Schlafen unter Olivebbäumen


Schlafen unter Olivebbäumen

Nach 4 Jahren Aufbau und intensiver Arbeit im Berliner Frauenhaus war ich ausgebrannt und leer. Meine Sehnsucht nach Stille und Natur brach durch, ich weinte viel vor Erschöpfung, aber auch, weil ich mich selbst scheinbar verloren hatte. So nahm ich 14 Tage Urlaub und buchte spontan einen Flug nach Kreta. Ich wählte einen kleinen Ort im Süden, der noch nicht ans Stromnetz angeschlossen war und fuhr mit dem Bus über die Berge dorthin. Schon während der Fahrt hörte ich griechische Musik, die Sprache hatte einen andern Klang und das Meer kam immer näher, ich konnte es schon sehen und riechen und öffnete mich für alles, was auf mich zu kam.

Es gab nur wenige Häuser und noch weniger Unterkünfte, man mietete kein Zimmer, sondern ein Bett in einem Gemeinschaftsraum mir 4-10 Betten. Ich trank in der einzigen Taverne, die nur durch einen Generator Strom hatte, einen Kaffee. Die Touristen waren jung, sehr freundlich und hilfsbereit, ich war schon 41 Jahre, das erste Mal im Ausland und nur mit meinem Rucksack und dem Nötigsten bereit, eine neue Erfahrung zu machen.
Man zeigte mir nach Sonnenuntergang ein Zimmer, in dem noch ein Bett frei war. Kein Fenster, keine verschlossene Tür, ich schlief ein mit dem Geruch der frischen griechischen Kräuter und der Musik des Meeres. Am Morgen erwachte ich mit 9 verschlafenen und fröhlichen Männern.
Mein Frühstück in der Taverne bestand aus einem Salat mit Schafskäse, zwei griechischen Kaffee, ein bisschen Plaudern, Fragen stellen, anschließend ein ausgiebiges Bad bei leichten Wellengang im Meer.

Ich saß im Sand, vor mir das Meer und eine endlose Weite bis zum Horizont. Das öffnete alle Poren in mir, ich atmete neue Energie. So beschloss ich, weiterzuziehen, ich brauchte mehr Stille, verabschiedete mich und wanderte los, ohne Ziel, selbst erstaunt über meinen Mut und im Kontakt mit dem Empfinden von Freiheit und Vertrauen. Einen Wanderurlaub hatte ich nicht geplant, es bot sich an und ich griff zu, versorgte mich mit dem notwendigem Proviant, mit Quellwasser und setzte mich in einen Olivenhain.
Der erste von vielen Abenden kam, die Sonne ging in einem herrlichen Schauspiel über dem Meer unter und so wollte ich auch am nächsten Morgen aufwachen. Ich streckte mich auf meinem großen Badetuch aus, den Rucksack unter dem Kopf und deckte mich mit meiner Jacke zu.

Die Erde unter mir, der endlose Himmel mit tausend Sternen über mir wie ein schützendes Zelt, Anflüge von Angst übergab ich dem Kosmos. Ich fühlte die heilende Kraft der Kräuter, die Musik der alten Olivenbäume, hörte manchmal Hund und Katzen oder einen Vogel und das blöken einer Schafherde, darüber schlief ich ein.
Das Erwachen am nächsten Morgen war unbeschreiblich schön, die aufgehende Sonne über dem Meer, das Konzert der Vögel, das befreite Atmen und der leichte Wind, der mich streichelte,
Ich weinte, Tränen der Freude und des tiefen Glücks, losgelöst von aller Schwere und in mir ein tiefes Gefühl von Dankbarkeit. Der Rücken meckerte ein wenig, wegen der ungewohnten Unterlage, aber er kam durch die Bewegung schnell wieder in die Balance.

In diesen zwei Wochen schlief ich nur 2 Nächte in griechischen Familien, die mich einluden zu einem herrlichen Abendessen, Musik und Tanz und einem Plätzchen auf ihrem Sofa im Wohnzimmer. Sprache brauchten wir nicht, Hände und Gesten reichten zur Verständigung und zum Teilen der Lebensfreude. Versorgt mit Proviant für zwei Tage wanderte ich den Berg hinab , begleitet von den Rufen und Wünschen meiner Gastgeber.
Die letzte Nacht verbrachte ich bei einem Schäfer und seiner Herde, ein knorriger sehr alter Mann, dessen Haut gegerbt war durch das Leben. Er sah mich am Weg stehenbleiben, ich betrachtete die Schafe mit ihren Lämmern, er winkte und bat mich zu ihm. Er strahlte mich an und ich hatte sofort Vertrauen, ging zu ihm und ließ mich auf der Bank an einer winzigen Holzhütte neben ihm nieder. Er teilte sein Brot mit mir, wir tranken Ouzo aus der selben Flasche, redeten kaum, aber auch das Schweigen war wunderbar., denn es fühlte sich warm an. So saßen wir lange und als die Schafe sich zur Ruhe legten, die Lämmer Schutz bei ihren Müttern fanden, da bot er mir seinen Schlafsack für die Nacht an, er schlief auf der kleinen Bank. Wir verabschiedeten uns am nächsten Morgen mit Umarmung und Winken. Den Geruch des Schlafsacks werde ich wohl nie vergessen. Im nächsten Ort ging ich etwas essen, duschte, wusch mir die Haare und trampte dann zum Flughafen Ein freundlicher alter Lastwagenfahrer brachte mich bis zum Eingang.

Geheilt an Körper und Seele kehrte ich in meinen Alltag zurück, kündigte zwei Tage später meinen Arbeitsplatz in dem Bewusstsein des Erlebten und ging für 6 Monate in die Arbeitslosigkeit. In dieser Zeit entwickelten sich neue berufliche Ziele in mir. meine Kreativität brach durch und die Liebe zu mir und zu allem, was ich tat, erleichterte mein Leben.


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Kommentare (2)

werderanerin

Ich denke, liebe Malina, dass du sehr fertig gewesen sein musst, um eine Reise zu machen, die dich irgendwo hinführt und noch dazu ganz allein...wow.

"Damals" war es auch noch anders, alles war einfacher, sehr bescheiden, es gab keine Bettenburgen, die Freiheit war sicherlich noch fassbarer...heute aber ist solche Wanderung vielleicht so nicht mehr möglich.

Schön, dass du das genauso gemacht hast und dabei vor allem erfahren konntest, dein Leben endlich zu ändern. Ich hoffe sehr, du hast es nie bereut und bist zufrieden...

Das Bild ist fantastisch 

Liebe Grüße

Kristine

ladybird

Liebe Malina....
wow.....wahnsinn, was Du dich getraut hast, liebe Malina....diesen Mut aufzubringen und zu neuen Ufern aufzubrechen, nach dieser großartigen Erfahrung....
Bin begeistert von Deinem Wagnis, was Dein "Weg ins Glück" wurde?
Mit Bewunderung und Dank, Freude
grüßt Dich herzlichst
ladybird-Renate


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