stadtanleihe verplant werden. Für den laufenden Haushalt waren die Abgaben der Bürger relevant, da jeder Haushalt und jedes Gewerbe über eine Steuerklassifizierung verfügte. Diese Klassifizierung war Grundlage der Steuererhebung seitens der Stadt. Und da galt Radeberg als machbare Größe. Was wiederum zu Visionen führte. Eine aus jenen Jahren wurde realisiert.
Der Bau der Realschule auf dem Freudenberg wurde bis 1912 verwirklicht. Der Kredit hatte eine Laufzeit von 40 Jahren und wurde nie wirklich abgezahlt, denn die Steuerbelastungen änderten sich 1918 und 1935. Und in der Zeit nach dem 2. Weltkrieg sahen sich die neuen Machthaber nicht in der Rechtsnachfolge früherer Zeiten, zumindest was solche fiskalischen Dinge betraf. Die Schule übernahm man per Zuweisung durch die Besatzungsmacht.
Wäre es nach den Stadtvätern gegangen hätte Radeberg auch eine Straßenbahn bis Liegau – Augustusbad bekommen, hier waren schon über 20000 Mark in ein Gutachten der Bergakademie Freiberg geflossen. Die Fachleute hatten die Machbarkeit der Vision bestätigt.
Während die Anregungen zum Bau einer Zigarettenfabrik bereits am Veto des Bürgermeisters und seines Rates scheiterten, sie waren nämlich alle passionierte Pfeiferaucher, waren solche wie der Bau eines sächsischen Lehrerbildungsseminars oder die Wiederaufrichtung Radebergs als Garnisonsstadt noch bis zum 1. Weltkrieg im Gespräch. Auch sollte eine Eisenbahnlinie in Richtung Seifersdorf nach Großenhain geführt werden, damit aus der Lausitz ein schnellerer Anschluss nach Berlin unter Umgehung Dresdens geschaffen wurde. Letzterer Plan wurde erst mit dem Bau der Autobahnen in den 1930er Jahren endgültig zu den Akten gelegt. Somit kann man das Jahr 1909 praktisch auch als letztes Jahr großer Visionen bezeichnen.
Und um auf das Ausgangszitat zu kommen. In der Gaststätte „Zur Quelle“ gründete sich 1909 ein Verein „Radeberger Steuerfreunde“. Man machte damals interessante Vorschläge, von denen manche später immer mal wieder auftauchten. So sollte Radeberg eine Katzensteuer einführen. Man sah dies als ausgleichende Gerechtigkeit für die Hundesteuer. Im Streit um die sich immer mal wieder ändernde Polizeistunde schlug man vor, diese freizugeben, jedoch die Nachstunden mit einer höheren Vergnügungssteuer zu belegen. Einer schlug mal vor sich Steuern früherer Zeiten wieder zu nähern. Laut Vereinsprotokoll, das Radebergs heimatliches Urgestein Hanns Franke noch gesehen haben will, diskutierte man über die Jungfrauensteuer in Abwandlung für „alte Jungfern“, über die Besteuerung der Haarwäsche im Frisiersalon, eine städtische Autosteuer, denn damals war das Kfz. noch steuerfrei, und einen städtischen Erlaubnisschein zum Trinken nicht in Radeberg hergestellter Getränke. Man dachte da so an „Billets für 10 Mark das halbe Jahr“.
Übrigens hatte Radeberg am 30. Juni 1909 fast 1200 Steuerrestanten. Deren Schulden lagen bei mehr als 42000 Mark. Also hatte man eben auch noch Reserven, wie die Steuerfreunde feststellten.

haweger

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