Metaphysisches Ereignis




Eines Tages, der ganz normal wie ein gewöhnlicher Donnerstag begonnen hatte, drang jäh die Metaphysik in mein bewusstes Leben ein. Dadurch wurde der an sich gewöhnliche Donnerstag zu einem außergewöhnlichen, wie es manchmal, wenn auch nicht allzu oft, im Leben eines Menschen vorkommen soll.

Bis zu diesem Schicksalstag hatte ich – Gundolf ist mein Name – meine Frau Mathilde, abgesehen von ihrem abscheulichen Namen, eigentlich ganz o. k. gefunden. Sie hielt meine Wäsche und unseren Haushalt in Ordnung, stellte mir täglich pünktlich um 12.15 Uhr ein warmes Essen auf den Küchentisch, wenn es mal im Fernsehen nichts Ordentliches gab – also hin und wieder in der Sommerpause der Bundesliga -, übten wir ein bisschen Geschlechtsverkehr aus. Mein bisheriges Leben war als ganz normaler Durch­schnittsverdiener verlaufen. In 24 Jahren und 4 Monaten würde ich pensioniert werden.

So war mein A 13 - Leben als Lehrer für Geschichte und Geografie in einem kaholischen Internat für Mädchen säuberlich geordnet bis zu jenem grundstürzenden Tag, als die Metaphysik aus halb bedecktem Himmel in mein Leben eindrang.

Ich hatte meinen unauffällig dunkelblauen Opel – die Monatsraten waren zur Hälfte abbezahlt - in einem weiß umrandeten Feld auf dem Parkplatz vom „Bauhaus“ ordnungsgemäß abgestellt, ging in das Innere des Gebäudes, um einen Kreuzschlitz­schraubenzieher zu kaufen. Die Tür eines Oberschrankes in unserer Küche klemmte nämlich; sie war mit Kreuzschlitzschrauben am Rahmen befestigt, deshalb brauchte ich einen Kreuzschlitzschraubenzieher, um die Tür zu reparieren. Behufs dieses Reparaturvorhabens hatte ich mich zum „Bauhaus“ begeben, denn eine klemmende Tür an einem Oberschrank der Küche beeinträchtigt auf das Empfindlichste das Wohlbefinden in einem ordentlichen Haushalt eines A 13 – Lehrers.

Auf dem Weg zum Segment F 3 des „Bauhauses“, in dem sich die Werkzeuge befinden, kam ich am Segment C 5 mit den Badezimmereinrichtungen vorbei. Genau an dieser Stelle trat die Metaphysik in mein bis dahin unaufgeregtes Durchschnittsleben. In den vergangenen Minuten war mein Blick nur ungerichtet umhergeschweift, ich wollte ja zum Segment F 3 mit den Werkzeugen, nun aber blieb er gebannt an einem Klobürstenset mit Rosendekor fokussiert hängen. Warum nur, warum? Es konnten doch keine physischen Kräfte sein, die meinen Blick magisch an das Klobürstenset mit dem Rosendekor hefteten. Es mussten metaphysische Kräfte am Werk gewesen sein, die meine Erinnerung schlagartig wie die Metaphysik manchmal zuschlägt, besetzten, und in den Seinszustand der Fokussierung versetzten: Mathilde schwärmte schon seit Jahren, seit wir frisch verheiratet waren, von ihrem Traum, eines wunderbaren Tages würde ein Klobürstenset mit Rosendekor die Zierde unseres Badezimmers sein. Die metaphysischen Kräfte trieben mich bei ihrem Einbruch in mein geordnetes Leben soweit, dass mir die reine Vernunft geraubt wurde. Hals über Kopf erwarb ich das Klobürstenset mit dem Rosendekor, obwohl das Klobürstenset aus rosa Plastik in unserem Badezimmer noch funktionsfähig war, barg es in dem Kofferraum meines unauffällig dunkelblauen Opel, transportierte ihn nachhause, wo ich ihn mit leuchtenden Augen vor die erstaunten Augen von Mathilde legte.
„Gundolf! Wie kommst Du nur auf den perversen Gedanken, diese Scheußlichkeit in unser Haus zu bringen? Du weißt doch ganz genau, dass ich seit Jahren, schon seit unserer Hochzeit, von einem Klobürstenset mit Veilchendekor als Zierde unseres Badezimmers träume!“

Ich brachte das Klobürstenset mit dem Rosendekor zum „Bauhaus“ zurück, und tauschte es gegen einen Kreuzschlitzschraubenzieher um, den zu kaufen ich wegen des Einbruchs der Metaphysik in mein Leben vergessen hatte.
 


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Kommentare (2)

Manfred36

Lieber Sam, lieber Willy,
ich war kein Beamter A13 und auch kein Lehrer, kann vielleicht deshalb da nicht richtig mitreden. Aber ich kann nicht verstehen, dass man in Satire zwangsläufig Würdelosigkeit gegen Intimität und Gossen-Denken einbringen muss, auch wenn man hochtrabende Worte wie Methaphysik einstreut.
Gruß
Manfred

Willy

Gleich gehe ich zum Freitagsmarkt und werde mich mal umschauen ob die solche wunderbaren Sets haben- mit Veilchendekor und möglicherweise sogar mit Veilchenduft.
Danke für den Tip, Sam und in der Tat, wenn mal wirklich nichts zu tun hat, vögelt man ein bisschen, da kommt wenigstens keine Langeweile auf.
Gruß
Willy


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