Meine Todesanzeige
Jambo, es ist so weit: Wenn ihr dies lest, bin ich tot. Die Todesanzeige habe ich selbst schon vorher geschrieben, um Julia die Arbeit abzunehmen. Sie sollte nur das Datum einsetzen und die Mails abschicken.
Am 24. Dezember 1934 wurde ich geboren, am bin ich gestorben
Todesursachen: Lebensmüde, …..
Neben der Theologie haben mich vor allem mit Philosophie, Psychologie und Poesie beschäftigt. Ich habe geschrieben, geschrieben, geschrieben, über alles und jedes, in guten und in bösen Tagen, auch Prosa, eigentlich mein Leben lang Tagebuch. Einiges ist gedruckt worden, aber ich habe mich später nicht mehr darum gekümmert. Schreiben war einfach ein Muss, ein Befreiungsschlag, ein Lebensmittel. Meist hatte ich Papier und Stift dabei, um Reime, Formulierungen, Gedanken zu stenografieren…
Hier breche ich ab, höchstens 1 Seite hatte ich mir geschworen, für Vielschreiber ein Klacks. Nur noch einen von über 1000 Vierzeilern:
Das Leben gleicht der Leberwurst.
Es nützt dir gar nichts, wenn du knurrst.
Kein Laie weiß auf dieser Welt,
was sie im Einzelnen enthält.
Und ein Gedicht von Heinrich Heine, den ich in Düsseldorf besucht habe, der hier genau das tut, was ich bis zum Exzess getan habe: Viele Fragen, am Schluss der Versuch einer Antwort.
Wo wird einst des Wandermüden
Letzte Ruhestätte seyn?
Unter Palmen in dem Süden?
Unter Linden an dem Rhein?
Werd ich wo in einer Wüste
Eingescharrt von fremder Hand?
Oder ruh ich an der Küste
Eines Meeres in dem Sand.?
Immerhin mich wird umgeben
Gotteshimmel, dort wie hier,
Und als Todtenlampen schweben
Nachts die Sterne über mir.
Nun bin ich nicht mehr, d. h. vielleicht doch noch als Geist (?) zwischen Unterwelt und Himmel. Slowly by slowly, wie Ogutu gerne sagt, oder wie man in Kenia bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit sagt: Hakuna matata, no problem.
Bleibt mir gewogen, noch eine Zeit lang wenigstens, bis dann auch ihr…
Kommentare (3)
Oh man ich bin entsetzt und finde es sehr schlimm,denn das Leben hat soviel zubieten !!! wie lebensmüde muss man sein um das zuschreiben !! das verstehe wer will,nur ich nicht ! Mona
Meine präventive Todesanzeige:
Manfred
geboren 1936, gestorben 20..
Weiß noch nicht, wie ich sterbe; war schon vor Jahren totgesagt. Aus Lebensmüdigkeit allein wird’s nicht gehen, und eventuelle finale Mittel bekommt man ja nicht. Egal.
Macht eine Zeitungsanzeige, und damit hat sich's. Keine Beerdigungsfeier (wie zur Zeit); einfach anonym. Ihr müsst dann auch möglich gleich aufhören, an mich zu denken, das erschwert mir vielleicht meinen Weg im Jenseits. Da ist auch nicht viel im landläufigen Sinn zu erinnern: Habe nie etwas Besonderes geleistet. Nur gewerkelt, wie eben ein Handwerker und Bauer in der Geschichte immer. „Menschliche Größe“ und Sozialprestige habe ich nicht kapiert. War aber nie unglücklich. Was ihr mit all dem vielen Zeug in dem vollen Hause machen sollt, dafür habe ich keinen Tipp.
Noch nicht ganz posthum
Manfred
Naja, das ist so eine Sache, lieber Silesio.
Den Text meiner Todesanzeige oder wofür das sonst gut sein soll - eine Nachrede - habe ich nicht verfasst, werde ich auch nicht tun. Aber ich habe vor einem halben Jahr die Art meiner (zukünftigen) Beerdigung geordnet und bezahlt.
Erst das Feuer, dann die Seebestattung. Ich möchte nicht, dass meine Kinder sich irgendwann verpflichtet fühlen, mein Grab zu pflegen. Das durfte ich selbst bei meinen Eltern nicht, denn nachdem wir in ein anderes Bundesland gezogen waren, wusste mein Mann es stets zu verhindern, dass ich in unserer Heimatstadt zum Grab meiner Eltern fuhr, vielleicht sogar ein Kerzchen oder Blumenschmuck dort hinterließ.
Wer sich meiner erinnern will, tut das auch ohne eine Grabstätte und was mir im Leben wichtig war, wissen meine Kinder und mein Enkel sehr genau. Was will ich mehr, als beispielsweise von meinem Sohn zu hören, dass er auch heute, 45 Jahre nach seinem Schulbeginn, glücklich ist, dass ich meine schützende Hand über seine schwere Schullaufbahn als Legastheniker gehalten habe, ihm geholfen hatte, seine Schreib- und Leseschwierigkeiten einigermaßen in den Griff bekommen zu haben? Das geschah schon vor kurzem. Oder dafür gesorgt habe, dass meine Tochter heute den Beruf ausleben kann, den sie dank meiner Unterstützung dann ergreifen konnte? Darüber sind wir beide gemeinsam immer wieder glücklich!
Das muss niemand bei meiner Seebestattung erwähnen. Ich hoffe sehr, dass ich noch erleben darf, dass mein gerade achtjähriger Enkel erwachsen geworden ist ... nachdem ich als junge Frau stets in der Angst lebte, ich könnte - wie meine Mutter - viel zu früh für meine Kinder mit Mitte 30 aus dem Leben scheiden.