KOPFKINO UND MEHR
Gerne erinnere ich mich an eine kleine Anekdote, die ich mal in einer beruflichen Fortbildungsmaßnahme, einem EU-Pilotprojekt, erlebte.
Diese moderne Unterrichtsstätte verfügte, neben dem Klassen- und EDV-Raum, auch über ein Chemielabor. Da sich das Ganze auf einem denkmalgeschützten Bauerngehöft befand, traf hier der seltsame Kontrast von zwei verschiedenen Welten aufeinander.
Zu den Blickfängen des Hofes gehörten, neben dem uralten Stammhaus mit seinem Brunnen vor der Eingangstür, auch eine Scheune. Verschiedene Nebengebäude, Back- und Bienenhaus, sowie die Haltung vieler Tiere rundeten das Bild von dieser friedlichen und ländlichen Idylle ab. Auf dem kleinen Teich, mitten auf dem Gelände, hatte sich sogar ein Entenpaar eingefunden. Diese wattedicke Ruhe wurde nur von fröhlichem Vogelgezwitscher und dem heiseren Kikeriki eines Hahnes geneckt. Und ganz hinten rottete ein großer Komposthaufen still vor sich hin.
Es war ein kleines Paradies.
In der Mittagspause machte ich immer meinen Rundgang über den Hof, denn ich liebte es die Tiere zu füttern. Da gab es viele Kühe auf der hinteren Weide, und auch eine zappeligen Ziegenherde, die zum Mittagessen besonders Brennnesseln bevorzugte. Sogar ein Wildschwein hatte dort ein neues zu Hause gefunden. Zum Schluss besuchte ich immer die Hühner. Sobald sie mich mit dem Futter kommen sahen, wuselten sie alle aufgeregt durcheinander, denn die dominantesten Hühner versuchten dabei immer den besten Platz für sich zu ergattern.
Doch ich teilte ihnen das Futter (etwas Obst und mein Butterbrot) so gerecht wie möglich zu. Jedenfalls empfand ich immer sehr große Freude und hatte richtig Spaß bei dieser Tätigkeit.
Wer weiß, vielleicht war ich in einem früheren Leben ja mal eine Bäuerin gewesen...
Eines Tages wurde die Eingangstür zu unserem EDV-Raum heftig aufgerissen. Wir saßen gerade an unseren Computern und versuchten eine Aufgabe zu lösen, die uns der Dozent gestellt hatte.
Ein Mann in derben Stiefeln eilte direkt auf mich zu. Es war der Bauer!
„SIE FÜTTERN IMMER DIE HÜHNER!?“ rief er mir laut zu.
Vor Schreck fiel ich fast vom Stuhl. Was war passiert? Hatte ich etwa die Hühner mit meinem Futter vergiftet? Waren sie alle tot umgefallen? Wollte mich jetzt der Besitzer dafür zur Rechenschaft ziehen? Viele Fragen schwirrten mir in Bruchteilen von Sekunden durch den Kopf.
Im PC-Raum wurde es ganz still. Auch unser Dozent war in diesem Moment sicher etwas verblüfft, denn er sagte auch keinen Ton. Alle starrten nur wie gebannt auf dieses seltsame Szenario, welches sich da gerade vor ihren Augen abspielte.
Und schon stand der Bauer neben mir. Seine Frage hatte ich bereits mit einem leisen Ja beantwortet.
„Hier, die Hühner wollen sich bedanken!“ sagte er dann plötzlich. Dabei legte er mir vorsichtig drei hellgrüne Eierchen neben die Tastatur.
„Keine Angst, die Eier kann man essen. Sie stammen von der kleinen afrikanischen Hühnerrasse.“ kam noch als Erklärung dazu. Und schon war der Mann wieder verschwunden.
Alle Seminarteilnehmer johlten natürlich vor Begeisterung. Und sogar Dr. N, unser Dozent, fand plötzlich lachend seine Sprache wieder. Ich wurde von allen neugierig umringt, denn jeder wollte doch einen genauen Blick auf diese unerwartete Überraschung werfen.
Was für ein schönes Geschenk! Natürlich habe ich mich sehr darüber gefreut.
Und manchmal, wenn dann weiße oder braune Eier so auf meinem Herd kochen, setzt ein buntes Kopfkino dann ganz unerwartet diesen Film wieder in Gang.
Rosi65
Kommentare (12)
Ein herzlicher Dank geht heute an das freundliche Publikum meines Kopfkinofilms:
Roxanna, Christine62laechel, ladybird, Marlen13, Claudine,
Songeur, Samick, Moni Oma, margit und ness.
Na dann, vielleicht bist zur nächsten Vorstellung hier im ST-Forum...😊
Viele Grüße
Rosi65
NS. Foto von pixabay
Liebe Rosi,
grüne Eier, zu schön, um sie zu essen. Oder hast Du es über's Herz gebracht?
Ich habe einmal von einer elsäßischen Bauerin zu Ostern zwei grüne Eier von ihren Araucana-Hühnern bekommen. Diese habe ich ausgeblasen und bemalt für den Osterstrauß.
Danke für diese schöne Geschichte mit gutem Ausgang.
Herzliche Grüße
Claudine
@Claudine
Liebe Claudine,
na klar, habe ich sie gegessen!
Obwohl...,wenn ich jetzt darüber nachdenke, komme ich mir doch tatsächlich ein wenig wie eine Barbarin vor.😨
Während Du aus der Eierschale ein Kunstwerk geschaffen hast, habe ich es brutal zerstört. Leider bin ich wohl damals gar nicht auf diese kreative Idee gekommen.
Herzlichen Dank für Deine Antwort. Hab mich gefreut!
Viele Grüße
Rosi65
Liebe Rosi,
es hat mir Vergnügen bereitet dein Kopfkino zu lesen.
Wünsche dir einen schönen Abend, ❤️ lichst Marlen
@Marlen13
Danke Dir, liebe Marlen,
dass Du meine „Kopfkino-Projektion“ nicht nur gelesen, sondern auch noch kommentiert hast. Freue mich natürlich sehr über jede nette Antwort.
Auch Dir wünsche ich einen angenehmen Abend.🌜⭐️
Herzliche Grüße
Rosi65
Liebe Rosi, statt : "ach du grüne neune"
Der Ausruf ‚Ach du grüne Neune!‘ (manchmal auch nur ‚Du grüne Neune!‘) zeigt an, dass sich jemand erschrocken hat oder sich von etwas Unvorhergesehenem überrascht bzw. überrumpelt fühlt ,
so waren es bei Dir eben die "grünen Eier", die Du dir sogar "verdient hast", lach...ich habe eben nachgelesen, dass es nur eine einzige Huhn-art gibt, die grüne Eier legt...das macht Dein Erlebnis so interessant und das idyllische Foto dazu, veranlaßt wirklich zum "Kopfkino"....
es war ein Vergnügen zu lesen....mit Freude dankt
Renate🐞
PS Du weißt ja, Hans Süper singe "Zimmermänn" war auch dat Ei....
@ladybird
Liebe Renate,
beim Colonia Duett ging es, glaube ich, um die Frisur die im Alter bei manchen Herren leider etwas weniger wird.😉 Doch manche Männer (Sean Connery) können oder konnten sie trotzdem gut tragen.
Es freut mich natürlich sehr, dass Dir diese kleine Erzählung gefallen hat.
Herzlichen Dank für Deinen lustigen Kommentar!
Viele Grüße aus dem Ruhrgebiet
sendet Dir
Rosi65
Wunderbar, liebe Rosi! Und wie spannend, da konnte man schon Grausames erwarten. Wie nett, dass sich der Bauer als so dankbar erweisen wollte.
Deine Geschichte, liebe Rosi, hat auch mein Kopfkino in Gang gesetzt. Ich erzähle dann kurz, denn es gibt da eine Ähnlichkeit. Und so: zu meiner Studienzeit mietete ich ein Zimmer zusammen mit meiner Freundin Bogna. Wir wohnten im vierten Stock eines Mietshauses; und im zweiten Stock hatte ein Zahnarzt seine Praxis. Eines Tages bekam die Bogna Zahnschmerzen. Auf keinen Fall wollte sie zum Zahnarzt runter gehen, vor Angst. Wir hatten keine Schmerztabletten... Sie ging zu unserer Vermieterin danach zu fragen, die hatte aber auch keine. Na dann, wir saßen in unserem Zimmer, und die Bogna litt. Plötzlich klopfte jemand an unsere Zimmertür, die Tür ging auf, und ein großer Mann fragte:
- Wer hat hier Zahnschmerzen?
Ich war überrascht, bei der Bogna gingen aber die Augen schon ganz groß auf. Wir schwiegen beide, und der Mann sagte:
- Hier haben sie eine Schmerztablette, bitte. - Und ging weg.
Meine Freundin begann Tränen zu lachen, trotz des Schmerzens, und ich gleich auch, als sie gestand, sie dachte, da hätte der Zahnarzt von unten irgendwie über ihre Beschwerde erfahren, und wird sie nun in sein Sprechzimmer mit aller Gewalt schleppen wollen.
In Wirklichkeit war er ein Bekannter von den Vermietern, der davon bei seinem Besuch bei ihnen gehört hat, und wollte helfen. :)
Mit herzlichen Grüßen
Christine
@Christine62laechel
Da war die Bogna aber ganz schwer erschrocken, als sie den Zahnarzt vermutete. Fast sehe ich sie schon vor mir.😅
Um so größer dann sicher die freudige Erleichterung, dass sich der fremde Mann als ein „Schmerztabletten-Engel“ entpuppte. Manche Geschichten sind wirklich zu schade fürs Vergessen. Deshalb unbedingt aufschreiben, damit andere Leser auch daran teilhaben können.
Danke, für Deine Zeilen, liebe Christine.
Viele Grüße
Rosi65
Eine herrliche Geschichte, liebe Rosi, über die man nicht nur schmunzeln, sondern wirklich lachen kann. Das tut gut, in dieser Zeit. Danke für diesen Stimmungsaufheller und herzlichen Gruß von
Brigitte
Ach, eine Frage hätte ich noch, wie haben die Eier denn geschmeckt? 😁
@Roxanna
Ja, die Eier waren tatsächlich essbar, denn ich hatte sie damals zu einem Mini-Rührei verarbeitet. An ihren Geschmack, ob jetzt gut oder schlecht, kann ich mich leider nicht mehr erinnern.
Doch ich freue mich, dass Du gerade mit einem Lächeln eine schöne Erinnerung von mir geteilt hast.
Herzlichen Dank dafür, liebe Roxanna.
Viele Grüße
Rosi65
Kleines Dankeschön auch an Agni für das Herzchen. *freu*
Rosi65