.. und hier aus meiner dritten Heimatstadt Palma d. M.
LA CIUTAT
Auf dem Borne präsentieren sich Kindergärten, Kindertagesstätten und Privatschulen mit lustigen Zelten und Buden, die Parkplätze am Passeig Maritim sind durch streikende Müll- und Abbruch Muldenlastwagen blockiert, die geliebte Melodie der Stadt wird nur durch vereinzeltes, penetrantes Hupen Ungeduldiger unterbrochen.
Auf dem Trottoir der Bar Bosch sitzt „tout“ Palma und genießt die Abendsonne. An den Tischen werden wild gestikulierend die Alltagsprobleme besprochen. Alles schaut kurz auf, wenn die Harley mit 130 Dezibel Potenz meldend, kurze Gasstöße abgibt.
Großmütter empfangen ihre als Katze geschminkten Enkel, Tauben suchen unter den Tischen nach verwertbarem Futter.
Deutsche, englische, französische und gutturale, mallorquinische Laute übertönen den Verkehrslärm.
Der Kellner mit seiner langen, weißen Schürze schlängelt sich durch die Tischreihen, die längst ihre ursprüngliche Ordnung verloren haben, hier einen Carajillo, dort eine Copa de tinto. Es werden Ansichtskarten geschrieben, Adressen ausgetauscht, Enkelkinder bewundert und hin und wieder ertönt ein anerkennender Pfiff, wenn ein Mädchen vorbeigeht das in engen Lederhosen ihre Vorzüge zur Schau führt.
Um 19 Uhr werden die obligatorischen Sonnenbrillen abgenommen; nur die ganz besonders coolen Typen verstecken ihre Augen vor den Gesprächspartnern.
Geschirr klappert, Gästeaugen suchen Kontakt zu den Augen des Kellners, bezahlen, nachbestellen, überhaupt Aufmerksamkeit zu erreichen, denn irgendetwas wird immer benötigt.
Die Luft wird kälter, Jacken dominieren jetzt an den Tischen, vorbei mit der lockeren anregenden, leichten Bekleidung. Ein Kissen im Rücken wäre jetzt auch nicht schlecht, könnte man dadurch doch länger sitzen bleiben und - wichtig! - länger gesehen werden.
Das gesamte Publikum hat gewechselt; jetzt kommen die ersten Alleinstehenden, um zu schauen, ob schon etwas los ist, ob man sich nicht für den Abend zum Essen, zum Bummeln oder sonst etwas verabreden könnte.
Die Baumaschinen werden abgestellt, Hungergefühl verbreitet sich – Zeit zum Abendessen; doch leider ist das „Caballito de Mar“ dem Sanierungswüten zum Opfer gefallen - wohin heute? Wird es zum nächsten Sommer wieder geöffnet haben? Bloß nicht schon wieder ein neues Stammlokal suchen müssen!
Prospektverteiler, Aktentaschen tragende, distinguierte Herren tauchen auf, die Touristen werden weniger, Spanisch und Mallorquin dominiert an den Tischen.
Zu wuscheligen, kleinen braunen Bällchen werden jetzt im spanischen Spätsommer die Blätter der arg gestutzten Platanen – auch hier kommt der Herbst mit Macht.
Mittlerweile ist der gesamte Boden mit Kippen und halbleeren und leeren Zuckertüten übersät, als gäbe es in Spanien kein öffentliches Rauchverbot, das Lachen der Gäste wird lauter – vom Wein? Immer wieder treffen sich Menschen und begrüßen einander, oft eine Spur zu laut. Man wurde wieder einmal gesehen und gehört – muy importante!
Nebenan, bei McDonald boomt das Abendgeschäft und bei C&A kommt jetzt kaum jemand ohne Tüte heraus. Die alleinstehende junge Dame am Nebentisch wartet ein wenig länger auf die Bedienung. So ist das eben noch immer in Spanien.
Niemand schenkt dem in der Mitte des Platzes auf vier Schildkröten ruhenden Obelisken Aufmerksamkeit, nur ein Hund hebt kurz das Bein.
Im Kosmetikgeschäft nebenan hat der Fernseher mit seiner Werbebotschaft längst den Geist aufgegeben. Er flimmert unnütz und ein wenig dekadent im Schaufenster vor sich hin.
Die junge Dame gegenüber nimmt Augenkontakt auf und bestellt, endlich! Sie wurde immer noch nicht bedient und verzieht schon leicht die Mundwinkel – Zweitaktmotorengeruch weht herüber von der Straße.
19 Uhr 30, der letzte Tourist ist gegangen, jetzt kommt der Kellner erneut an ihren Tisch und fragt, ob er die Bestellung von vorhin auch wirklich ausführen soll. Sein Unterton ist geringschätzig – sie lächelt.
Die Müllmänner leeren die Abfallkörbe, zwei Polizisten patrouillieren gelangweilt vorbei. Der „shoe-shine-boy“ hat Konjunktur, schon der dritte Gast zeigt seine Wichtigkeit, indem er den älteren Mann vor sich knien läßt, um seine verstaubten Schuhe vor aller Welt reinigen zu lassen. Je herablassender sein Kunde ist, je höher ist sein Preis. Der „Lackaffe“ zwei Tische weiter zahlte gerade 4 EURO für seine Schuhe. Großzügig gibt er den ganzen 5er-Schein – haben das auch alle gesehen?
Die junge Dame hat endlich ihr bestelltes Sandwich und beißt genüßlich in das Schinkencroissant. „Que approveche!“ tönt es von den anderen Tischen. Ein dankbares Lächeln wandert von ihrem Tisch zurück.
Der neue Kellner nach dem Schichtwechsel ist sehr freundlich und redet viel mit seinen Gästen. Je jünger und hübscher die Frauen, je freundlicher sein Lächeln, sein Tonfall.
Im Café ist mittlerweile die hervorstechendste Geste der Kundschaft die Hand mit dem Handy am Ohr.
Überall sind erste Kontakte geknüpft.
Eine Gruppe Amerikaner fällt lautstark ein, der Zauber ist verschwunden.
Ein Straßensänger singt „Libertad te quiero“ und erhält statt mit Beifall für sein kämpferisches Lied aus der Zeit der Diktatur Bestrafung durch Ignoranz. Das Lied ist 60 Jahre alt und paßt nicht mehr in die heutige Zeit der fun-Gesellschaft – Unverständnis bei den Jüngeren. Sein Beutel bleibt leer – armer Hund!
Es wird kühl, Zeit in ein Restaurant zu gehen, auch ich bin hungrig.
Gute Nacht Palma!
Es berichtete Euer Kadosch
Kleine Spanisch Kunde:
La Ciutat so nennen die Mallorquiner ihr Palma
Borne Flaniermeile in Palma
Passeig Maritim Hafenstrasse
Carajillo « kleines Herzchen » Espresso mit Cognac ½ und ½
Copa de tinto Glas Roter
muy importante! sehr wichtig !
shoe-shine-boy Schuhputzer
Que approveche! Guten Appetit
Libertad te quiero Freiheit, ich liebe Dich, kämpferisches Lied aus dem Bürgerkrieg
Auf dem Borne präsentieren sich Kindergärten, Kindertagesstätten und Privatschulen mit lustigen Zelten und Buden, die Parkplätze am Passeig Maritim sind durch streikende Müll- und Abbruch Muldenlastwagen blockiert, die geliebte Melodie der Stadt wird nur durch vereinzeltes, penetrantes Hupen Ungeduldiger unterbrochen.
Auf dem Trottoir der Bar Bosch sitzt „tout“ Palma und genießt die Abendsonne. An den Tischen werden wild gestikulierend die Alltagsprobleme besprochen. Alles schaut kurz auf, wenn die Harley mit 130 Dezibel Potenz meldend, kurze Gasstöße abgibt.
Großmütter empfangen ihre als Katze geschminkten Enkel, Tauben suchen unter den Tischen nach verwertbarem Futter.
Deutsche, englische, französische und gutturale, mallorquinische Laute übertönen den Verkehrslärm.
Der Kellner mit seiner langen, weißen Schürze schlängelt sich durch die Tischreihen, die längst ihre ursprüngliche Ordnung verloren haben, hier einen Carajillo, dort eine Copa de tinto. Es werden Ansichtskarten geschrieben, Adressen ausgetauscht, Enkelkinder bewundert und hin und wieder ertönt ein anerkennender Pfiff, wenn ein Mädchen vorbeigeht das in engen Lederhosen ihre Vorzüge zur Schau führt.
Um 19 Uhr werden die obligatorischen Sonnenbrillen abgenommen; nur die ganz besonders coolen Typen verstecken ihre Augen vor den Gesprächspartnern.
Geschirr klappert, Gästeaugen suchen Kontakt zu den Augen des Kellners, bezahlen, nachbestellen, überhaupt Aufmerksamkeit zu erreichen, denn irgendetwas wird immer benötigt.
Die Luft wird kälter, Jacken dominieren jetzt an den Tischen, vorbei mit der lockeren anregenden, leichten Bekleidung. Ein Kissen im Rücken wäre jetzt auch nicht schlecht, könnte man dadurch doch länger sitzen bleiben und - wichtig! - länger gesehen werden.
Das gesamte Publikum hat gewechselt; jetzt kommen die ersten Alleinstehenden, um zu schauen, ob schon etwas los ist, ob man sich nicht für den Abend zum Essen, zum Bummeln oder sonst etwas verabreden könnte.
Die Baumaschinen werden abgestellt, Hungergefühl verbreitet sich – Zeit zum Abendessen; doch leider ist das „Caballito de Mar“ dem Sanierungswüten zum Opfer gefallen - wohin heute? Wird es zum nächsten Sommer wieder geöffnet haben? Bloß nicht schon wieder ein neues Stammlokal suchen müssen!
Prospektverteiler, Aktentaschen tragende, distinguierte Herren tauchen auf, die Touristen werden weniger, Spanisch und Mallorquin dominiert an den Tischen.
Zu wuscheligen, kleinen braunen Bällchen werden jetzt im spanischen Spätsommer die Blätter der arg gestutzten Platanen – auch hier kommt der Herbst mit Macht.
Mittlerweile ist der gesamte Boden mit Kippen und halbleeren und leeren Zuckertüten übersät, als gäbe es in Spanien kein öffentliches Rauchverbot, das Lachen der Gäste wird lauter – vom Wein? Immer wieder treffen sich Menschen und begrüßen einander, oft eine Spur zu laut. Man wurde wieder einmal gesehen und gehört – muy importante!
Nebenan, bei McDonald boomt das Abendgeschäft und bei C&A kommt jetzt kaum jemand ohne Tüte heraus. Die alleinstehende junge Dame am Nebentisch wartet ein wenig länger auf die Bedienung. So ist das eben noch immer in Spanien.
Niemand schenkt dem in der Mitte des Platzes auf vier Schildkröten ruhenden Obelisken Aufmerksamkeit, nur ein Hund hebt kurz das Bein.
Im Kosmetikgeschäft nebenan hat der Fernseher mit seiner Werbebotschaft längst den Geist aufgegeben. Er flimmert unnütz und ein wenig dekadent im Schaufenster vor sich hin.
Die junge Dame gegenüber nimmt Augenkontakt auf und bestellt, endlich! Sie wurde immer noch nicht bedient und verzieht schon leicht die Mundwinkel – Zweitaktmotorengeruch weht herüber von der Straße.
19 Uhr 30, der letzte Tourist ist gegangen, jetzt kommt der Kellner erneut an ihren Tisch und fragt, ob er die Bestellung von vorhin auch wirklich ausführen soll. Sein Unterton ist geringschätzig – sie lächelt.
Die Müllmänner leeren die Abfallkörbe, zwei Polizisten patrouillieren gelangweilt vorbei. Der „shoe-shine-boy“ hat Konjunktur, schon der dritte Gast zeigt seine Wichtigkeit, indem er den älteren Mann vor sich knien läßt, um seine verstaubten Schuhe vor aller Welt reinigen zu lassen. Je herablassender sein Kunde ist, je höher ist sein Preis. Der „Lackaffe“ zwei Tische weiter zahlte gerade 4 EURO für seine Schuhe. Großzügig gibt er den ganzen 5er-Schein – haben das auch alle gesehen?
Die junge Dame hat endlich ihr bestelltes Sandwich und beißt genüßlich in das Schinkencroissant. „Que approveche!“ tönt es von den anderen Tischen. Ein dankbares Lächeln wandert von ihrem Tisch zurück.
Der neue Kellner nach dem Schichtwechsel ist sehr freundlich und redet viel mit seinen Gästen. Je jünger und hübscher die Frauen, je freundlicher sein Lächeln, sein Tonfall.
Im Café ist mittlerweile die hervorstechendste Geste der Kundschaft die Hand mit dem Handy am Ohr.
Überall sind erste Kontakte geknüpft.
Eine Gruppe Amerikaner fällt lautstark ein, der Zauber ist verschwunden.
Ein Straßensänger singt „Libertad te quiero“ und erhält statt mit Beifall für sein kämpferisches Lied aus der Zeit der Diktatur Bestrafung durch Ignoranz. Das Lied ist 60 Jahre alt und paßt nicht mehr in die heutige Zeit der fun-Gesellschaft – Unverständnis bei den Jüngeren. Sein Beutel bleibt leer – armer Hund!
Es wird kühl, Zeit in ein Restaurant zu gehen, auch ich bin hungrig.
Gute Nacht Palma!
Es berichtete Euer Kadosch
Kleine Spanisch Kunde:
La Ciutat so nennen die Mallorquiner ihr Palma
Borne Flaniermeile in Palma
Passeig Maritim Hafenstrasse
Carajillo « kleines Herzchen » Espresso mit Cognac ½ und ½
Copa de tinto Glas Roter
muy importante! sehr wichtig !
shoe-shine-boy Schuhputzer
Que approveche! Guten Appetit
Libertad te quiero Freiheit, ich liebe Dich, kämpferisches Lied aus dem Bürgerkrieg
Kommentare (5)
indeed
Du machst mir Mut! Wenn ich wohin reise, möchte ich Land und Leute kennenlernen und zwar ungeschönt.
Nur so kann man sich ein reales Bild machen. Ich denke immer noch an Gran Canaria, wo wir in Playa del Ingles wohnten. Es war Gott sei Dank im März. Zu dem Zeitpunkt war es noch nicht überlaufen. Stadtteile unterteilt wo man die jeweiligen Touristen nach Länderzugehörigkeit unterbrachte.
Es war ein Graus. Wir sind dann mit den Bussen für Jedermann rund gefahren. Haben zwar nicht viel verstanden, aber die Körpersprache und Mimik der Einheimischen sprachen ihre eigene Sprache. So waren wir viel im Nordosten und zum Inneren der Insel unterwegs und haben jedenfalls ein bisschen kanarischen Flair mitbekommen.
Ich habe eine starke Abneigung gegen jede Art von Schickeria und Massentourismus. Da schlafe ich lieber auf einer Matratze (die muss jetzt schon sein, lach) unterm freien Himmel als das ich diese Art Kult mitmache.
Nun sollte ich es mir vielleicht doch noch einmal überlegen?
Mit lieben Gruß
Ingrid
Nur so kann man sich ein reales Bild machen. Ich denke immer noch an Gran Canaria, wo wir in Playa del Ingles wohnten. Es war Gott sei Dank im März. Zu dem Zeitpunkt war es noch nicht überlaufen. Stadtteile unterteilt wo man die jeweiligen Touristen nach Länderzugehörigkeit unterbrachte.
Es war ein Graus. Wir sind dann mit den Bussen für Jedermann rund gefahren. Haben zwar nicht viel verstanden, aber die Körpersprache und Mimik der Einheimischen sprachen ihre eigene Sprache. So waren wir viel im Nordosten und zum Inneren der Insel unterwegs und haben jedenfalls ein bisschen kanarischen Flair mitbekommen.
Ich habe eine starke Abneigung gegen jede Art von Schickeria und Massentourismus. Da schlafe ich lieber auf einer Matratze (die muss jetzt schon sein, lach) unterm freien Himmel als das ich diese Art Kult mitmache.
Nun sollte ich es mir vielleicht doch noch einmal überlegen?
Mit lieben Gruß
Ingrid
ladybird
Mallorca ist nicht "Ballermann", der das Image dieser wunderbaren Insel ankratzt, aber jedem das Seine.Ich gebe dir recht, in der überfüllten Touristenzeit ist es allerdings nirgends so schön, aber man findet immer außerhalb der Saison Landschaften und Buchten und Sehenswertes,Besonderes, gerade interessant für Deine Liebe zu Pflanzen, die im Winter auf Mallorca (es sind dann ca 15-18 grad) für die Mallorquiner ist das kalt, sich in wundervoller Pracht zeigen.Die Mandelbäume blühen im Februar,die Mimosen der Weihnachtstern (steht in großen Sträuchern)Mallorca ist die Insel in den Farben von Miro, dessen Heimat.Wie gesagt: im Januar bis April,finden wir Mallorca sehr empfehlenswert.Lieben Gruß vom M-fan Renate
indeed
immer so schön dargestellt. Ich war noch nie auf Mallorca, es reizt mich nicht so sehr gerade wegen der zu vielen Touristen. Es soll aber auch noch ruhige und besinnliche Landschaften geben, die wunderschön sein sollen.
War wirklich schon am überlegen, soll ich oder soll ich nicht?
Nach deiner Berichterstattung will ich lieber nicht. Etwas zum abgewöhnen meint
indeed
War wirklich schon am überlegen, soll ich oder soll ich nicht?
Nach deiner Berichterstattung will ich lieber nicht. Etwas zum abgewöhnen meint
indeed
ladybird
applaudiert für diese Beobachtung, die ja ein Tourist nicht mehr erlebt, weils Hotel-abendessen lockte....das ist Palma ohne Blumenfrauen-rummel um die Kathedrale?
Danke sagt ein "Nutznießer" ladybird
Danke sagt ein "Nutznießer" ladybird
Ich "trieb" mich in jüngeren Jahren ständig in Italien rum. Aquilla in den Appruzzen, die gesamte Adria-Küste etc.
Südtirol war meine zweite Heimat, kein Wunder, ich wohne in Bayern.
Das war ein schöner Bericht von Dir, doch leider wird es mir nicht gelingen - doch das Fernweh lockt.............
Liebe Grüße
das Moni-Finchen