Im roten KLeid zur Beerdigung oder „Wie hell an jeder Häuserreih die Fahnenflamme loht…“


Im roten Kleid zur Beerdigung oder „Wie hell an jeder Häuserreih die Fahnenflamme loht…“

Einige Gedanken zum 1. Mai vor 1914

Einst war der 1. Mai Kampf, aber auch Krampf, zumindest wenn man es aus heutiger Sicht sieht. Im Nachgang zu jenem Ereignis im Jahre 1886 in den USA rief die Zweite Internationale den 1. Mai im Jahr 1890 als „Kampftag der Arbeiterbewegung“ aus. Dieser Funke zündete auch im Radeberger Land.
1901 ist für Ottendorf/Okrilla zu lesen: „Vorgestern früh mußte von einer Eiche in der Nähe des Pfarrwalds eine lange rote Flagge entfernt werden. Gewiß sollte der 1. Mai auch in unserem Dorf nicht unbemerkt vorübergehen.“ Dieses Aufhängen der roten Fahne am oder im Ottendorfer Pfarrwald ist bis 1918 insgesamt dreiundzwanzig Mal verzeichnet. Es war das Herauskitzeln des Protestes. Zunächst allgemeiner Art, denn regelmäßig seit 1891 erschien das Verbot der sächsischen Polizeibehörde den Maifeiertag zu begehen. In vorausgehendem Gehorsam wurden die davor gelegenen Sonntage mit einbegriffen, so 1901 der 28. April und eben der Arbeitstag 1. Mai (ein Mittwoch). Der war damals noch kein Feiertag, in Sachsen seit 1921. Zufällige Kuriosität in Radebergs Geschichte, der seit dem Sommer 1920 hier wirkende SPD - Bürgermeister Otto Uhlig, war als sächsischer Innenminister durch „revolutionäre Arbeiter“, im Mai 1920 zum Rücktritt aufgefordert worden. Ein Grund: „Uhlig hat den 1. Mai in Sachsen nicht zum Feiertag erhoben!“ Danach war er Feiertag, oft missbraucht für politische Zwecke.
Doch noch einmal zurück, an den Beginn der Maifeiern. So führten Radebergs Arbeiterfrauen, es sollen etwa achtzig gewesen sein, 1896 den Maispaziergang ein. Natürlich durchweg in rote Kleider gehüllt. Eine von ihnen ging sogar im roten Kleid zur Beerdigung und bekam dafür sechs Monate Gefängnis. Da Demonstrationen generell untersagt waren, kamen auch die Männer mit dem Massenspaziergang oder Sternmarsch zu bestimmten Treffpunkten. In Radeberg waren es im Wechsel: das Hüttertal, das „Deutsche Haus“ oder Lotzdorfs Gasthof. Die kleine Ortspolizei wurde durch Dresdener Einsatzkräfte verstärkt. Doch mit Tricks aller Art, kamen die Arbeiter immer wieder zu ihrem Ziel. 1903 wurde der Kordon gesprengt, indem die Frauen mit Schnapsflaschen zu den Ordnungshütern gingen und sie zum „Maientrunk“ einluden. Dadurch abgelenkt, sollen über 500 Teilnehmer durch die Polizeikontrollen geschlüpft sein. Und auch Radeberg hatte seinen Platz zum Aufhängen der roten Fahne. Es war in der Regel der höchste Baum an der Eisenbahn nach Arnsdorf.
Liedgut, wie jenes „Wie hell an jeder Häuserreih die Fahnenflamme loht“, gehörte ebenso zur Tradition wie der Ausflug ins Grüne. Und nach dem Ausflug und später der Demonstration gab es jede Menge Unterhaltung, Spaß und Umtrunk. Heute, eine fast vergessene Welt, aber der Feiertag ist geblieben.

haweger

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