Pfarrer Blume "Blümchen" genannt und Hoffmanns-Stärke


ja, die Pfarrer gab es auch noch in der ehemaligen DDR. Sie darbten am Rande so dahin und taugten eigentlich nur noch zur Begleitung bei einer Beerdigung. Zu meiner Zeit gehörte es sich noch, daß man zum Konfirmations-Unterricht ging und der fand jeden Sonntag in der eiskalten Kirche statt. Egal ob Sommer oder Winter, dort war es immer kalt. Unser "Blümchen" bemühte sich sehr, uns die Christengeschichte zu erzählen, was stellenweise auch sehr spannend war. Aber die harte Bank und die Kälte ließen uns eigentlich nur Quatsch erzählen und machen. "Blümchen" hopste wie ein Gummiball im breiten Gang umher und sprach von Gleichnissen und geteilten Wassern, von Fischen - die wir selber fingen mit bloßer Hand und all so'n Kram. Es wurde auch recht unruhig, wenn wieder einer die Samen der Hagebutte dabei hatte und jemanden unter den Pullover stopfte. Dann gab's die Riesenjuckerei. Und "Blümchen" dachte an sein Wirken und uns Kinder damit begeisterte. Er redete sich völlig in Rage und war jedesmal erstaunt, wenn die Turmuhr schlug. Das hieß das Ende seines Vortrags und lief trotz der Körperfülle behende zur Tür und streckte seine Hand aus, aber mit der Handfläche nach oben. Wir Schlitzohren kannten diese Geste und sagten brav "Aufwiedersehen" und die Hand blieb leer. "Blümchen" zeigte keinen Ärger, er zog sich um und machte im Dorf seine Runde, es war ja Mittagszeit. So zog er los, um dem Fleischermeister und seiner Gattin einen schönen Sonntag zu wünschen, dann weiter zur alten Kneipe, da gab es immer ein Schnäpschen, dann weiter zum Bäcker direkt gegenüber und wenn er dann das Dorf durchquert hatte, dann stand er bei uns vor der Tür. Bei uns ergatterte er immer 3 Eier. Es mußten genau 3 Stück sein. Eins für sich, eins für die Haushälterin und eins für ihren Sohn. Dieser Sohn war mein Klassenkamerad und Kumpel und ich wußte, daß es dort auch noch eine Tochter gab. Und Siwi, wir er von uns gerufen wurde, erzählte mir, daß sie noch nie ein Ei vom Blümchen bekommen hätten. Im Gegenteil, sie bekämen die Eier von meiner Großtante, die genau gegenüber wohnte. Na, das mußte ich doch unbedingt meinem Stiefvater erzählen. Man saß abends am Küchentisch und Onkel Otto,ein einarmiger Kriegsversehrter, der die Lebensmittelmarken auf die Bögen kleisterte, saß schmunzelnd da und erzählte noch mehr von kleinen Gaunergeschichten, die den Pfarrer so betrafen. Unter dem großen Siegel der Verschwiegenheit wurde ein Plan geschmiedet.
Der nächste Sonntag nahte, ich ging wieder in die Kirche und war ganz aufgeregt. Ich schaute immer zu Siwwi rüber und feixte ihn an. Die anderen merkten, daß hier was lief, aber was?
Es war ein Getuschel und Gerutsche und Pfarrer Blümchen war es endlich leid und schmiß uns alle aus der Kirche raus. Ich raste nach Hause und mußte unbedingt wissen, was die Drei sich ausgedacht hatten. Auf dem Tisch stand eine spitze Tüte, die eigentlich für sich selbst schon Seltenheitswert hatte. Onkel Otto war auch da, er grinste, Stiefvater grinste, nur Mutter blieb ganz ernst und brachte ihre Gesichtsmuskulatur zum Stillstand. Ich verzog mich auf meinen Aussichtsturm auf den Treppenabsatz und alle warteten auf Blümchen. Er kam und wünschte mit Gottes Segen einen schönen Sonntag. Vater drückte ihm in der Haustür die Tüte in die Hand und schob Arbeit vor und ihn aus der Tür. Blümchen schob verwundert ab, drehte sich an der Gartentür nochmal um und ging seines Weges. Onkel Otto konnte sich vor Lachen nicht mehr halten, unser Dienstmädchen Maria quiekte regelrecht und Vater stand mit stolzem Blick in der Tür und sagte majestätisch: das war's dann! Das war es dann auch und Onkel Otto erzählte, daß er Pferdeäppel getrocknet hat und die schön geformt in die Tüte gepackt hat.
Aber Blümchen kam nie wieder und ich brauchte nie mehr zum Konfirmationsunterricht.
Doch Blümchen war ein zäher Gegner, als meine Mutter verstarb und er erfuhr, daß ich mit meiner Tante in den Westen reiste, traute er sich zu fragen, ob ich ihm denn nicht mal ein Päckchen "Hoffmanns-Stärke" für sein Frettchen schicken könnte. Nee, das habe ich an seine Haushälterin geschickt und für meinen Kumpel Siwwi auch noch Kaugummi reingelegt.
Das war unser Pfarrer "Blümchen", ein Schnorrer-Genie.
Euer Finchen





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Kommentare (1)

omasigi nur : Der Arme.

gruessle
omasigi

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