Muttertag + Vatertag = Elterntag?
Der Muttertag ist auch für die Mütter und Großmütter von heute ein Tag, der Erinnerungen an die eigene Kindheit hervorruft. Viele Kinder lehnen diesen Tag ab, weil sie sich zu sehr gedrängt fühlen. Sie meinen, dass sie sich lieber freiwillig und zu einem Zeitpunkt ihrer Wahl um die Mutter kümmern oder ihr danken wollen. Wenn das nicht nur eine Ausrede oder ein Abwehrargument ist, dann ist es ja in Ordnung und freuen wird sich die Mutter auf jeden Fall.
Muttertagsrituale in meiner Kindheit
Als Kind schenkten meine Geschwister und ich unserer Mutter immer einen Muttertags-Frühstücksteller. Wir waren Flüchtlinge (1945) und hatten weder Haus noch Garten. Deshalb erbaten wir uns bei Nachbarn mit Blumengarten eine Hand voll Vergissmeinnicht. Diese legten wir einige Tage vor Muttertag auf einen mit Wasser gefüllten Suppenteller, immer die Stiele in der Mitte, die Blüten nach außen zum Rand hin ausgerichtet. Darauf stellten wir dann einen Frühstücksteller mit Tasse und das Ganze dann aufs Fensterbrett. Es ist wichtig, dass Tageslicht oder Sonne auf die Blumen fällt, denn sie neigen ihre Köpfe der Sonne zu, was dann erst den von uns gewünschten Effekt erzeugte. Bis zum Muttertag hatten sich dann die Vergissmeinnicht-Stengel mit den Blüten am Tellerrand aufgerichtet und standen senkrecht wie eine Blumen-Mauer um die Tasse, den Frühstücksteller und den Suppenteller mit dem Wasser. Dieses Gedeck stellten wir dann am Ehrentag auf Mutters Frühstücksplatz, nie ohne den obligatorischen Fliederstrauß mit roten Tulpen. Alle diese Blumen hatten wir bei Nachbarn „erbettelt“. Es gab viele Gärten. Die Straße, in der wir wohnten war lang. So hatten wir immer eine große Ausbeute und waren sehr, sehr stolz auf unseren Erfolg. Meine Mutter hatte auch eine Tischdecke mit Fliedermuster, die sie ihre Muttertagsdecke nannte, denn wir Kinder wählten immer zielsicher diese Decke für den Frühstückstisch am Muttertag.
Dieser Tag war meist schöner als die Geburtstage oder andere Festtage. Als wir älter waren, haben wir für Mutter einen Kuchen gebacken. Wir schenkten ihr Schmuck oder einen schönen Schal aus leichtem Sommermaterial. Aber die Wirkung war nie so groß wie damals, als wir uns die Mühe mit den Bettel-Blumen gemacht hatten und das Vergissmeinnicht-Gedeck vorbereiteten.
Das größte Geschenk für alle Mütter ist Zeit. Ein Besuch mit großem Zeitbudget und ohne Hektik – das ist das beste Präsent für alle Beteiligten. Denn auch den Kindern tut ein ruhiges Gespräch am Kaffeetisch gut, denn wann sonst nimmt man sich im Laufe des Jahres die Zeit dazu.
Foto: E.Z. privat
Kommentare (7)
@manfred36
Danke für die Richtigstellung. Einfach ausgedrückt, ist es Dir peinlich, wenn Deine Mühe "gewürdigt" wird, aber es freut Dich doch, wie andere Menschen ja auch.
Deine Geschichte zum Muttertag weckt bei mir Erinnerung . Es war mir sehr wichtig meiner Mutti etwas zu schenken. Heute freut es mich, wenn ich mit meinen Kinder etwas spontan unternehmen kann.
@werderanerin
@roxanna
@manfred36
@Maslina
Danke vielmals allen, die sich zu dem Thema geäußert haben. Wie gut, dass es unterschiedliche Meinungen dazu gab, denn so kenne ich es auch. Viele sind dagegen, andere würden diesen Tag vermissen.
Ich bin froh, dass ich wie Roxanna, maslina und manfred36 eine bejahende Einstellung zu dieser Sitte hatte und habe. Gerne habe ich meiner Mutter an diesem Tag eine zusätzliche Freude gemacht. Das "Überraschungsmoment", wie manfred36 es beschreibt, war mir auch wichtig. Die Bemerkung von manfred36, dass "gegenseitige Würde sich nicht präsentiert" verstehe ich allerdings nicht so ganz.
Was weiß man als Kind von "Würde"? Auch später, als ich selbst Mutter war, ging es darum, meiner Mutter eine Freude zu machen und Pannen waren natürlich nie zu vermeiden. Da hatten wir wenigstens etwas zu lachen im Geschwisterkreis und die Mutter lächtelte verständnisvoll.
Heute, als Mutter eines Sohnes, freue ich mich über einen Anruf aus der Ferne. Zeit ist das größte Geschenk das uns die Kinder heutzutage machen können und ich weiß es natürlich zu schätzen, wenn im Terminplan meines Sohnes auch mal ein Besuch bei Mama eingeplant ist, Blumen gibt es auch, aber ein Zwang ist das nicht.
Der Muttertag ist nur ein Zusatz zu all den anderen Tagen des Jahres, an denen die Kinder der Mutter (der Eltern) gedenken. Dass der Anstoß dazu manchmal von außen (Kalender, Werbung) kommt, schadet ja nicht.
Es grüßt herzlich
Ella
Unsere Mutter war eine nüchterne Frau, die nie ruhte. Aber an Jubiläen hat sie insgeheim etwas von uns erwartet, das spürte man. Da ich in meiner autistischen Veranlagung nichts würdevoll und offiziell präsentieren konnte, machte ich mir folgenden Sport, der mir auch Genugtuung gab: Tage zuvor suchte ich mir auf dem freien Feld die schönsten Obst, Holunderblüten usw. aus. Am Muttertag schlich ich mich bereits um 5 Uhr aus dem Haus und brachte damit immer einen prächtigen Strauß zusammen, den ich noch vor Mutters Aufstehen auf dem Küchentisch platzieren konnte. Für mich war das vermeintliche Überraschungsmoment das Entscheidende und damit auch für mich selbst ein kleiner Erfolg. Ansonsten halte ich von Jubiläen nicht viel, weil gegenseitige Würde sich nicht präsentiert.
Gruß Manfred
Deine Geschichte, liebe Ella, hat mich berührt. Was für ein schönes Muttertagsritual habt ihr euch da ausgedacht und eure Mutter sicher von Herzen erfreut damit. Die Not in den Flüchtlingsfamilien war groß damals, das weiß ich, weil ich selber aus einer stamme. Aber ihr habt Mittel und Wege gefunden, ohne Geld eurer Mutter Freude zu bereiten. Ich habe diesen schön gedeckten Tisch direkt vor Augen gehabt. Ja und wie recht du damit hast, wie wichtig es ist sich Zeit zu schenken, heute mehr denn je. Nie weiß man auch, wie lange man sich hat, schnell kann sich etwas ändern.
Danke für diese schöne Erinnerung und herzlichen Gruß
Roxanna
Ich mochte diese ganzen "verordneten" Tage noch nie und kann die Ablehnung bei den Jüngeren verstehen, zu sehr fühlt man sich gedrängt, etwas zu tun, was man auch an anderen Tagen sehr gerne macht also warum solche Tage.
Diejenigen, die dieses brauchen, um wenigstens einmal im Jahr an Mama zu denken, sind eh zu bedauern.
Kristine
liebe "Ella",
wenn ich schrieb „Ansonsten halte ich von Jubiläen nicht viel, weil gegenseitige Würde sich nicht präsentiert“, habe ich mich mal wieder missverständlich und schief ausgedrückt. Ich hätte besser „inszeniert“ schreiben sollen. Ich schenke gern, aber mehr als ein Glitzern in den Augen meines Gegenübers ist mir schon peinlich. Etwas in Ausführlichkeit und mit formalen Wünschen den formalen Erwartungen zu „präsentieren“ fällt mir unheimlich schwer. Ich habe solche Masken während meines Berufes oft wahrnehmen müssen. Mein Satz war ein Ausrutscher!
Sorry
Manfred