Luigi Colani brachte die Stromlinienform in unseren Alltag. Er wird dieses Jahr 90 Jahre alt.
In einem Interview vom 4. April 2018, das er in Karlsruhe dem Journalisten Matthias Stolz für das ZEITmagazin Nr. 15 gab, lebt der Künstler jetzt in China, wo er eine Stadt der Zukunft baut.
Colani ist ein Künstler (vor allem auch Lebens-Künstler), der in meiner Jugend viel bewundert und auch viel belächelt worden ist, mir aber für immer einen großen Eindruck machte. Wir alle sind heutzutage gewöhnt, von einer Vielfalt von Formen, Farben und Materialien umgeben zu sein. Nichts ist unmöglich, alles ist erlaubt und alles wird akzeptiert im Bereich der Künste.
Das war nach dem Krieg, als ich jung war, ganz anders. Städte waren zerstört, überall Schutt und Gerümpel, die Verkehrsmittel nur mit Mühe verkehrstüchtig, so weit der Rost und der Material-Klau es zuließ.
Es gab schöne Stoffe und gute Dinge nur auf dem Schwarzmarkt. Man fing an, aufzubauen, sich aufzurappeln wie es gerade möglich war. Mit den einfachsten Dingen fing jeder an. Ein Stuhl da, eine Lampe dort, fast alles gebraucht und selten ganz in Ordnung. Aber man wurde erfinderisch, reparierte wie die Weltmeister, machte das Leben allmählich wieder einigermaßen lebenswert.
Als die ersten Fabriken Gebrauchsartikel herstellten und die Architekten Häuser bauten, war alles relativ einfach und ohne den Hang zu Experimenten. Es musste schnell, billig und praktisch sein und den Menschen in kurzer Zeit zur Verfügung stehen.
In dieser Zeit traute sich Luigi Colani, 1928 in Berlin geboren , unglaubliche Visionen unter die Leute zu bringen, Formen und Farben zu verwenden, die wie bunte Blüten ins Grau der Nachkriegszeit fielen.
Nach den würfeligen und eckigen Gegenständen der Nachkriegszeit hat er nach einem Studium der Aerodynamik in Paris die runden und die windschnittigen Formen entworfen und der Industrie zur Herstellung angeboten. Er hat vor nichts halt gemacht in seiner Verschönerungswut: Autos, Motorräder, Flugzeuge, Lokomotiven, Haushaltsgegenstände - alles hat er bunt, rund und „organisch“ gemacht. Er hat dem neuen Material”Kunststoff” zu einem schöneren und brauchbareren Design verholfen, hat aber zeitweise auch mit Holz gearbeitet. Alles was er anpackte, wurde zum Kunstwerk, zu einer Augenweide, zu einem Aha-Erlebnis. Sein Design war gewöhnungsbedürftig und seiner Zeit weit voraus. Nicht jeder konnte sich mit den “verrückten” Ideen von Luigi Colani anfreunden, aber bewundert wurde er doch allgemein, wenn auch so mancher die von Colani designten Dinge nicht in die eigene Wohnung stellen oder legen wollte.
Ich habe heute noch die praktische Bürotasse, die umwerfend sinnvoll gestaltet ist, indem der Künstler einfach beobachtet hat, wie jeder Benutzer den Kaffeelöffel und das Zuckerstück normalerweise ablegt. Kurzerhand formte er die Untertasse so, dass sie einen “Ausleger” hat, der sowohl den Löffel als auch den Würfelzucker aufnimmt, ohne dass beide über den Rand abrutschen können. Ein bisschen komisch sieht das schon aus, wenn man nur die normalen Kaffeegedecke vor dem inneren Auge sieht. Aber praktisch ist das auf jeden Fall.
Seine großzügigen, schwungvollen Textil-Muster werden heute noch gerne für Teppiche, Gardinen und Wandbehänge benutzt, seine Stapelstühle finden sich in Kongresszentren und die hübschen, weißen Kunststoffstühle sind uns schon so vertraut in Cafes und Restaurants, dass man sich kaum noch erinnert, wer sie entworfen hat. Er hat inzwischen hinter den Kulissen Bequemschuhe entworfen, Eisenbahnen in Japan, Sanitäreinrichtungen für Grohe, Porzellanformen für bekannte deutsche Marken und sicher noch einige Dinge, die wir gerne benutzen und uns keine Gedanken machen, wer die Form gestaltet hat.
Leider war Luigi Colani nicht mit der Gabe der Bescheidenheit ausgestattet und eckte durch seine oft witzigen, provokanten und teilweise als arrogant bewerteten Aussagen an, machte sich unbeliebt oft auch bei der Presse. Er wusste um seine Begabung und seine visionären Ideen. Sein Temperament ließ es ihm vielleicht manchmal an Geduld fehlen für etwas langsamere, weniger zukunftsorientierte Zeitgenossen.
Obwohl er also menschlich gesehen etwas schwierig war, ist es doch schade, dass ihm heute nicht mehr die ihm gebührende Anerkennung in der Öffentlichkeit zuteil wird. Aber vielleicht ändert sich das ja noch, wenn Luigi Colani dieses Jahr im August seinen 90. Geburtstag feiert.
Kommentare (2)
Liebe Ella
vielen Dank für den ausführlichen Bericht über Luici Colani.
Früher war er in aller Munde und vor etwa 35 Jahren fuhr einmal ein ganz spezieller
Lastwagen in unserem Dorf vor, sogar in unser Quartier und alle waren begeistert von dem sehr modernen Fahrzeug. Wie sich herausstellte hatte ein Nachbar mit Colani engen Kontakt und so kamen wir in den Genuss sein Werk zu bestaunen. War für jene Zeit ein Ereigniss.
Ich wiederum nahm später an einem Wettbewerb teil von einem Geschäft und siehe was war mein Gewinn, ein Kaffeelöffel von Colani über den ich natürlich sehr stolz war.
Da habe ich mir gedacht, wenn du schon die Tasse hast dann lege ich meinen Kaffeelöffel dazu .
Grüsse dich herzlich aus der Zentralschweiz
Sonja
@ Sonja
Liebe Sonja, danke für Deinen schönen Kommentar und das interessante Foto mit dem Kaffeelöffel im Colani-Design.
Den Löffel habe ich bisher nicht gekannt und ich finde, er passt bestens zu der Bürotasse, gehört vielleicht sogar dazu. Die Löffelablage der Untertasse ist nämlich an einer Stelle etwas erhöht, so dass eigentlich eine entsprechende Biegung des Kaffeelöffels erforderlich ist. Ich hatte auch etwas Mühe, den ganz normalen Löffel zu platzieren, gehe also davon aus, dass Colani damals diesen besonders gebogenen Kaffeelöffel eigens für diese Untertasse entworfen hat.
Wenn ich etwas geschickter wäre am PC mit Fotos und "Manipulationen" von Fotos, würde ich versuchen, Deinen Kaffeelöffel auf meinen Unterteller auf dem Foto zu montieren.
Ich mache das nun in Gedanken und
sende Dir Dank und Grüße in die Schweiz.
Ella