Mara ist tot. Als ich sie kennenlernte war sie ein junges blondes Mädchen, etwas pummelig und sehr schüchtern. Mara lebte in einem kleinen ärmlichen Bergdorf.

Als sich den Dorfbewohnern die Gelegenheit bot als Gastarbeiter ins Ausland zu gehen, verließen nach und nach die jungen Männer ihr Dorf. Ein Teil der Männer kamen nach mehreren Jahren zurück, bauten sich ein Haus am Rande der Großstadt, um den Kindern eine gute Ausbildung zu bieten.
Andere blieben im Ausland, aber das Heimweh zog sie während ihres Urlaubs in ihr Heimatdorf.

Ein Gastarbeiter kehrte in das Dorf zurück, um Mara zu heiraten. Sie bekamen einen Sohn, bald darauf verstarb der Vater. Der Sohn wuchs vaterlos heran.

Über die Jahre entvölkerte sich das Dorf. Die Jungen zogen weg, auch Maras Sohn. Die Alten verstarben.
Schließlich lebte nur noch Mara ständig im Dorf. Übers Wochenende besuchten sie ihr Sohn mit Frau und Kind.

Nun ist Mara tot. Sie hatte zuletzt alle Hausschlüssel des Ortes aufbewahrt. Wegen Corona durften nur der Sohn, die Schwiegertochter und Enkelin an der Beerdigung teilnehmen.
Ich konnte ihr die letzte Ehre nicht erweisen.


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Kommentare (4)

ladybird

Liebe Maslina,
an einer ganz berührenden Geschichte hast Du uns teilnehmen lassen.
Mit dem Ableben von Mara ist sicherlich die ganze Ära diesen alten Bergdorfes vorbei.Im wahrsten Sinne des Wortes: ausgestorben ?
Sicherlich wirst du Mara in Erinnerung behalten und somit bleibt immer ein kleines Stück von ihr
mit Dank und Gruß
ladybird

Syrdal


Jede Lebensbiografie ist einmalig, jede ist gestaltet nach einem uns nicht ersichtlichen Plan, so auch die der nun in der heimatlichen Einsamkeit verstorbenen Mara. Wer wohl könnte das innere Leben dieser Frau beschreiben, wer könnte hinein sehen in die Seele der Verstorbenen? Doch eines bleibt: Die Hoffnung, dass ihre Seele im ewigen Licht heilige Erfüllung gefunden hat.

...daran glaubt
Syrdal
 

Pan

Ich bin immer froh, wenn ich spüre, dass es noch Menschen gibt, die unsere Realitäten des Lebens noch wahrnehmen.
Es wird immer seltener, dass so etwas noch publik gemacht wird. Dank sei Dir dafür gesagt für diese Worte und über die Anteilnahme an Maras Ableben ...
Jeder darf sich dazugesellen und einen  Moment abschalten unter dem Motto:
"Memento mori"
Coelin_14.jpg
~es grüßt Pan~

indeed

Liebe Maslina,

es ist ein trauriger Report, den du uns hier eingestellt hast. Es gibt sicher noch mehrere Orte, die verwaist sind. Trotzdem berührt es immer wieder und ich finde es schön, dass du auf diesem Wege der Mara gedenkst und ihren Angehörigen deine Anteilnahme zeigst.

Die Pandemie erfordert eine Menge Toleranz und Zurückhaltung von uns allen, lässt sich aber nicht ändern. Dadurch wird der Verlust nicht gerade weniger schmerzlich - im Gegenteil.

Alles Liebe für Dich und ich bin mir sicher, dass es am wichtigsten ist, was man im Herzen fühlt.  Niemand geht so ganz, so lange die Erinnerung bleibt. 

Mit lieben Grüßen zu dir
indeed


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