Friedhof und Religion




Ein Ausschnitt aus meinem Tagebuch aus dem vergangenen Sommer:


Ich war heute Vormittag am katholischen Friedhof von Thessaloniki. Es ist ein kleiner Friedhof, schon sehr viele Jahrzehnte alt und meist von Italienern, ein paar Franzosen und ein paar Deutschen „belegt“ Die Katholiken sind hier eine verschwindende Minderheit. Schon mehr vertreten sind Muslime. Gefürchtet und von manchen gehasst.

Die Staatsreligion hier ist ja griech. Orthodox. Ich sage „Staatsreligion“ weil sie sogar in der Verfassung verankert ist.

Leider ist das Schulwesen in Griechenland nicht so gut wie in Österreich und Deutschland, und besonders die Kirche nimmt großen Einfluss auf die Schulen. So kann es vorkommen, daß ein Grieche der Meinung ist, n u r die griechisch Orthodoxen sind Christen und alles andere ist zumindest dubios.
Es ist schon so, daß die Orthodoxie die ältere Kirche und die „Wahre“ Religion ist. Sie hält sich weitgehend an die Dogmen der Früh-Christlichen Religion. Durch die Spaltung in Ost und Westkirche um ca.1100 ist eine Entfremdung der beiden Kirchen entstanden, die bis heute anhält. Daran konnte auch das Konzil von Papst Johannes XXIII nichts ändern.
Nach wie vor wird jede Äußerung aus Rom skeptisch bewertet und kommentiert, Rom als Sündenpfuhl und Sitz von kapital. Machenschaften angeschaut.
Papst Paul musste vor zwei Jahren seinen Besuch in Griechenland absagen, weil die orth. Kirche dagegen war.
In der Orthodoxie nimmt die Verehrung der Mutter Maria einen viel größerer Platz ein, als in der katholischen Religion. Und doch wird Maria als Mensch gesehen, während Jesus als Gott verstanden wird. Ein weiterer Unterschied ist die Auslegung der Dreifaltigkeit.
Alle anderen christlichen Religion sagen, durch die Liebe von Gott Vater zum Sohn, entsteht der Heilige Geist, die Orthodoxie jedoch ist der Meinung, der Heil. Geist entspringt nur dem Geist Gott Vaters. Die orth. Religion ist auch wesentlich mystischer und geheimnisvoller, will keine Erklärungen, nur Glaube. Das entspricht natürlich auch mehr dem naturell der Menschen hier.
Man könnte noch lange darüber schreiben, aber ich will ja nicht „fadisieren“, lach

Um auf den Friedhof zurück zu kommen.
Dort bestehen Gräber aus dem 16. Jhdt. bis heute. Meist ital. Namen wie Gucci, Spazzotti,
de Gattero, oder deutsche Namen wie Baumann etc. finden sich auf den Grabsteinen.
Es sind durchwegs ungepflegte Gräber, halb verfallen, keiner kümmert sich mehr um sie. Nur der sehr alte Friedhofsgärtner, der auch dort wohnt, schlurft durch die Reihen und versucht ein bisschen Ordnung zu halten, gießt hin und wieder. Wir gehen dort hin, weil meine
Schwiegermutter dort begraben ist. Es ist ein Grab mit Marmordeckel und einem einfachen schwarzen Kreuz oben auf. Am Kopf des Grabes ist eine Art Vitrine mit Glas-Schieber. Dort drinnen befinden sich kleine Fläschchen mit Öl, Wachsstückchen, die am Öl schwimmen sollen und angezündet werden, sowie ein Gefäß für Weihrauch und ein Bild von ihr. Sie war Französin und röm. kath., Während ihr Mann griech.orthod. war und in Athen begraben ist.
Es würde einen ungeheuren Aufwand bedeuten, die beiden in einem Grab zu vereinen, umso mehr, als die Knochen meines Schwiegervaters bereits wieder ausgegraben sind und sich in einem Karner in Athen, verschlossen in einem Bleigefäß befinden. In Griechenland bleiben die Verstorbenen meist nur ca. 5 Jahre in ihren Gräbern und die Knochen werden dann in solchen Gefäßen aufbewahrt. Es ist sehr verwunderlich, daß wir im Norden, die „Kühlen“, zu unseren Toten eine viel engere Bindung haben, als die Menschen hier. Bei einem Todesfall gibt es zwar ungeheure Emotionen, öffentliche Tränen und Geschrei, aber ebenso plötzlich ebbt das ab und niemand hat das Bedürfnis ein Grab jahrelang zu besuchen. Das war und ist für mich immer noch ein Phänomen Nur am Land, wo es auch kleine Friedhöfe gibt, gibt es oft Gräber die älter sind und auch gepflegt werden.
Der katholische Friedhof jedoch ist gnädig und belässt die Toten in ihren Ruhestätten.
Wir, das heißt ich, haben das Grab gesäubert, neue Blumen hingestellt und die Öllampe angezündet und ein kurzes Gebet gesprochen. Sie war eine große Dame, sehr liebevoll und hat mich sehr geliebt. Sie war gar nicht die typische Schwiegermutter. Manche dachten oft, wir sind Mutter und Tochter und ich habe sehr viel von ihr lernen können.
Ich werde sie nie vergessen.


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