Lebenshilfen


Heute wurde ich durch einen Eintrag in mein Tagebuch eine Geschichte los, die mich schon seit Tagen quälte.
 
San Pangar, unser Fliesenleger, ist ein ganz ruhiger, sehr lieber und braver Mensch. Nur wenn ihm Schwachsinniges vor die Augen kommt – das kommt auch in Irgendwo vor - wir haben einen Bahnhofskiosk und das Wartezimmer mit seiner hemmungslos hirnfreien Lektüre beim Frisör Ulrich Schneider; San Pangar ist auch oft bei Rosele, der Tochter des Futterer Hannes, und ihrer Bücherwand zu finden, wird er reif für den Stammtisch in der „Linde“. Das ist etwa 6 x in der Woche der Fall. Damit das auch zuverlässig der Fall ist, geht San manchmal zum Bahnhofskiosk. Aber nie dienstags, da hat der Räuschle Sepp Ruhetag.
 
 
BETRACHTUNG DER RATGEBER
 
Zum Geburtstag schenkte mir Hiltrud, eine meiner langjährigen Freundinnen, die ich in- und auswendig kenne, den Bestseller aus der Ratgeberreihe „Glück, mach es selbst und wie viele“ das Supermegaerfolgsbuch „In 33 Schritten zum Bestsellerautor“. Nach dem Besuch von Hiltrud machte mich gleich über das Geschenk her. Der erste Schritt motivierte mich über 8 Seiten: „Du kannst es“. Ich holte mir ein frisches Bier aus dem Kühlschrank. Der zweite Schritt trägt den Titel „Schreibe sehr allgemeinverständlich und in kurzen Sätzen!“
Ogottogott, ich will doch kein Ebook auf Bx schreiben.
Ich warf das wertlose Machwerk in den Papiercontainer und ging in die „Linde“.
 
So ist das mit der Lebenshilfeliteratur, Gerd Haffmanns nannte sie „seelische Bruchbänder für metaphysische Bedürfnisse“, also Tinnef wie esoterische Orgasmen oder die FDP. Genau. So wenig es bei Licht besehen eine Seele gibt, der durch ein Bruchband zum aufrechten Gang verholfen werden kann. Wenn in der Trance von Räucherkerzen dennoch die Illusion geweckt wird, hilft nur noch die Kraft aus dem dritten Ring der Galaxie „niedliches Meerschweinchen“, doch die ist weit weg. Also grausames Erwachen. Ab mit dem Kitsch (im besten Fall), geschrieben in nachhilfebedürftigem Deutsch, in den Container, welch ein Schmarren.
 
Lange Zeit war die Religion Meisterin im Dummenfang gleich einer Flatrate-Nutte im Billigpuff, nahezu Monopolist als Produzent und Lieferant von spiritueller Wohlfühlwellness. Sie, deren purpurtragenden Funktionäre und die Vatikanbank, war auch Monopolisten beim Erzielen von Profit durch diesen Schund. Erbauungsliteratur für intellektuelle Bettpisser. Mehr ist dazu nicht zu sagen.
Dann hatten Lourdes & Co. wie ein abgenagter Hühnerknochen ausgedient, Indien und seine mit Halsketten aus dicken Holzperlen über dem orangenfarbenen Gewand tragenden Gurus, begnadete Spiritualitätsentertainer, Ficktussis und Rolls-Royce-Sammler im Großformat, waren als neuester Gag attraktiver als heilige Nonnen und Kapuziner. Lieber Drogen konsumieren als das Weihrauchfass schwenken. Lieber fideles Rudelbumsen auf dem Futon als vielleicht einen Platz im Bänkchen „drüben“, auf dem man den ganzen Tag im Chor singen und lobpreisen muss. Seien wir gerecht, wir wollen keinen Vorwurf aussprechen. Was können diese zu Fließtext geronnenen steinzeitlichen Erzeugnisse dafür, dass sie passgenau den Anforderungen der Debilpresse und der Pissrinnen entsprechen?
 
Eine sehr eigenartige Gruppe von Abnehmern der zu jeder Zeit nachgefragten Chicklit sind die von der Esoterik Geschlagenen. Das ist ein durchaus marktrelevanter, jedoch beschränkter Kreis. Ein Eindringen in ihn setzt eine gewisse Beschränktheit voraus. Die einschlägigen Druckwerke für die Sternenstaubjunkies handeln von Engeln, seltsamem Geschehen im Kosmos, Veganer erhalten die Mutter Erde und dergleichen Absonderlichkeiten. Ist folglich so blöd, als ob die Schneider Theres die Enten im Brandschutzweiher neben dem Pfarrhaus statt mit trockenen Brotstücken mit Giftweizen füttern würde. Weil die Enten dann bei dem Genuss so seltsam die Augen verdrehen.
 
Supermegamodisch sind die Ratgeberseller, die aus nichts als einer Banalitätensammlung zu pseudophilosophischen Plapperthemen wie Glück, Denken (aus der Reihe: die nutzloseste  Lektüre), Erfolg, 33 Schritte zu … und dergleichen Hohlgesülze im Look der Gesellschafts-Tussis bestehen.
 
Wie Kondome am Freitag und die gegenwärtige Welle der Fick- und Mösentexte, beliebt auch in digitaler Form als Ebook für Pornografie im Internet, verkaufen sich auch mit heißer Nadel gestrickte Biografien von Promis und Society-Girls der Bambiklasse, die gerade ihre 3. Scheidung mit einem Rosenkrieg durch die Yellows und die entsprechende Feuchtklasse der Matschscheibengilde feiern, Mach- und Stöhntexte mit der intellektuellen Relevanz von Roten-Beete-Salat mit Mayonnaise aus EU-Restbeständen.
 
Viel sinnvoller als die Lektüre der Wegwerfware „Ratgeber“ ist es, aus der Erfahrung in Kombination mit dem Studium der echten Literatur zu lernen, die wirkliche Lebenshilfe anbieten. Zum Beispiel gründet meine Lebensstrategie auf diesen beiden Fundamenten. Danach handelt ein Mensch kurzsichtig, wenn er sich in einem Pfandleihhaus die Mittel beschafft, damit in einem Laufhaus eine dort arbeitende Dienstleisterin anschaffen kann.
Weitsichtig handelt ein Mensch, der eine Ehe eingeht, weil sie ohne Austausch von Barem „das Maximum an Versuchung mit einem Maximum an Gelegenheit verbindet“, wie es Shaw formulierte.
Nicht nur die Augenärzte streiten darüber, ob Kurz- oder Weitsichtigkeit mehr zum Unglück des Menschen beiträgt.
 
 
 


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Kommentare (1)

Willy

Ja, ja – die Fick und Mösen-Texte haben u. a. beim Portal Bookrix Hochsaison. Dazu die Dummheiten der Esoteriker und andere Spinner …. 
LG
Willy


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