Opa Otto - Teil II


Opa war Zeit seines Lebens Landwirt und das Oberhaupt einer großen Familie. Über zwanzig Jahre lang war er der Bürgermeister seines Dorfes. Ich kann mich noch gut an die Tage erinnern, an denen  wir Enkelkinder zum Kartoffelhacken gerufen wurden. Oma kam dann mit Tee, selbstgemachtem Apfelsaft und belegten Broten nach ein paar Stunden hinterher und belohnte uns für die fleißige Arbeit. Ob das die Kiddys von heute auch zufrieden machen könnte, wage ich zu bezweifeln.
Kühe, Schweine, Katzen, Pferde und nicht zu vergessen Jagdhund Alex ( sie hießen alle Alex, Opa wollte sich nicht umgewöhnen ). Ich war jeden Tag auf dem Hof, der direkt neben meinem Elternhaus war. Bin mit Tieren groß geworden und habe es geliebt.
Traditionen wurden hoch gehalten und gelebt. Biikebrennen, Eierwerfen zu Ostern, Pfingstfahrten mit Pferd und Wagen, Hualavjonken ( regelmäßige Treffen der unverheirateten Münner ), tragen der Tracht zu allen Festivitäten, Taamse ( im Herbst gab es ein bestimmtes Datum - und hatte man da seine Gerätschaften nicht winterfest im Schuppen oder Stall untergebracht, wurden sie in der Nacht entwendet und versteckt - zur großen Freude der Jugend ), wer vorhatte zu heiraten, wurde mit Adleraugen beobachtet und wurde der Mann vor der Hochzeit ertappt, wie er zur Nachtzeit aus dem Haus der zukünftigen Braut kam, war eine Dorfrunde in der Kneipe fällig. Selbstverständlich war man aktiv in der freiwilligen Feuerwehr Mitglied und niemand drückte sich vor der Strandsäuberung im Frühjahr.
Es wurde gejagt, Fische gefangen, der Garten als Gemüsegarten genutzt, man hatte Hühner und Obstbäume. Es gab die Möfglichkeit im Eishaus neben der Meierei im Nachbarort ein Fach zu mieten und dort Lebensmittel einzufrieren. Wir haben selber eingeweckt, gläserweise. Selber Brot gebacken. Die Kleidung nähte man im Winter selber, oder strickte sie. Fast autark - wenig, was dazu eingekauft werden mußte.
Es war eine schöne Kindheit, die ich erleben durfte. Shoppen ein Fremdwort. Heute bei vielen ein Hauptwort. Schade eigentlich.


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Kommentare (7)

Mary-Lou99

Ja, so war das früher! 

Ich bin auch auf dem Lande aufgewachsen und lebe immer noch in meinem Geburtsstädtchen. Auch bei uns gab es Rituale, vielleicht schreibe ich auch mal einen Blog über meine Kinheit. 

Du hast mich inspiriert, liebe Keike.

Grüßle Mary

 

Ferring

@Mary-Lou99  

Eine Leserin hast Du schon. Liebe Grüße Keike

Roxanna

Ja, es ist wirklich schade, dass so vieles verloren geht oder verloren gegangen ist. Einen solchen Zusammenhalt, wie es ihn in deiner Familie, liebe Keike gegeben hat, als Kind erleben zu können, bringt Geborgenheit und schafft eine Basis, sein Leben gut meistern zu können.

Sehr gerne habe ich deine Erinnerungen gelesen und grüße dich herzlich

Brigitte

Ferring

@Roxanna  
Danke Brigitte. Ja, so war das. Wenn ich heute in das Spielzeugregal meiner Nichte schaue - sie hat einen Sohn, der ist 3 !!! Jahre alt, frage ich mich ernsthaft :  was will sie ihm zum Geburtstag schenken, wenn er 8 wird. Luxus und Besitz sind kein guter Anker.
Liebe Grüße Keike

Syrdal


Welch einen unbezahlbaren Schatz tragen wir doch in uns mit den wunderbaren Erinnerungen an längst vergangene Zeiten, die trotz allem Mangel  und damaliger Einfachheit noch immer (oder erst recht) als „heile Welt“ bezeichnet werden dürfen...

...sagt mit Grüßen zum Abend
Syrdal

Ferring

@Syrdal 
Ja, das finde ich auch.

Schade nur, dass so viele Lebensgeschichten ungeschrieben verloren gehen. Gerade die Generation, die den Krieg miterleben musste, hat so viel zu erzählen. Das Geld wurde entwertet, Knappheit an alltäglichen Dingen und Flucht.
Ich möchte mit der Jugend von heute nicht tauschen. Sie steuern jetzt auf
ziemlich schwierige Zeiten zu und der gewohnte Wohlstand, wird so nicht zu halten sein, fürchte ich.
einen schönen Tag Keike


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