Kriegs-und Nachkriegskinder

Autor: ehemaliges Mitglied

Immer wenn ich Fotos von Städten sehe, die während des Krieges schwer zerstört wurden und die Bilder von Menschen, die zwischen Ruinen stehen oder arbeiten und Trümmer wegräumen, denke ich an meine Kindheit und an meine kriegstraumatisierten Eltern, denn ich 1946 nach dem Krieg geboren, habe an das Kriegsgeschehen keine Erinnerungen.
Meine Eltern waren Flüchtlinge aus Russland, die einige Zeit in einem Lager in Polen lebten, bis sie auch von dort in den letzten Kriegstagen flüchten mussten, mein Bruder wurde noch in Polen geboren, meine Schwester hat als Kleinkind die gesamte Flucht aus Sibirien miterleben müssen. Ich wurde in einer Flüchtlingsbaracke geboren in die meine Eltern und Geschwister nach ihrer Ankunft in Deutschland eingewiesen wurden, dort wurde ich auch noch eingeschult, später zogen wir in ein kleines Städtchen.
Seltsamerweise, obwohl ich weder Bombenangriffe noch Fliegeralarm bewusst erlebt habe, bin ich schon als Kleinkind (Erzählungen meiner Mutter) bei Fluglärm immer unter den Küchentisch geflüchtet, die Panzerkolonnen, die regelmäßig an unserer Baracke vorbeifuhren und an die ich mich bewusst erinnere, bewirkten bei mir Weinkrämpfe und Angstzustände. Selbst die Soldaten die dann Kaugummi und Schockolade zu uns Kinder herunter warfen, nahmen mir meine Angst vor Panzer und Militärkolonnen nicht. Auch kann ich mich dumpf erinnern, dass ich zu bestimmten Zeiten (oder Ereignisse) manchmal von einer schlimmen Traurigkeit erfasst wurde und oft stundenlang vor mich hinweinte.
Nun las ich schon ein paar mal, dass das Kriegstrauma der Eltern zum Teil an die Kinder weiter gegeben wurde und das ist die einzige Erklärung die ich dafür habe. Ich habe noch ein paar andere Anhaltspunkte in meinem Leben dafür gefunden, die darauf hindeuten, die ich aber doch lieber für mich behalten möchte.
Aber der Anblick von Panzer bewirkt bei mir noch immer diese unguten Gefühlen, sicherlich auch, weil sie nun mal Kriegswaffen und zum zerstören und töten gemacht sind.

Ich bin mir sicher, es gibt viele solcher Geschichten von Kriegs- und Nachkriegskinder, ich bin da nicht alleine, ab und zu taucht  eben ein kleiner Teil der Vergangenheit auf.


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Kommentare (4)

Maslina

Ich bin während des Krieges geboren und später an der Zonengrenze aufgewachsen. Von zeit zu zeit gab es bei uns Probealarm. Jedes Mal geriet ich dann in Panik, obwohl ich mich nicht bewußt an das Kriegsgeschehen erinnern konnte.

ehemaliges Mitglied

@Maslina  Danke für Deine Antwort! Sirenengeheul ist für mich noch heute sehr unangenehm, es bleibt irgendetwas zurück, wenn es auch nicht mehr die Kraft hat, wie damals, als wir Kinder waren und das Kriegsgeschehen auch noch sehr nahe war.

Herzliche Grüße
Rosenbusch

Syrdal


Selbst „nur“ durch Erzählung, Berichte, ja sogar durch lediglich eng beobachtete Gefühlsregung anderer Menschen und deren Erleben kann sich im Kleinstkindalter etwas derart ins Unterbewusstsein festschreiben, dass es lebenslang in manchen Situationen die eigene Gefühls- und Erlebnisfähigkeit beeinflusst. Dies geschieht insbesondere im Zusammenhang mit schwer traumatisierenden Ereignissen… (Meine nächste Soirée – siehe Rubrik „Veranstaltungen – greift solche Geschichten auf.) Sich davon ein wenig zu befreien ist nur möglich, indem man es „sich von der Seele schreibt“ oder auch mit einer vertrauten Person darüber spricht.

Ein von allem Dunklen befreites Aufatmen wünscht dir
Syrdal
 

ehemaliges Mitglied

@Syrdal  Danke! Aber nun mit fast 74 Jahre leide ich darunter nicht mehr, ich bin oft nur verwundert über bestimmte Dinge, aber als wir Kriegs-und Nachkriegskinder und vermutlich Kinder von schwer kriegstraumatisierten Eltern jung waren, hätte es vielleicht so manches in unserem Leben ins rechte Lot rücken können, wenn man darüber hätte reden können. Aber soweit war die Gesellschaft damals nicht.


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