Martin Thieme wurde zum Läusekönig
Martin Thieme wurde zum Läusekönig
1708 wurde in Lichtenberg um ein Feld gewürfelt
Dass das Würfelspiel schon aus dem alten Ägypten stammen soll, ist wahrscheinlich nicht allen bekannt, dass aber das Würfelspiel, gleich dem Kartenspiel in unserer Region schon so manchen um Haus und Hof gebracht haben soll, ist oft erzählt worden. Wenn man diesen Geschichten aber nachgrast, erfährt man meist, es waren mehrere Gründe, die zum Verlust führten.
Doch in Lichtenberg bei Pulsnitz ereignete sich im Jahre 1708 eine höchst gerichtsnotorische niedergeschriebene Geschichte um ein Feld, das man schlichtweg auswürfelte. Im alten deutschen Recht ist der Fall des Würfelns als Möglichkeit des Losentscheides oder bei Schiedssprüchen genannt. Doch ist mir bisher eine tatsächliche Geschichte nicht bekannt geworden, bis ich jüngst Gerichtsakten der Gemeinde Lichtenberg aus dem 18. Jahrhundert auswerten konnte. Der Hintergrund lag im Nordischen Krieg, jener Auseinandersetzung, die um die polnische Königkrone geführt wurde. Im Herbst 1707 waren die Schweden als Gegner Sachsens in unserer Region und plünderten die Dörfer ziemlich aus. Lichtenberg konnte das angedrohte Abbrennen des Dorfes vermeiden, zahlte jedoch in Geld und Naturalien. Dadurch war auch die Gemeindekasse leer. Der Gemeinderat entschied, mindestens 50 Taler für einen Fleck zur Ackernutzung zu fordern. Eigentlich gab der Fleck in „normalen Jahren“ nur etwa 20 Taler her. Mit diesem hohen Preis wurde der Kreis der Interessenten schon deutlich weniger, musste man im Anschluss ja auch noch das Bier für das Amt und das Bier für die Gemeinde bezahlen.
Am 28. Februar 1708 war es dann soweit. Man hatte beschlossen zu würfeln. Drei Würfe mit drei Würfeln. Beliebt und bekannt war im Ort das Läusewürfeln. Jedes Auge wurde dabei notiert und wer zuerst 36 hatte, war Gewinner und bekam Freibier. Man hatte also gewissermaßen Übung darin. Dies dürfte ein Grund gewesen sein, nicht einfach zu losen. Bevor es los ging wurden die Bedingungen verlesen. Zunächst wurde um die Reihenfolge gewürfelt, danach hatte jeder Beteiligte drei Versuche. Diese mussten hintereinander erfolgen und wurden addiert. Festgelegt wurde zusätzlich, wer gewinnen sollte und das Feld nicht bezahlt, verfällt einer zusätzlichen Amtsstrafe.
Als erster trat Martin Gärtner an. Der Gerichtsschreiber notierte 9,9 und 12, ergibt 30. Martin Müller als zweiter hatte einen schlechten Tag. 4, 11, 8, nur 23 „Läuse“. Hans Kind kam auf 36 (13,11,12), danach George Philipp auf 27 (12,6,9). Martin Thieme soll in die Hand gespuckt haben, wurde hinterher erzählt. Es war nicht verboten. Man würfelte ohne Becher. Die Beteiligten und die vielen, drei Schritt zurück stehenden Gaffer, hielten die Luft an. Einer 14 folgten erneut 14 „Läuse“. Der alles entscheidende Wurf brachte die Zahl 9 und damit den vorläufigen Bestwert von 37 „Läusen“. Die nachfolgenden Bewerber hatten noch gute Chancen, theoretisch konnte man mit 54 „Läusen“ gewinnen. Hans Schramm (7,14,12), der Besitzer des Lehngutes Gottfried Bucher, (11,13,6), und schließlich Christoph Seyffert (10,13, 12), kamen nicht mehr heran. Martin Thieme wurde „Läusekönig“. Das Feld bekam er am 8. März per Amtsbeschluss zum Lehen, der Umtrunk für die Gemeinde war am 17. März 1708.
haweger
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