Verwunschene Gedanken XV.


Verwunschene Gedanken XV.


 
 
Zwischen Gestern und Heute!
 
Manches von dem, das ich früher tat, kann ich heute nicht mehr verstehen. Es ist aber auch möglich, dass ich nicht mehr weiß, wie ich seinerzeit dachte und warum ich so und nicht anders reagierte. Weil ich heute anders denke und auch fühle, ist mir all das fremd geworden, für das ich früher gekämpft habe. 
Ist das nun ein Widerspruch? Ich glaube nicht. Denn wenn ich auch nicht mehr die gleiche Empfindung habe, bin ich dennoch für mein damaliges Denken und Handeln verantwortlich. Stehe ich deshalb in meiner eigenen Schuld?
      Damals war es für mich richtig. Wenn Fehler gemacht wurden, war früher oder später die Vergeltung dafür im eigenen Lebensablauf spürbar. Ist es nun möglich, den gleichen Fehler zweimal zu machen? Ich sage: Nein! Wenn es das zweite Mal geschieht, ist es die eigene Wahl! Mit dieser zweiten Wahl allerdings gibt man dann jedoch selbst zu, nichts daraus gelernt zu haben.
  Nun gibt es aber auch Fehler im Leben, die von außen verursacht werden, die man nicht verhindern kann, auch wenn man sie erkannt hat. Solche Zwänge können ein Leben aus dem Gleichgewicht bringen, lassen es Wege einschlagen, die völlig an der Normalität vorübergehen.
       Wenn man dabei von »Höherer Gewalt« spricht, ist dies doch nur ein Bruchteil der Ursachen. Auch dieser Begriff zeigt die Unzulänglichkeit des Menschen, gewisse Schwierigkeiten einfach in den Griff zu bekommen.  Solche Probleme beeinflussen häufig das Erleben und Leben zweier Menschen, die als Paar zusammen sind. Paarbildung des Menschen hat ja zum überwiegenden Teil mit Liebe und Sexualität zu tun. Die Liebe spielt hierbei eine überragende Rolle, da sie die Triebkraft zum Zusammenleben zweier Menschen darstellt. Ohne die Liebe wären wir Menschen auf der Schwelle zum Menschsein stehen geblieben. Das Gefühl, zusammenzugehören allein würde nicht ausreichen, den Bestand der Menschheit zu gewähren.
        Ich liebe dich! Welch eine Gewalt steckt darin, welch ein Gefühl erschließt sich bei diesen Worten, tausendfach bedichtet und besungen und immer wieder neu erfunden. Da kommen wir unausbleiblich zu der Frage: Was ist wichtiger, lieben oder geliebt zu werden? Meine Antwort darauf: Was ist wichtiger für einen Vogel, der rechte oder der linke Flügel? Beides gehört zusammen wie der Himmel zur Erde, wie Feuer und Wasser, wie Leben und Tod! Wie ICH und DU.
       Vor Kurzem las ich diese Sätze eines französischen Poeten:
»Manchmal sehe ich dich und ich sehe nichts! Ein anderes Mal sehe ich in mich selbst hinein und was sehe ich? Dich.«
Gibt es etwas Bedeutsameres als diese Aussage? Da dürfen dann auch ruhig Fehler auftreten, wenn ein Paar zusammenhält, wird ein jeder dieser Fehler aus dem Weg geräumt werden können, solange er nicht an die Wurzeln des Zusammenlebens heranreicht. Liebe kann im Grunde niemand verletzen, denn jeder von uns ist selbst verantwortlich für das, was er fühlt und was er tut.
       Wie könnte ich einem Anderen die Schuld geben, wenn meine Partnerschaft nicht gelingt? Da ist schnell ein Schuldspruch zur Hand, nicht wahr? Wie oft hörte ich die Aussprüche: »... dann ist er in meine Ehe eingebrochen.« Oder auch: »... ich habe ihn an sie verloren.«
Ich bin überzeugt, dass niemals jemand einen Anderen verlieren kann, weil niemals jemand einen Anderen besitzt!
        Früher als ich jung war, glaubte ich, dass ich durch mein Tun mein ganzes Leben verändern könne. Alle Dinge hatten ihren Sinn dadurch, dass ich ihnen den Sinn gab. Das machte mir Mut, das gab mir Kraft, um alle Schwierigkeiten zu bewältigen. So konnte ich stets den Kopf hochtragen, konnte immer frei atmen. Alles in meinem Leben war nach meiner Ansicht in Ordnung. Heute nach vielen Jahrzehnten habe ich in meinem Herzen die Gewissheit, dass dieses Denken falsch war.
Ich kann mein Leben nicht verändern; ich kann ihm wohl eine neue Richtung geben, gewiss. Nur die Zeit ganz allein kann mein Leben verändern!
     Und weißt du was, liebe Leserin, lieber Leser? Ich liebe diesen Gedanken. Weil er mir die Schuld nimmt an Abläufen, die ich vielleicht hätte beeinflussen können. Gut, dass ich nicht weiß, was durch mein Zögern oder durch unüberlegtes Handeln alles geschehen ist! Ich verstehe heute manches nicht mehr, was ich früher tat, das sagte ich im Eingang schon. Gutes und Schlechtes, Erfolge und Fehler halten sich eben im Menschenleben stets die Waage. Und nebenbei habe ich auch gelernt: Man liebt nicht nur einmal!
Aber ich weiss mit Gewissheit: Die wahre Erfahrung meiner Freiheit ist: 
Lieben heißt auch, etwas zu haben, ohne es zu besitzen!

©by H.C.G.Lux


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Kommentare (2)

Syrdal


Gedanken, die wohl vielen so oder ähnlich kommen können beim Überdenken der Vergangenheiten des eigenen Lebens. Und welche weise Wahrheit schwingt auch in dem von Dir eingefügten Zitat Manchmal sehe ich dich und ich sehe nichts! Ein anderes Mal sehe ich in mich selbst hinein und was sehe ich? Dich.“ Es trägt u.a. die ganze Ambivalenz der immerwährenden Wechselhaftigkeit in den menschlichen Zweierbeziehungen in sich und lange könnte man darüber nachdenken…
Es ist wohl nicht verwunderlich, dass man in den vielfältigen Stürmen der Lebenszeiten auch seine eigenen Sichten und das daraus erwachsende Handeln ändert. Aber, lieber Pan, ich denke nicht die Zeit verändert, sondern die eigene Entwicklung durch die Erfahrungen im Laufe der Zeit bewirken Veränderungen – ob immer zum Guten, ist wiederum ein anderes Thema.
Interessant jedenfalls wieder Deine „Verwunschenen Gedanken“… Habe sie mit Interesse gelesen und sage herzlichen Dank mit Grüßen
Syrdal

Pan

Lieber Syrdal  -

»Nicht die Zeit verändert, sondern die eigene Entwicklung durch die Erfahrungen …«
Eine interessante Sichtweise! Ist es aber nicht auch so, dass durch die Umwälzungen der Zeit auch das eigene Leben eine sprunghafte Verwandlung erfährt?
Wenn ich daran denke, welche Veränderungen unser (aller) Leben in den letzten dreißig Jahren durch die I.T.-Revolution genommen hat! Selbst die Industrialisierung im 19.Jh. hat solche wahnsinnigen Sprünge nicht geschafft!
Wenn man dann die zwischenmenschlichen Beziehungen in den Kontext dazu stellt, erkennt man auch hier eine vollkommen andere Denkweise, als wir sie selbst noch im 20.Jahrhundert hatten.
Irgendwie erscheint mir hier ein Eindruck der Bedrückung zu entstehen …
 
meint nachdenklich
Horst


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