„Am besten du ziehst den Dreckkarren aus der …!“


„Am besten du ziehst den Dreckkarren aus der …!“

Eine kulturhistorische Betrachtung zum Thema Dreck

17. September 1911 - Heute vor 105 Jahren erschien in der „Radeberger Zeitung“ eine Ehrenerklärung mit folgendem Wortlaut: Großokrilla. Erkläre hiermit, dass Frau Findeisen kein Schwein ist, sondern die sauberste Frau von ganz Europa. (Frau Findeisen, was willst Du noch mehr?), Frau Großmann. Dem vorausgegangen war eine Schöffengerichtsverhandlung in Radeberg, bei der die Klägerin Findeisen Genugtuung gefordert hatte. Die Angeklagte würde sie fortwährend „Dreckschwein“ nennen und mit ähnlichen „schweinischen“ Worten in der Öffentlichkeit verleumden. Da wegen der sittenlosen Ausdrücke eine nichtöffentliche Verhandlung stattfand, sind die anderen Ausdrücke nicht bekannt geworden. Durch diese provozierende Zeitungsanzeige kam es zu einer weiteren Verhandlung vor dem Landgericht. Amalie Eleonore Großmann wurde zu sechs Wochen Gefängnis verurteilt, wenn sie bis zum 31. Oktober das Bußgeld in Höhe von 80 Mark nicht bezahlen würde.

Die Urteilsfindung zu einem Vorgang der Beleidigung, in der u. a. das Wort „Dreckschwein“ benutzt wurde (siehe auch aktuelle Rödertalchronik), veranlasste mich der Sache insgesamt nachzugehen. Eines scheint festzustehen, trotz guter Erziehung und öffentlicher Aufmerksamkeit erfreut sich das Wort „Dreckschwein“ erstaunlicherweise in der gegenwärtigen Zeit allgemeiner umgangssprachlicher Beliebtheit. Kam dieses Wort über die „Drecksau“ im Sinne einer „schmutzigen Person“ aus dem alten Rom in unsere Sprache, wird das Wort heute sehr oft im allgemeinen Sinn für alles möglichen Personen abwertend gebraucht. Eine Besserung scheint trotz Gerichtsurteile nicht in Sicht.

Martin Luther, bekannt durch die Nutzung der damals deftigen Alltagssprache, sagte zum Beispiel einmal in einer Predigt: „Wer mit einem Dreck rammelt, er gewinne oder verlöre, so geht er beschissen davon“. Er bezog sich auf den Umstand eines anderen Wortes „indem dieselbe Weibsperson sich zum dritten Mal in den Dreck legen und geschwängert werde“. Es ging um das sittliche und moralische Problem der unehelichen Kinder, bis vor kurzem noch von bedeutender gesellschaftlicher Relevanz, bei der nicht selten das Wort von der „Dreckshure“ fiel.

„Dreck“ spielte sogar in einer Radeberger Ratssitzung 1895 eine Rolle. In der heutigen Pestalozzischule sollte ein Brausebad errichtet werden. Dafür mussten finanzielle Mittel bewilligt werden. Was einen Stadtrat zu dem Redebeitrag veranlasste „Im Dreck sind die Kinder am Gesündesten“.

Doch auch an anderer Stelle hatte Radeberg so seinen Dreck. So nahm man vor 1500 den „Dreckschilling“ als Abfallgebühr. Sozusagen der Vorläufer unserer heutigen Müllgebühr oder Straßenreinigungsgebühr. Welch verklärende Wortwahl. Es gab auf jeden Fall eine Menge Probleme, denn niemand wollte den berühmten Karren aus der Sch….. ziehen. Eigentlich Dreckkarren genannt, stellte die Stadt das Gefährt für die durchaus nicht geruchsneutrale Müllentsorgung. Und so entschied man „Du ziehst den Dreckkarren aus der Scheiße !“ Der Stadtknecht, deswegen auch volkstümlich Dreckvogt genannt, nahm sich hierfür die verschiedensten Personen vor. Den ausnüchterten Säufer, die Diebin oder das mit „Scheltworten um sich werfende Handelsweib“. Es gab vermutlich genügend Gelegenheit für diese „Drecksarbeit“ und sie war für die Stadt was die Bezahlung des Personals betraf, praktisch ohne finanzielle Aufwendungen. Der Dreck wurde übrigens zum Pirnaer Tor hinaus gebracht und manchmal gleich in der Röder entsorgt.

Luther muss auch dreckiges Wasser gekannt haben. Denn hierzu sagte er „Wie wird das Wasser so unrein nach dem Bade! Ja, ich hab’s vergessen, denn Haut und Fleisch von Dreck sein!“ Mit dieser Bemerkung war er kein „Drecksack“, eine seit 1520 bekannte Redensart für einen „gemeinen Menschen“.

haweger

Anzeige

Kommentare (1)

uschipohl Hallo haweger,

fein recherchiert und umgesetzt

... und wer da keinen Dreck am Stecken, der werfe den ersten Klumpen ...
fiel mir gerade so ein

herzliche Grüße
uschi

Anzeige