Nicht quak-quak, sondern wi-wi-wi-



Es ist Samstag! Heute muss ich nicht arbeiten! Es regnet!
Das alleine sind schon drei gewichtige Gründe, sich aufs Sofa fallen zu lassen und NICHTS zu tun, genauer gesagt: GAR NICHTS!
Ein unübersehbarer Schatten baut sich vor dem Sofa auf:
„Häng hier nicht so faul rum! Tu mal was für deinen Sohn! Geht ein bisschen raus! Das Wetter ist schon viel besser!“
Demonstrativ baut sich mein Sohn, schon angetan mit Gummistiefeln und der obligaten gelben Regenjacke neben seiner Mutter auf.
„Schon überredet!“ murmele ich, steige in die Gummistiefel und den Ostfriesennerz.

„Bloß nicht schon wieder zum Botanischen Garten!“ –
„Wollte ich sowieso nicht hin!“ und gehe in die andere Richtung, zwar noch ohne Ziel, aber am ergiebigsten ist wohl die Spielzeugabteilung eines Kaufhauses.
Wir stolpern durch die Pfützen und meine Brille ist beschlagen und ich sehe eigentlich gar nichts.
„Siehst du, das Wetter wird besser! Mama hat doch recht!“
Aus erzieherischer Rücksichtnahme erspare ich ihm meinen Kommentar dazu, aber der Himmel ist tatsächlich schon nicht mehr so ganz grau und das Wasser läuft mir kaum noch in den Kragen.

Auf einmal stehen wir auf dem Wochenmarkt. Kommt wie gerufen, denke ich, der Unterhaltungswert steht für einen Vierjährigen zwar nicht oben auf der Skala, mag aber vielleicht einige Zeit hinhalten, besonders, als wir dann zwischen Gemüse und Blumentöpfen auf einen Haufen zwitschernder Kartons stoßen. Hier stehen schon einige Kinder mit ihren verzückten Müttern und versuchen, einen Blick auf den flauschigen Inhalt zu werfen.
Endlich kann ich mein Söhnchen bewegen weiterzugehen. Wir bummeln still und lustlos zwischen Bergen schrumpliger Kartoffeln und Kohlköpfen in allen Farben herum, bis ich merke, dass wir wieder die Richtung auf das Gepiepe eingeschlagen haben und kurze Zeit später vor den Kartons mit den Küken stehen.
Er hält mich ganz fest an der Hand. Ein paar Mal guckt er mich vorsichtig von schräg unten an, um die Situation abzuschätzen, während ich über den Wandel der Vaterrolle als Erzieher und Vorbild in der heutigen Gesellschaft nachdenke (ein Zeitungsartikel, den ich heute morgen auf meinem Schreibtisch fand). Ich erkenne, dass ich etwas für mein Image tun muss: Das hier ist die Gelegenheit!
„Die Enten?“ frage ich.
Er schluckt und klappt mühsam den Daumen und den Zeigerfinger einer Hand nach innen, hält die Hand hoch und sagt heiser: „Fünf!“ – Ich denke an meine Rolle als Vaterbild und wende mich an den Verkäufer:
„Fünf!“

Auf dem Heimweg trägt er den Karton mit den Luftlöchern vorsichtig vor dem Bauch, ich habe eine Tüte mit Entenfutter, das wir dazubekommen haben, und einen Strauß Glockenblumen, für alle Fälle.
„Was Mama wohl sagt?“ philosophiert er, „die findet das bestimmt ganz toll!“ Zu Hause hält er ihr den Karton stolz entgegen.
„Nein, Hühner,“ ruft sie, „wenn man euch schon mal losschickt! Aber wie......“
„Das überlass mal mir,“ sage ich kühl, sachlich und über den Dingen stehend, und mein Sohn fügt hinzu:
“Siehst du, ich wusste, dass sie es toll findet!“

Im Garten baue ich auf dem Rasen so eine Art Laufstall für Enten. Wenn wir ab jetzt unseren Sohn suchen, finden wir ihn in der Regel darin in der Entenkacke auf dem Rücken liegend und alle Enten sitzen auf seinem Bauch.

Eines Tages kommt ein Freund zu uns und wir hocken alle vor dem Laufstall und rufen quak quak quak.
„So geht das nicht,“ mischt mein Freund sich ein und schüttelt bedenklich den Kopf, „den Enten fehlt die familiäre Bezugsperson! Die werden lebensuntüchtig!“
(Ich dachte – zumindest heimlich – daran, sie später als Braten auf dem Tisch zu sehen, da sollten sie eher zart als lebenstüchtig sein!)
„Einer von euch muss die Erziehung übernehmen, er muss vorwegschwimmen und nicht quak quak rufen, sondern wi-wi-wi-wi-wi!“
Wir starren ihn überrascht an!
„Sagt wenigstens Professor Dr. Konrad Lorenz, der Vater aller Enten,“ fügt er hinzu.
Mein Sohn und meine Frau schauen mich an. Da ich ja schon vollmundig die Verantwortung für die Entenaufzucht übernommen habe, bleibt natürlich auch noch die Erziehung an mir hängen.
„Aber ich kann doch gar nicht schwimmen,“ stottere ich, „und außerdem haben wir doch nur den Teich mit den drei Fröschen, der ist sowieso zu klein!“
„Na, dann gehst du eben vorneweg so wie beim Ententanz und rufst immer wi-wi-wi-wi-wi.“ – Meine Frau und mein Sohn nicken mir ermunternd zu.

Also – diesmal sind meine Erziehungsversuche überraschend erfolgreich: Ich muss die Enten, die übrigens gar nicht mehr so klein sind, einsperren, damit ich überhaupt mal alleine irgendwohin gehen kann.
Ab und zu bringen sie mich dann aber doch in Verlegenheit, so wie letzten Freitag, als der Chef in mein Büro guckte und fragte:
„Hier draußen warten fünf Enten, haben die einen Termin bei Ihnen?“

castellanos
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Kommentare (9)

christl1953 Naja ,wer A sagt muß auch B sagen,das hast Du dir so eingebrockt ????? ich stell mir das ganz himmlisch vor,
ein junger Mann ,um die dreißig herum!
Fünf Enten als Star- Begleitung.
Da werden all die Damen gucken?
Normal sind doch Frauen die Glucken!
noch mehr der lustigen Geschichten
solltest Du uns hier berichten!!!!!!!bittesehr!mehr!!!!
castellanos Freut mich, dass Euch die Geschichte gefallen hat.
Sie beruht natürlich auf wahren Erlebnissen
- bis auf die wartenden Enten vorm Büro natürlich!
castellanos
indeed schon mehrmals gelesen und immer wieder finde ich den letzten Satz als den allerschönsten . . .

Lieber Gruß
indeed
Bruno32 Eine wirklich herforagend erzählte Geschichte.
Eine Geschichte zum schmunzeln.
Bravo
grüße Bruno
tilli Wieder was für die Seele. Diesmal zum lachen. Ja, du hast dich in jeder Hinsicht sehr hingegeben.Mit Brawur bestanden.
Danke, hat mir heute Freude gebracht.
Grüße Tilli
KarinIlona Eine wunderbare Geschichte, lieber Costellanos!
Da fällt mir dazu ein...
... Ich hatte mir als Dreizehnjährige 3 Enten gewünscht und bekam sie auch. Ein Badeteich wurde gebuddelt, die Enten matschten den ganzen Hof ein. Meine Oma hatte eine Glucke gesetzt, sie wollte Eier legende Hühner anschaffen. Leider schlüpfte nur ein Hühnchen mit 7 Hähnen, und ausgerechnet dieses ertrank im Ententeich! Da könnt Ihr euch vorstellen, dass die ungeliebten Enten bald in die Pfanne kamen.
LG KarinIlona
nixe44 Die Entengeschichte, so nachvollziehbar geschrieben, hat auch mir Freude gebracht.
Schließlich betrieben meine Schwiegereltern eine Kleintierzucht.
Mit tierischen Grüßen
Monika
finchen als meine Schwester Hühnerküken hatte, lachte sie mich wegen der Brennesseln und gekochten Eiern aus.
Du hast mir meine Ehre gerettet!
Und an Castelanos, paß gut auf sie auf, so gut wie Konrad Lenz schon beschrieb - sie laufen jedem nach, den sie als erstes erblicken nach dem Schlupf.
Liebe Grüße Entenvater, nun kümmere Dich um sie.
Ganz liebe Grüße und vielen Dank für die schöne Geschichte.
Herzlichst
Moni-Finchen
Traute ganz niedlich und so unterhaltsam geschrieben, die Entengeschichte.
Süß sind sie allemal. die gelben Bällchen und wir mussten Brennnesseln und hart gekochte Eier hacken für das Futter.
Aber wir riefen sie wiele,wiele wiele....
War mal ganz was anderes,mit freundlichen Grüßen,
Traute

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