Drei kleine Amselfederbälle....


Großwildjagd im Kleingarten.
Das Geschehen spielte sich noch im alten Jahrhundert ab, genau am 15. Mai 1999. Wir denken gern zurück: Das Jungvolk im Nest von Frieda und Friedolin, unseren Amselpäärchen, war nun flügge. In den Wochen vorher gab es nur Arbeit, füttern und wieder Arbeit für die Beiden.
Nun war alles so weit gediehen, daß die Kleinen das elterliche Nest im Terrassenwein verlassen konnten.
Drei kleine Amselfederbälle prüften im Wein ihre Flatterkunststücke aus, dass die Flaumfedern nur so durch die Luft wirbelten. So geht das nun schon seit dem frühen Morgen. Die beiden ältesten Amselkinder starteten erfolgreich zu ihren ersten Flug und nur das Dritte zögerte noch.
Weiter wird gehüpft auf den Weinreben und dabei der Darm geleert.
Na, das paßte Amselmutter Frieda überhaupt nicht, flugs flattert sie runter. Sorgfältig nimmt sie jedes Schmutzteilchen in ihren Schnabel und trägt es nach draußen. Dabei schaut sie uns kurz an, als ob sie sagen möchte, "entschuldigt die Ungezogenheit meiner Kinder, ich mach alles wieder sauber".
Uns bleibt die Spucke weg.
Inzwischen sitzt das Erstgeschlüpfte schon im Aprikosenbaum und schreit laut nach Futter.
Vater Friedolin will gerade selber einen kleinen Leckerbissen als Stärkung zu sich nehmen und verschluckt sich beinahe.
Fünf, sechs kräftige Flügelschläge, schon sitzt er neben seinem Ältesten. Dieser, außer Atem vom ersten Flug, reißt den gelben Schnabel weit auf, wird wie gewohnt gefüttert.
Auch der Zweite hat seine kurze und doch so schwere Flugstrecke geschafft, wartet in der Weide neben der Tanne. Sofort gesellt sich Mama Frieda zu ihm, bringt ebenfalls gutes Futter zur Belohnung.
Nur der Dritte, etwas kleiner als die anderen und grau im Gefieder, traut der ganzen Sache mit der Fliegerei nicht. Da hilft auch kein Lockruf.
Schüchtern flattert er auf der Weinrebe, ohne los zu lassen. Dem grauen Gefieder nach müßte das Federbällchen ein Amselfräulein sein. Schrittchen für Schrittchen erkämpft sie, mit ausgebreiteten Flügeln das Gleichgewicht haltend, mutig das Ende des Terrassendaches. Dort, wo die Dachrinne mit einem Bogen in das Fallrohr mündet, verharrt sie atemlos und zitternd.
Jetzt findet das Amselkind Muse für sein Federkleid. Lange wird geputzt, geglättet und geplustert, hübsch anzusehen. Aus dem Federball guckt nur der Schnabel als längstes Ende heraus. Vom Steuerschwanz keine Spur. Wie soll sie da fliegen können?
Sie kann.
Ganz plötzlich ertönt lautes Flügelschlagen, dann trudelt das schwanzlose Etwas schräg von oben herab und landet, sich purzelnd überschlagen auf der Wiese neben dem Roten Boscopapfelbaum.
Was nun?
Hoch zu fliegen schafft sie bestimmt nicht. Sie ihrem Schicksal überlassen, das können wir nicht, also fangen!
So rüsten wir Beide zur Großwildjagd.
Leichter gesagt als getan.
Was der kleine Federball mit Stummelschwanz kann, das ist laufen!
Bevor ich mit meinem Kopf in Kniehöhe bin, flitzt diese Federmaus schon durch den Gartenzaun ins Gestrüpp.
Oma Ilse ist ebenfalls schnell und wetzt nach draußen durch das Gartentor, um die junge Amsel dort abzufangen.
Fehlschlag.
Kein Vogel zu sehen.
Sorgfältig suchen wir das Gestrüpp ab, damit umher streuende Katzen später kein leichtes Spiel haben. Nichts.
Traurig kehrt die gute Ilse um.
Kurz vor der Gartentür ein lauter Aufschrei! Vor ihr rennt, kaum zu glauben, durch das offene Gartentor der kleine Amselfederball und sucht ein Versteck am Rebstock.
Na endlich!
Vom Schnabel bis zum kleinen Stummelschwanz zitternd, setzen wir Friedas Töchterchen und Jüngste wieder in ihr Nest.
Nur einige Minuten hält das Schweigen an, dann erklingt noch zaghaft, doch immer lauter werdend, ihr Ruf nach den Alten.
Vater Fridolin antwortet sofort aus der Birnbaumspitze, beeilt sich mit der Futtersuche und fliegt zum Nest.
Friedas Töchterchen hat wohl ihre Angst und die vielen Aufregungen der vergangenen Minuten überstanden, denn sofort nach dem ersten Antwortruf von Amselvater Friedolin reckt sich ihr Schnabel weit geöffnet und glücklich über den guten Ausgang des ersten Flugabemnteuers in voller Länge über den Nestrand.
Zufrieden stopft der besorgte Amselvater gleich drei Regenwürmer in die Hungrige hinein.
Noch eine ganze Nacht verharrt das Amselkind im gewohnten Nest. Besorgt wacht Amselvater Friedolin, auf dem Nestrand sitzend, über den friedlichen Schlaf des kleinen Federballes.
So geschützt vor den vielfältigen Gefahren der Dunkelheit schöpft es die Kraft für den kommenden Tag, welcher wohl noch mehr Vogelabenteuer für die kleine Frieda Junior bringen wird.
Erst dann, als die Sonne schon den Mittag anzeigt, verläßt Kleinfrieda ihr trautes Zuhause, um endlich erwachsen zu werden.
Auch ein Vogel kann menschlich sein. Das haben uns die Amseleltern Frieda und Friedolin in diesen Wochen bewiesen. In ihrer selbstlosen und aufopferungsvollen Liebe zu ihren Jungen wandelte sich die Scheu uns gegenüber in Vertrauen.
Wir hoffen, auch im nächsten Jahr ein Gleiches wieder gemeinsam und als Freunde zu erleben.

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