Nacht über der Sologne
Nacht über der Sologne.
Die Nacht ist bereits hereingebrochen über der Landschaft der Sologne, zwischen Loire und Cher. Vor mir auf dem massiven Holztisch steht der letzte Rest des wunderbaren, gehaltvollen Weines aus der Gegend. Geniesserisch und zutiefst dankbar für diese Schönheit lausche ich den Geräuschen der Nacht. Ich lasse die Bilder des Tages an mir vorbei ziehen.
Unweit meiner Wohnung, auf einem ehemaligen Bauernhof, höre ich vereinzelt Frösche quaken. Ein eintöniges, eher gelangweiltes Verständigen unter Artgenossen, dem das forsche, lebensfrohe Werben der Stimmen im Frühling fehlt. Obwohl sie sich tagsüber an der goldenen Herbstsonne aufgewärmt haben scheint ihnen echte Lebensfreude fremd zu sein.
Aus dem nahen Buschwerk zieht eine Brise, erfüllt mit dem würzigen, herben Duft des wilden Thymians an mir vorbei. In zwei, drei Tagen wird Vollmond sein. Hell und leuchtend „hängt“ die noch etwas unförmige Kugel am Himmel. Es scheint als ob der Mond Wache hält über dem Wildpark von Château Chambord, der sich über eine Flache von 5540 ha erstreckt.
Dunkel, riesig und mit einer unvorstellbaren Erhabenheit zeichnen sich die Libanon – Zedern als schwarze Schatten vom Nachthimmel ab. Daneben erscheinen die beachtlichen Eichen, Kiefern und Ahornbäume wie Zwerge. Zwischen der Einfriedungsmauer von Chambord und unserem Grundstück liegt ein rege bewohnter Teich. Auf der einen Seite ist er eingezäumt von halbhohen Kiefern. Zur anderen Seite, da wo sich Schilf angesiedelt hat, fühlen sich Wildenten zu Hause. Tagsüber verstecken sich diese oft in den Iris, welche das sumpfige Ufer säumen. Oder schwimmen durch 100 000 von Wasserlinsen die die Wasseroberfläche bedecken.
Immer und immer wieder stossen sie wilde, aufgeregte Warnschrei in die Nacht hinaus. So, als ob sie vor hungrigen, umherstreifender Füchse aufgeschreckt würden.
In unmittelbarer Nähe von mir zeichnen sich drei 15 bis 20 Meter hohe Fichten im Mondlicht ab. In ihren Zweigen hat sich ein Kauz niedergelassen. Sein lauter Schrei lässt mich zusammenfahren. Irgendwo, in der Ferne antwortet ihm ein Artgenosse.
Unweigerlich muss ich an Karl May und seine Indianergeschichten denken. Daran wie sich die Indianer bei ihren nächtlichen Angriffen und Streifzügen, mit dem Schrei des Nachtvogels verständigen.
Ein unbeschreibliches Gefühl wie Ehrfurcht rührt sich in mir. Ein Gefühl, in ungerührte Natur vorgedrungen zu sein. Tatsächlich handelt es sich aber um ein von Menschenhand gestaltetes Biotop mit mehr als 1800 Teichen und Weihern. 267 Vogelarten und sogar Süsswasserschildkröten fühlen sich in diesem Paradies heimisch. Die ursprünglich morastige Gegend wurde im Mittelalter von Mönchen trocken gelegt. Obwohl zur Fischzucht und Haltung angelegt, schufen sie als wahre Meister im Teichbau eine einmalige Kulturlandschaft.
Die Sologne ist Heideland, auf dem tagsüber die grau – weissen Percheron Pferde weiden. Im Frühling leuchtet der gelbe Ginster, im Herbst das Altrosa der Erika. Zu Sommeranfang bedeckt ein Teppich aus weissen und gelben Seerosen die Gewässer. Die Wildenten. Reiher und Blässhühner sind Dauergäste. Kraniche und Wildgänse machen auf ihrem beschwerlichen Afrikaflug einen Zwischenhalt um neue Kraft zu schöpfen.
Aus meinen Träumereien, durch ein tiefes Grunzen aufgeschreckt beschleicht mich Angst.
Das unheimliche Geräusch scheint aus Richtung des Schlosses zu kommen. Ich verdächtige Wildschweine, die in dieser Gegend zu tausenden beheimatet sind. Am nächsten Morgen bestätigt sich meine Vermutung. Eine Rotte Wildschweine hat auf einer Länge von fast einem Kilometer der Schlossmauer entlang, die Erde auf der Suche nach Schnecken, Würmern und Mäusen aufgewühlt. Bald werden es weniger sein, denn seit drei Tagen ist die Jagd eröffnet. ( Aus dem umgepflügten Durcheinander. rette ich drei etwa 5 cm grosse Schösslinge, die sich nun in meinem Garten als stattliche Chambordföhren entwickeln können. Bis dahin ist allerdings noch ein weiter Weg sind sie doch erst etwa drei Meter hoch).
Langsam verblasst die Brillanz der Himmelskörper. Ihr Licht, das vor kurzer Zeit so hell und glitzernd geleuchtet hat, weicht einem milchigen Mattwerden. Mir scheint, dass der Sternenhimmel nirgends auf der Welt glänzender leuchtet als hier in der Sologne und dass er sich nirgends so nahe der Erde wölbe, so als seien Himmel und Erde eins.
Die Spätsommerwärme des vergangenen Tages hat sich im Erdreich gespeichert. Vereinzelt ziehen nun bodennahe Nebelschwaden wie Gespenster über das weite Land. Sie hüllen es ein wie eine seidene Decke. Am östlichen Horizont zeichnet sich allmählich der matte Schimmer des neuen Tages ab.
So sicher wie es immer wieder Tag und Nacht wird, so sicher werden die Erinnerungen dieser einsamen Nacht in meinem Gedächtnis und meinem Herzen sein.
copyright Larissa
Die Nacht ist bereits hereingebrochen über der Landschaft der Sologne, zwischen Loire und Cher. Vor mir auf dem massiven Holztisch steht der letzte Rest des wunderbaren, gehaltvollen Weines aus der Gegend. Geniesserisch und zutiefst dankbar für diese Schönheit lausche ich den Geräuschen der Nacht. Ich lasse die Bilder des Tages an mir vorbei ziehen.
Unweit meiner Wohnung, auf einem ehemaligen Bauernhof, höre ich vereinzelt Frösche quaken. Ein eintöniges, eher gelangweiltes Verständigen unter Artgenossen, dem das forsche, lebensfrohe Werben der Stimmen im Frühling fehlt. Obwohl sie sich tagsüber an der goldenen Herbstsonne aufgewärmt haben scheint ihnen echte Lebensfreude fremd zu sein.
Aus dem nahen Buschwerk zieht eine Brise, erfüllt mit dem würzigen, herben Duft des wilden Thymians an mir vorbei. In zwei, drei Tagen wird Vollmond sein. Hell und leuchtend „hängt“ die noch etwas unförmige Kugel am Himmel. Es scheint als ob der Mond Wache hält über dem Wildpark von Château Chambord, der sich über eine Flache von 5540 ha erstreckt.
Dunkel, riesig und mit einer unvorstellbaren Erhabenheit zeichnen sich die Libanon – Zedern als schwarze Schatten vom Nachthimmel ab. Daneben erscheinen die beachtlichen Eichen, Kiefern und Ahornbäume wie Zwerge. Zwischen der Einfriedungsmauer von Chambord und unserem Grundstück liegt ein rege bewohnter Teich. Auf der einen Seite ist er eingezäumt von halbhohen Kiefern. Zur anderen Seite, da wo sich Schilf angesiedelt hat, fühlen sich Wildenten zu Hause. Tagsüber verstecken sich diese oft in den Iris, welche das sumpfige Ufer säumen. Oder schwimmen durch 100 000 von Wasserlinsen die die Wasseroberfläche bedecken.
Immer und immer wieder stossen sie wilde, aufgeregte Warnschrei in die Nacht hinaus. So, als ob sie vor hungrigen, umherstreifender Füchse aufgeschreckt würden.
In unmittelbarer Nähe von mir zeichnen sich drei 15 bis 20 Meter hohe Fichten im Mondlicht ab. In ihren Zweigen hat sich ein Kauz niedergelassen. Sein lauter Schrei lässt mich zusammenfahren. Irgendwo, in der Ferne antwortet ihm ein Artgenosse.
Unweigerlich muss ich an Karl May und seine Indianergeschichten denken. Daran wie sich die Indianer bei ihren nächtlichen Angriffen und Streifzügen, mit dem Schrei des Nachtvogels verständigen.
Ein unbeschreibliches Gefühl wie Ehrfurcht rührt sich in mir. Ein Gefühl, in ungerührte Natur vorgedrungen zu sein. Tatsächlich handelt es sich aber um ein von Menschenhand gestaltetes Biotop mit mehr als 1800 Teichen und Weihern. 267 Vogelarten und sogar Süsswasserschildkröten fühlen sich in diesem Paradies heimisch. Die ursprünglich morastige Gegend wurde im Mittelalter von Mönchen trocken gelegt. Obwohl zur Fischzucht und Haltung angelegt, schufen sie als wahre Meister im Teichbau eine einmalige Kulturlandschaft.
Die Sologne ist Heideland, auf dem tagsüber die grau – weissen Percheron Pferde weiden. Im Frühling leuchtet der gelbe Ginster, im Herbst das Altrosa der Erika. Zu Sommeranfang bedeckt ein Teppich aus weissen und gelben Seerosen die Gewässer. Die Wildenten. Reiher und Blässhühner sind Dauergäste. Kraniche und Wildgänse machen auf ihrem beschwerlichen Afrikaflug einen Zwischenhalt um neue Kraft zu schöpfen.
Aus meinen Träumereien, durch ein tiefes Grunzen aufgeschreckt beschleicht mich Angst.
Das unheimliche Geräusch scheint aus Richtung des Schlosses zu kommen. Ich verdächtige Wildschweine, die in dieser Gegend zu tausenden beheimatet sind. Am nächsten Morgen bestätigt sich meine Vermutung. Eine Rotte Wildschweine hat auf einer Länge von fast einem Kilometer der Schlossmauer entlang, die Erde auf der Suche nach Schnecken, Würmern und Mäusen aufgewühlt. Bald werden es weniger sein, denn seit drei Tagen ist die Jagd eröffnet. ( Aus dem umgepflügten Durcheinander. rette ich drei etwa 5 cm grosse Schösslinge, die sich nun in meinem Garten als stattliche Chambordföhren entwickeln können. Bis dahin ist allerdings noch ein weiter Weg sind sie doch erst etwa drei Meter hoch).
Langsam verblasst die Brillanz der Himmelskörper. Ihr Licht, das vor kurzer Zeit so hell und glitzernd geleuchtet hat, weicht einem milchigen Mattwerden. Mir scheint, dass der Sternenhimmel nirgends auf der Welt glänzender leuchtet als hier in der Sologne und dass er sich nirgends so nahe der Erde wölbe, so als seien Himmel und Erde eins.
Die Spätsommerwärme des vergangenen Tages hat sich im Erdreich gespeichert. Vereinzelt ziehen nun bodennahe Nebelschwaden wie Gespenster über das weite Land. Sie hüllen es ein wie eine seidene Decke. Am östlichen Horizont zeichnet sich allmählich der matte Schimmer des neuen Tages ab.
So sicher wie es immer wieder Tag und Nacht wird, so sicher werden die Erinnerungen dieser einsamen Nacht in meinem Gedächtnis und meinem Herzen sein.
copyright Larissa
Kommentare (3)
nachtigall †
Leider habe ich erst jetzt gesehen, dass du dir die Zeit genommen hast, meine Geschichte zu lesen. Dafür danke ich dir. Schön dass du mich das wissen lässt.
Larissa
Larissa
Ganz liebe Grüße,
Bernd