Und Plötzlich steht das Leben still....
Im Februar 2017 hatte ich bei einer Dehnübung beim Sport einen heftigen Schmerz im Bauch. Eine Ultraschall-Untersuchung noch am selben Tag ergab eine Einblutung in den Bauchraum und eine Noteinweisung ins Krankenhaus. Am nächsten Tag ein kleiner Schnitt, eine Gewebeprobe und warten auf ein Ergebnis. Nach 3 Tagen die Diagnose: Darmkrebs
Neue OP über 8 Stunden, Stille in mir, keine Angst, kaum Emotionen, es war ein seelischer Schock. Ich konnte der Stille nicht nachspüren, denn ich lag in einem 4Bettzimmer, verschiedene Nationalitäten, ständigem Besuch von Familien mit Kindern und Tag und Nacht liefen die Fernsehgeräte. Dann folgte ein Kreislaufzusammenbruch, es wurde eine Infektion festgestellt, die ich mir durch einen Krankenhauskeim zugezogen hatte. Nun wurde ich in ein Einzelzimmer verlegt. Das war ein Segen für mich. Es folgten 6 weitere OPs und Narkosen. Nach 7 Wochen wurde ich völlig geschwächt mit 45 KG Restgewicht mit einem Krankenwagen nach Hause gebracht. Zuvor fand noch ein Gespräch mit einem Onkologen statt. Der riet mir fast drohend zu einer Chemotherapie, u.a. weil das Risiko bestand, dass der Krebs in den Bauchraum gestreut hatte.
Meine Familie kümmerte sich rührend um mich und alle rieten dringend zu einer Chemotherapie, vor allem meine Töchter. Ich bat alle, mich erst mal in Ruhe zu lassen, mich nicht zu bedrängen, ich brauchte Zeit mit mir allein.
Ich war 72 Jahre alt, Angst vor dem Tod hatte ich nicht, aber ich wollte nicht vergiftet sterben und lehnte jede weitere Behandlung ab, Mein Bauchgefühl sagte ein klares NEIN. Es gab in mir noch so viel zu entdecken, nachdem ich jahrelang fast nur im Außen gelebt hatte. Der Weg nach Innen stand jetzt an, es ist eine spannende Reise, noch immer....Ich lehnte jede weitere Behandlung ab, hatte durch meine Hospizarbeit zu viele Menschen mit Chemo elend sterben gesehen. Verlängerung um welchen Preis? NEIN
Und so machte ich mich innerlich auf den Weg und es war nicht nur erfreulich. Alte Verletzungen stiegen in mir auf, auch solche, die ich anderen Menschen zugefügt habe. Ich wusste tief in mir, dass ich irgendwann alles Äußere zurücklassen musste, aber das Innere, das konnte ich mitnehmen. So schrieb ich Briefe an alte Bekannte, zog Bilanz, machte Frieden in mir und mit meiner Vergangenheit, fühlte mich getragen von eine Höheren Macht und begann, die Stille zu lieben. Ich habe in dieser Zeit unendlich viele ungeweinte Tränen geweint, es gehörte zum Loslassen. Dabei durfte ich lernen, Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden und immer mehr breitete sich ein Gefühl von großer Dankbarkeit in mir aus. Mir war noch Zeit gegeben, den Weg zu finden auf dem ich heute mit Hingabe, Vertrauen und Lebensfreude gehen kann und noch immer entdecke ich dabei beglückende Dinge.
Ich habe diese Entscheidung nie bereut, alle Nachuntersuchungen waren mit negativem Befund. Durch diese existentielle Erkrankung ist ein wunderbarer Reichtum in mein Leben gekommen. Mein Weg stimmt für mich, ist aber nicht zu verallgemeinern.
Kommentare (10)
@nnamttor44 Danke für deinen sehr persönlichen Kommentar. DEas mit deinem Mann war schrecklich und jetzt du.... Nachdem ich mich gegen jede Chemo und Medikamente ganz bewusst entschieden hatte war die Reaktion meines Umfeldes totales Unverständnis. Ich lasse regelmäßig alle Nachuntersuchungen machen und bin bisher krebsfrei, Der Weg nach Innenhat sich gelohnt, da ich ein tief gläubiger Mensch bin ohne jede Frömmelei und Kirchenbesuche hatte ich bgenug Vertrauen und fühlte mich in dieser Zeit getragen.
Ich würde allerdings niemandem dazu raten, es ware eine gute aber einsame Entscheidung. Ich wünsche dir alles Liebe und Gute für deinen Weg,
Lieben Gruß, Malina
Wurden denn keine weiterführenden Untersuchungen gemacht, hinsichtlich Metastasen? Kein PET-CT? Nur aufgrund von Vermutungen und Befürchtungen leitet man doch keine Chemo ein? Zumal noch nicht einmal jede Sorte Krebs auf eine Chemo reagiert.
Aber wichtig ist, dass es Dir heute gut geht. Bleib weiterhin gesund,
wünscht Jutta
@Juttchen, es war ein bösartiger Darmkrebs mit dem Verdacht, dass der Krebs bei der OP in den Bauchraum gestreut hat. Zwei Onkologen haben dringend zu einer Chemo geraten. Ich habe das nach reiflicher Überlegung abgelehnt. Ich war 72 Jahre, habe keine Angst vor dem Tod, aber diese Quälerei wollte ich nicht mehr mitmachen.Habe lange im Hospiz gearbeitet und gesehen, wie schlimm alte Menschen oft mit der Chemo sterben.
Verlängerung der Lebenszeit, um welchen Preis?
Ich bin seit fast 4 Jahren symptomfrei, alle Nachuntersuchungen waren bis heute negativ, Ich bin dankbar für die geschenkte Zeit.
@malina
Okay, ich akzeptier das so, den Weg, den Du gegangen bist.
Aber vielen Menschen hilft die Chemo. auch, ganz gesund zu werden, man sollte sie nicht grundsätzlich ablehnen.
Ich drück die Daumen👍, dass es so bleibt.
Wenn man bedenkt, dass diese schlimme Zeit nun schon über 3 Jahre her ist..., könnte man sagen, du hast wohl in jeden Falle die , für dich richtige Entscheidung getroffen.
Ich bewundere das irgendwie, denn wer weiß, wie ich selbst dies gemeistert hätte...
Sicherlich alles eine Frage der Abwägung aber ich denke, dass auch die Art Krebs eine entscheidende Rolle spielt...ob Chemo oder nicht...ich weiß es nicht...?
Sich dagegen zu entscheiden, ist sehr stark in meinen Augen, denn ich könnte mir vorstellen, dass auch in dir immer ein Rest Angst , Zweifel blieb..., eine falsche Entscheidung getroffen zu haben.
Ich finde deinen Weg ganz toll und es zeigt auch, dass man manchmal eben ganz eigene Wege gehen muss, um auch noch weiterhin das Leben zu genießen. Du bist dabei noch stärker geworden !
Es zeigt aber auch, wie wichtig es ist, solch Schicksale einfach mal zu lesen.
Danke dafür !
Alles, alles Gute für dich und bleib schön gesund und munter für deinen weiteren Weg !!!
Kristine
@werderanerin, es war ein bösartiger Darmkrebs mit dem Rísiko, dass er in den Bauchraum gestreut hat. Ich danke die für deinen liebevollen Kommentar.
Therapieentscheidungen – wenn sie getroffen werden müssen – sind immer schwer abzuwägen und jeder Betroffene muss schließlich S E I N E N Weg finden. Du hast ganz sicher alles richtig gemacht… – Das Wichtigste bei all diesem Geschehen aber sagen dann deine Worte: „...ich machte Frieden in mir und mit meiner Vergangenheit, fühlte mich getragen von eine höheren Macht und begann, die Stille zu lieben“.
Einfach wunderbar, sagt
Syrdal
@Syrdal, hab Dank für deinen lieben Kommentar, es geht mir heute mit kleinen körperlichen Einschränkungen sehr gut und ich bin dankbar, für die Zeit, die mir noch gegeben ist.
Liebe Malina,
Dein Bericht ist zutiefst berührend und ein Beispiel dafür, zu welcher Stärke und Entschiedenheit ein Mensch fähig ist.
Dass Du dieses Drama, denn man kann es als ein Drama bezeichnen, so wunderbar in den Griff bekommen hast, ist beinahe unglaublich.
So kannst Du meiner Bewunderung gewiß sein, mit der ich Dir von Herzen wünsche, dass Du auch weiterhin von diesem gewonnenen Reichtum profitieren kannst.
Alles Liebe von
Andrea
💓
Liebe Malina!
Mir kamen fast die Tränen beim Lesen Deines Blogs. 1993 bekam mein Mann seine Diagnose Darmkrebs und nach der OP die "Empfehlung", eine Chemo zu machen. Sie sei nicht zwingend notwendig, man habe den Eindruck gehabt, alles Kkrebsartige weggenommen zu haben - aber vorsichtshalber??? Die ersten Chemos haben ihn seine Zusage bereuen lassen - ICH musste dann ihm sagen, er könne die Chemo auch einstellen! Ich fühlte mich sehr mies ...
23 Jahre später - er hatte alle Nachuntersuchungen trotz meiner Bitten verweigert - bekam er die gleiche Diagnose, nur dieses Mal mit Metastasen im ganzen Körper! Sein Leidensweg war vorgezeichnet - aber nun ging mich seine Gesundheit nichts an! wie er mir mehrfach an den Kopf warf.
Und jetzt stehe ich mitten in meiner eigenen Chemophase für Brustkrebs und hänge irgendwie in der Luft, wenn ich an ihn zurückdenke oder an die wohl schlimmere Chemo von Heide für ihren weitaus schlimmeren Pankreaskrebs ...
Ich wünsche mir, dass mir mein gutes Halbjahr Chemo- und Antikörpertherapie noch ein paar Lebensjahre schenken wird, um mich dann auf den von Dir beschrittenen Weg der bisher doch liegen gebliebenen inneren Ereignisse zu widmen. Da gibt es offenbar noch eine Menge. Und ich möchte erleben, wie mein einziger Enkel erwachsen wird - trotz aller Hemmnisse, die sich ihm in den Weg gelegt haben!! Ich hoffe, er bleibt ein so liebevoller, fröhlicher Mensch, als der er vor fast 9 Jahren auf die Welt kam.
Danke, dass Du Deine Geschichte hier gepostet hast, ich sie lesen durfte!
Herzl. Gruß von
nnamttor44/Uschi