Mein fremder kleiner Freund


Mein fremder kleiner Freund


Mein Kind, du siehst so traurig aus.
Die großen Augen blicken dunkel in die Ferne.
Haarsträhnen fallen widerspenstig, kraus
in deine Stirn... und irgendwie hab ich dich gerne.

Du zögerst, weil ich dich nach deinem Namen frage
und wo du wohnst, wo deine Schule ist;
warum du hier bist an so frühem Tage -
ob dich auch irgendwer vermisst.

Dein Blick, unsicher mich betrachtend
trifft mich ins Herz. Vorsichtig reich ich dir die Hand.
Unsicher, auf das marode Pflaster achtend
geh´n wir zu der bemalten Häuserwand.

Die Pasta, die nur Luigi so zu kochen weiß,
verschlingst du hungrig, ohne zu pausieren.
Es gibt Kakao und hinterher noch Eis.
Ein Grund für dich, zu jubilieren.

In deinen Augen leuchten kleine Blitze.
Du siehst mich schüchtern von der Seite an.
Ich spüre, dass ich in den Händen schwitze,
weil ich dein graues Weltbild jetzt erahn´.

Dein Papa, unrasiert vor seiner Pulle -
er weiß nicht mehr, wie man sich freut.
Die Mutter, keine Zeit für eine Butterstulle;
sie braucht für Mietgeld noch fünf Freier heut.

Ich würde dich am liebsten mit nach Hause nehmen
und dir die Welt ganz anders wissen lassen.
Sie wird nicht frei sein von Problemen,
doch von den Ohnezukunftstrassen.

Mein kleiner Freund, von Herzen wünsch ich dir,
dass bald dein Leben wieder farbig ist.
Wenn du mal froh sein willst, komm her zu mir.
Hier meine Anschrift – dass du´s nicht vergisst.



Zeichnung und Text: ( c) Ingrid Bezold
 


Anzeige

Kommentare (12)

protes

es ist alles schon geschrieben
zu deinen versen und dem bild
es erinnert an trostlosigkeit und hoffnung
danke 
lg hade

Winterbraut

Ich danke euch allen für die Herzchen. 
 

silesio

Ein wahrhaft armes und bedauernswertes Kind!
Zugleich ein Kind , in dessen Leben auch Freude und Freundschaft auftauchen,
weil es eine Freundin hat
Christoph

Winterbraut

@silesio  

Ein Glücksfall, den es leider im wahren Leben selten gibt, weil in unserer schnelllebigen Zeit fast jeder nur an sich denkt. 

Ich danke dir, Christoph.

Agathe

Ein Hoffnungsschimmer für dieses Kind.
Ein Lichtlein ins Dunkel.
Ein Streicheln statt Schläge.
Für einmal genug zu essen statt Hunger.
Liebe erfahren und die Traurigkeit für einen Moment vergessen. 
Und die Hoffnung, dass sich diese heilversprechende Begegnung wiederholen kann. 

Eine berührende Geschichte, danke Winterbraut

Winterbraut

@Agathe  

Danke Agathe, für deine schönen Worte zu meinem Beitrag.

Ingrid

 

Ernest

Ein trauriges, berührendes, aber treffendes Gedicht. Danke und liebe Grüsse. Ernst

Winterbraut

Ein Kind hat wenig Möglichkeiten, sich aus einem solchen Umfeld zu befreien. Manchmal kann ein Mensch, der das bemerkt, helfen.

Danke, Ernest.

Ingrid

Syrdal


Es gibt so vieles, was wir nicht bemerken,
weil uns ja immer irgendetwas quält,
dabei könnte man manch Gutes bewirken,
wobei alles – sogar das Kleinste zählt.

...man muss es halt nur tun, meint
Syrdal
 

Winterbraut

@Syrdal  

...und genau aus diesem Grund ist das Gedicht entstanden, Syrdal.

Danke 
Ingrid

taralenja1.11.

liebe ingrid,
dein gedicht hat uns tief berührt. es ist eine so traurige geschichte und kommt viel öfter vor, als wir vielleicht vermuten. wir konnten kein herzchen vergeben, weil das gedicht so traurig ist. aber du hast es toll geschrieben. danke, dass du ein so brisantes thema öffentlich gemacht hast.

💚lichst
taralenja und familie

Winterbraut

@taralenja1.11.  

Ich bedanke mich für euer Mitfühlen.
Liebe Grüße
Ingrid


Anzeige