Lausbuben vom Oberdorf


Kronsohn Friedrich, so heißt Vater Stelzig sein ganzer Stolz, gibt sich mit dem Entlassungszeugnis der achten Klasse der Binsdorfer Volksschule nicht zufrieden.
Trotz der hervorragenden Zensuren in "Singen" und "Religion" sieht er seine Zukunft auf den Schienen der Tschechischen Staatsbahn, will Eisenbahner werden mit Leib und Seele.
Da aber gute Noten in "Singen" und "Religion" alleine für den Dienst in der Tschechischen Staatsbahn noch nicht ausreichen, weit mehr Bildung verlangt wird, büffelt er, schafft zusätzlich die Mittlere Reife zum Stolz der ganzen Familie.
Aber, er vergißt nie seine, allzeit zu lustigen Streichen aufgelegte Freunde, denn er zählt bei aller Büffelei in Ehren, auch noch nach der Mittleren Reife mit zu den Lausbuben aus dem Oberdorf, von denen jetzt die Rede sein wird.
Dazu gehören außer dem Fritze vom Löslschneider und jetzt schon Stift bei der Bahn, Rainls Franz, sowie Borschnsdounls Jungs, der Edmund und der Jouseff und natürlich auch einer, der nicht fehlen darf, der Korl aus der Binderschmiede.
Die glorreiche Fünf sehen eines Nachmittags, daß bei Weichlbauers, auch ein Nachbar von der Binderschmiede, von der ganzen Familie der Ackerwagen voll mit saftigen Kuhmist geladen wird. Diese wertvolle Fuhre soll dann gleich am nächsten Morgen in der Früh aufs Feld gefahren werden, damit der Kuhmist vor dem Umpflügen noch rechtzeitig gestreut werden kann.
Dem Weichlbauern einen Streich zu spielen, das muß wohl die Idee vom Fritze gewesen sein, denn nur er hat als halber Stadtmensch schon die "Mittlere Reife".
Oder war es gar der Binderschmeeds Korl, der ihm den Floh ins Ohrwaschl setzte?
Egal, gedacht - getan!
Als es so gegen elf in der Nacht ist,beim Weichlbauer und ringsum kein Lichtl mehr brennt, alles schläft, beginnen die Jungs diesen besagten Wagen wieder ab zu laden.
Löslschneiders Fritze, dem künftigen Eisenbahner, ist bekannt, wie ein Ackerwagen auseinander genommen wird, denn sein Vater, Wilhelm Stelzig, versteht sein Handwerk als Stellmacher und Zimmermann.
Aber auch die anderen können gut mitreden.
Borschndounls Edmund gibt schließlich seine ernsthaften Überlegungen, die Idee mit dem Dache dazu. Nach kurzer Abstimmung der Fünf, wird geschraubt und geschuftet, daß die Schwarte kracht.
Also, das Ganze rauf aufs Schuppendach und Stücke für Stücke oben wieder sorgfältig zusammen gebaut und geschraubt, dann wieder mit dem fetten, dampfenden Kuhmist voll geladen! Herrje, ist das eine Schwitzerei.
Das Dach biegt sich schon durch, da hören sie auf. Weit nach Mitternacht ist das Werk vollbracht: Ein stattlicher Ackerwagen, voll mit frischem Mist beladen, trohnt auf Weichlbauers erstaunlich stabilen Schuppendach.
So müde wie sie sind, früh morgens, noch bevor die Schuluhr die siebente Stunde verkünden kann, treffen sie sich und bestaunen selbst ihr Werk: Löslschneiders Fritze, Rainls Franz und Borschendounls Edmund mit seinem Bruder Jouseff. Binderschmeeds Korl,der sich so früh klamm heimlich von "däheemä" wegschleichen muß, weil seine Mama ein gar strenges Regime führt, fehlt auch nicht bei dieser wohl einmaligen Binsdorfer Lausbuben Premiere.
Da geht die Haustüre auf bei Weichls.
Vorne, am angrenzenden Nachbarzaun, hocken die fidelen Schwerstarbeiter und gucken, was sich wohl jetzt tun wird.
Wie immer, Weichlbauer ist der Erste, der schnuppernd Wetter und Luft prüft.
So zufällig huschen seine Guggln rüber zum Misthaufen, dort, wo am Tage zuvor die Arbeit für das heutige Tagewerk vorbereitet wurde.
Als ob ihm der Schlag trifft, so erstarrt der Weichlbauer in dem Augenblick, als er seine gestrige Plakerei sehen will. Aber nichts, rein gar nichts entdecken kann.
Der Gute meint zu träumen, zwickt sich ganz kräftig ins rechte Ohrwaschl.
Doch der Platz bleibt leer. Jetzt macht er die Augen zu, zählt bis zehne, zwickt kräftig ins linke Ohrwaschl, guckt wieder zum Misthaufen. Nichts. Keine Fuhre zu sehen.
Alles weg.
Ackerwagen und Mist sind verschwunden.
Ökonom und Landwirt Weichlbauer wird munter: "Um Guddswilln! Da Woochn is wagg! Fraa, kumm mou schnell haa! Daan Woochn hom sä gmaußt", ruft er aufgeregt seiner besseren Hälfte zu.
Er rennt, als ob der Daiwl leibhaftig hinter ihm her wäre, zum Misthaufen.
Der ganze Hof wird gemeinsam fast lupengenau abgesucht. Auch auf dem Weg vorne, zu Bienerts hin, ist vom beladenen Ackerwagen nichts zu sehen.
Kräitschls zu auch nichts.
Nach aufgeregtem Suchen entdecken sie ihm ganz zufällig auf dem hinteren Schuppendach. Dampfend in den Strahlen der wärmenden Morgensonne zeigt sich die Meisterleistung junger, heller Köpfe.
"Doos gibts näi!", wundern sie gemeinsam in den Morgen. Ihre Guschln bleiben eine ganze Weile vor Staunen offen. Die gesamte Familie staunt laut mit.
Ja, Haisl für Haisl gehen die Türen auf in der Nachbarschaft. Bei Bienerts gegenüber wird lauthals gelacht, Kräitschls trösten den Weichlbauer humorvoll und bewundern ehrlich die nächtliche Schufterei der Unbekannten.
Dann wurde gemeinsam in die Hände gespuckt.
Die MNachbarn bieten ihre Hilfe an und Weichlbauer spendiert eine Flasche, dann noch eine und noch eine vom Selbstgemachten.
Gelacht haben sie auch alle gemeinsam und "aus vulln Holse" sich eins gefeixt: Waren sie doch froh, die lieben Nachbarn allesamt, nicht selbst einen vollen Ackerwagen mit Kuhmist, ganz fachgerecht beladen, vom eigenen Dache zu holen.
So manche Runde Bier spendiert später der so humorvoll in den Mittelpunkt des Dorfgeschehens gerückte Ökonom, der Weichlbauer, den jungen Urhebern seines Berühmtwerdens in der Schenke.
Die fünf jungen, angehenden Mannsleut' haben künftig viel Schlag bei der heran wachsenden holden Weiblichkeit des ganzen Dorfes und auch in der Umgebung.
Wie ich so - unter der Hand - vor einiger Zeit noch lebenden Augenzeugen erfahren habe, wurde diese Tatsache äußerst vielseitig und mit jugendlichem Elan von den forschen "Mannsleut' ergeizig eingeholt.



Anzeige

Kommentare (0)


Anzeige