Holunderbeerensaft und ähmliche Arten


ja, da standen sie, die Flaschen voll mit Hollunderbeerensaft und schwarzer Johannisbeere und auch zum Schluß die gute Saure Kirsche...in Flaschen abgefüllt auf dem Schlafzimmerschrank meiner Großeltern. Fein säuberlich sortiert und ausgerichtet, mit von mir handgemalten Etiketten ausstaffiert und wartetem auf den Tag, an dem der Inhalt in die Tasse kam. Heiß oder kalt, aber jeder Nascher war verboten. Omi wachte mit Argusaugen darüber und ohne ihres Beiseins durfte das Schlafzimmer nicht betreten werden. Opa wurde besonders überwacht. Opa sagte dann immer: Mariechen, ich muß mal drehen. Omi machte ihre Nase noch spitzer, als sie war und schlich hinterher und Opa drehte Flasche für Flasche bis das Etikett wieder nach vorne zeigte und kam grinsend zurück und zwinkerte mir zu. Aha, der hat wieder was ausgefressen, waren meine Gedanken. Ich kannte meinen Opa, wir beide hatten dieses Ritual und Omi erahnte es, wie eh und je und strafte uns mit bösen Blicken. Omi fing an zu zetern und das brauchst Du nicht zu machen, ich staube jeden Tag diese Dinger ab und ich fing an zu lachen. Omi und jeden Tag abstauben, aber tatsächlich sah ich sie an einem Samstag, daß sie auf der Leiter stand, mit Lappen in der Hand und die Flaschen hochhob, verrückte und sortierte und jede einzelne überprüfte, ob kein Tröpfchen fehlte. Marie, laß das, die müssen Ruhe haben, waren seine Worte. Omi-Marie war in voller Aufregung und beschwerte sich über diese "Schnaps-Brennerei" und Ähnlichem. Opa zündete sich sein Pfeiffchen an und lächelte vor sich hin.
Am nächsten Samstag, als ich wieder bei ihnen eintrudelte, sagte Omi zu mir, daß ich den Bollerwagen mit zum Bahnhof nehmen müßte, da Opa was Schweres zu tragen hätte. Ein Warum oder Wieso wäre bei Omi zwecklos gewesen, ich tat es einfach. Der Bollerwagen wurde aus den Kellerkatakomben raufgewuchtet und ich zog los. Ich zerrte das Ding auf den Bahnsteig, der Zug fuhr ein und da sah ich ihn auch schon. Opa und eine Arbeitskollegin, die 2 riesige Eimer aus dem Zug hievten. Natürlich fragte ich, wozu das Zeug denn notwendig wäre. Opa schmunzelte nur und meinte mit einem Augenzwinkern: Omi hat wieder Staub gewischt, wir müssen das Schlafzimmer neu streichen. Aha. Die Rieseneimer wurden in die Wohnung getragen und Opa zeigte mir das Schlafzimmer in neuer Farbvariante. Oh nee, das war die Massenexplosion auf dem Kleiderschrank. Von Dunkellila bis zum zarten Fliederton war alles an Wand und Bettwäsche eingefärbt. Ein sehr rustikales Muster, von Punkt und Pünktchen bis zum markanten Streifen. Scherben über Scherben und Omi stark angesäuert und ebenso dekoriert. Omi versuchte aus halben Flaschen noch was zu retten und entleerte den Saft in einen Topf und anschließend durch ein Sieb mit Geschirrhandtuch. Opa zündete sein Pfeiffchen an, schmunzelte und meinte: das ist jetzt der Saft des Lebens. Und somit war das die letzte Aktion von Säften, die auf dem Schlafzimmerschrank jemals wieder abstaubt wurden. Omi hatte ein frisch getünchtes Schlafzimmer, nach Jahren noch "gesprenkelte" Bettwäsche, aber in Opa's "Schnapsbrennerei" hat sie sich nie wieder eingemischt.

Gruß
Finchen

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Kommentare (2)

omasigi machte das auch. Von den Brombeeren machte er Likoer, der ab
Weihnachten angeboten wurde.
Ich besitze noch Opas Schnapsglaessle. Er tat auch immer in den
Abendtee im Winter 2 Teeloeffel Schnaps rein. Ich kann mich nicht erinnern,
dass er jemals erkaeltet war.
Vielleicht wurde er deshalb ueber 90 Jahre alt?

Aber im Schlafzimmer hatte er nie seine Lagerhaltung.

Tolle Geschichte liebes Finnchen.

gruessle
omasigi
stefanie Ich habe laut gelacht bei Deiner Geschichte.Bei uns explodierten auch Holunderbeerflaschen im Keller,aber nicht zusammen sondern eine nach der andern mit lautem Knall.Wir haben uns zwei Tage nicht in den Keller getraut und erzählen auch heute noch davon. Grüße von stefanie

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