„Schmückt das Fest mit Maien“


„Schmückt das Fest mit Maien“

Eine Skizze vom Pfingstfest vor 100 Jahren im Radeberger Land

Es war als würde der schreckliche Krieg, der nun in das dritte Jahr ging, draußen bleiben. Natürlich bot der Alltag neue Einschränkungen. Das Fleischkontingent wurde gestreckt, jedem standen nur noch 112,5 Gramm pro Woche zu. Das Kuchenbackverbot galt weiter, Zucker wurde nicht geliefert, Butter war rationiert und eine Woche vor Pfingsten kamen Marken zur Bewirtschaftung von Margarine auf. Und dennoch war der Krieg weiter alltäglich. Zwei Stichworte sollen genügen: Erbitterte Kämpfe um Verdun und erstmals ist zu lesen das unbegreifliche Wort vom Gaskrieg!

Daneben bot Olga Schroder in Radeberg „Weiße und zartfarbene Hüte zum Pfingstausgehen“. Was sofort treudeutsche Seelen kritisierten, gab es da nichts Wichtigeres als den Pfingstausflug? Den konnte man sowieso nur zu Fuß tätigen. Das XII. Armeekorps hatte den Fahrradverkehr vierzehn Tage vor dem Pfingstfest „eingeschränkt“. Was in der Praxis bedeutete: Vergnügungsfahrten, Spazierfahrten und Ausflüge waren unstatthaft und wurden kurzerhand verboten.

Da gab es eigentlich nur zwei Formen der Erbauung. Der sonntägliche Gottesdienst und die musikalischen Aufführungen in den Gaststätten und Ausflugslokalen. Bei letzterem wurden die Menschen noch zusätzlich „bestraft“, denn alle Freiluftveranstaltungen mussten in die Lokale verlegt werden. Ein Pfingstwetter zum Grauen. Am Freitag ein schweres Gewitter, den Sonnabend durchgehend Regen, der Sonntag kühl und nass und montags ab dem späten Nachmittag etwas Sonne. Da übernahmen die Gottesdienste eine große emotionale Funktion. Überall wurden Frauen und Kinder in den Gesang eingebunden. „Schmückt das Fest mit Maien“ war das übergreifende Thema. In Wachau ein festlicher Gottesdienst mit dem Dresdener Organisten Christoph Müller und einem großen Kinderchor. In Großerkmannsdorf nach dem Predigtgottesdienst mit dem Kinderchor noch ein zusätzlicher Jugendgottesdienst mit kirchlicher Musik. In Wallroda die Aufführung der Pfingstkantate „Siehe, siehe, spricht der Herr!“ mit Sologesang und zweistimmigen Kinderchor. In Lausa trat der Frauenchor mit dreistimmigem Gesang auf, dazu Orgelmusik. „Ein bewegender Vormittag“, schreibt der Chronist.

Die Kinder hatten seit Freitag Pfingstferien und wurden zugleich mit einem neuen Befehl des XII. Armeekorps konfrontiert. „Schulkindern und heranwachsenden Jugendlichen ist der Aufenthalt nach 9 Uhr abends im Freien untersagt!“ Man wollte damit den Diebstählen (!) vorbeugen. Der Sonntagnachmittag galt den musikalischen Aufführungen. Hier wurden direkt „höhere Gelder“ gezahlt, denn die Zahl musizierender Männer nahm infolge der Einberufungen immer mehr ab. Da waren Phonographen und Orchestrions gefragt. Alwin Knoll vom Liegauer Gasthof hatte das nötige Geld aufgebracht und in seinem neu geschaffenen Konzertsalon dieses Wunder der Neuzeit aufgestellt. „Ersetzt eine vollständige Kapelle“ war der Werbeslogan und bescherte ihm ständig volles Haus. Geboten wurde das Streichkonzert „Der Weltkrieg 1914“. Getanzt werden durfte ja sowieso nicht, es fehlten die Männer und das Tanzen von Frauen miteinander war untersagt. Dennoch gab es neununddreißig Anzeigen „in dieser unsittlichen“ Angelegenheit.

Sind wir ganz verlassen? wurde als Frage nicht nur einmal gestellt. Sachsens König weilte zur Taufe des vierten Kindes der Habsburger Thronfolger in Wien. Derr Kronprinz zur Kur in Bad Flinsberg und der Staatsminister Vitzthum von Eckstädt zur Kur in Kissingen. Warum werden nicht Kriegerfrauen mit ihren Kindern zur Kur geschickt? fragte die SPD-Presse und sandte ein „Deutsches Mahnwort“ zum Fest.

„Belegt mit Marken Eure Einkaufs-Schätze! Belegt mit Gründen jedes Kriegsgebot! Belegt mit Bomben Englands Küstenplätze! Jedoch belegt nicht Euer Frühstücksbrot!“
Und hinsichtlich des Krieges verlas man am Pfingstmontag in den Kirchen: „Deshalb wird heute so deutsch geredet, wie noch niemals! Auf dass unsere Feinde begreifen lernen, wie deutsch, wie deutlich das deutsche Schwert zu reden vermag, so deutlich, dass sie es nicht so bald wieder vergessen werden!“ Der Kriegsalltag hatte alle wieder erreicht.

haweger

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Kommentare (1)

omasigi werden uns nicht so viele Auflagen gemacht.
Hoffen wir,dass es so bleibt-

omasigi

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