Fahr vorsichtig und mit Verständnis anderen gegenüber




Sven schaute kurz noch einmal auf sein Tacho, bevor er langsamer wurde: 73 in einer 50er Zone. Das vierte mal in vier Monaten.

Wie konnte man sich nur so oft erwischen lassen?

Als er sein Auto auf 10 km/h abgebremst hatte, fuhr Sven rechts ran.

Laß den Polizisten doch wieder einmal herummeckern über seinen Fahrstil.
Vielleicht würde ein noch schnellerer Autofahrer an ihnen vorbei flitzen, an dem der Bulle mehr Interesse hätte. Der Polizist stieg aus seinem Auto, mit einem dicken Notizbuch in der Hand. War das Harald? Harald aus der Kirche?

Sven sank tiefer in seinen Sitz. Das war nun schlimmer als der Strafzettel. Ein christlicher Bulle erwischt einen Typen aus seiner eigenen Kirche.

Ein Typ der etwas angespannt war, nach einem langen Tag im Büro. Und grade mit dem hatte er morgen Golf spielen wollen.

Als er aus seinem Auto sprang, stand er dem Kerl gegenüber, den er jeden Sonntag in der Kirche sah. Er hatte ihn noch nie in Uniform gesehen.

"Hi Harald. Komisch, daß wir uns so wiedersehen!"

"Hallo Sven." Kein Lächeln.

"Ich sehe Du hast mich erwischt in meiner Eile nach Hause zu kommen, um meine Frau und Kinder zu sehen."

"Ja, so ist das."

Harald schien unsicher zu sein.

Gut. Ich bin die Tage erst sehr spät aus dem Büro gekommen. "Ja, ich habe wohl dieses eine Mal die Verkehrsregeln etwas weit ausgelegt."

Sven schoß einen Kieselstein an die Bordsteinkante.

"Jutta erwähnte etwas Rinderbraten und Kartoffeln heute Abend. Verstehst Du, was ich meine ?"

"Ich weiß, was Du meinst. Ich kenne auch Dein Register bei uns."

Aua. Dies geht in die falsche Richtung. Zeit die Taktik zu ändern.

"Mit wieviel hast Du mich erwischt ?"

"Siebzig. Würdest Du Dich bitte wieder in Dein Auto setzen ?"

"Ach Harald, warte bitte einen Moment. Ich habe sofort auf den Tacho geschaut, als ich Dich gesehen habe! Ich muß so bei 65 km/h gewesen sein!" Mit jedem Strafzettel konnte ich besser lügen.

"Bitte Sven, setz Dich wieder in Dein Auto."

Genervt quetschte sich Sven durch die noch immer offene Türe. Ein Knall. Die Tür war zu. Er starrte auf sein Armaturenbrett. Harald war auf seinem Notizblock fleißig am Schreiben. Warum wollte Harald nicht Führerschein und Papiere sehen? Was auch immer der Grund war, es würde einen Monat vergehen, bis er sich am Sonntag in der Kirche wieder neben diesen Polizisten setzen würde.

Harald klopfte an die Tür. Er hatte einen Zettel in der Hand. Sven öffnete das Fenster, maximal 5cm, gerade genug, um den Zettel an sich zu nehmen. Harald gab ihm den Zettel durch. "Danke." Sven konnte die Enttäuschung nicht aus seiner Stimme halten. Harald setzte sich wieder ins Auto ohne ein Wort zu verlieren. Sven wartete und schaute im Spiegel zu, wie er wegfuhr. Dann faltete er den Zettel auf.

Was würde ihn dieser Spaß wieder kosten ?

Hey! Warte mal! War das ein Witz? Das war kein Strafzettel!

Sven las: "Lieber Sven, ich hatte einmal eine kleine Tochter. Als sie sechs Jahre alt war, starb sie bei einem Verkehrsunfall. Richtig geraten, das war auch ein Raser. Einen Strafzettel, eine Strafe und drei Monate Knast und der Mann war wieder frei. Frei um seine Töchter wieder in den Arm nehmen zu dürfen. Alle drei konnte er wieder liebkosen.

Ich hatte nur eine und ich werde warten müssen, bis ich in den Himmel komme, bevor ich sie wieder in den Arm nehmen kann. Tausend Mal habe ich versucht diesem Mann zu vergeben. Tausend Mal habe ich gedacht ich hätte es geschafft. Vielleicht habe ich es geschafft, aber ich muß immer wieder an sie denken. Auch jetzt. Bete bitte für mich. Und sei bitte vorsichtig, Sven. Mein Sohn ist alles was ich noch habe. Harald"

Sven drehte sich um und sah Haralds Auto wegfahren. Er fuhr die Straße wieder runter. Sven schaute bis er nicht mehr zu sehen war. Ganze 15 Minuten später fuhr er los, langsam nach Hause. Er betete um Verzeihung und zu Hause angekommen nahm er seine überraschte Frau und Kinder in den Arm und drückte sie ganz fest.

Das Leben ist so wertvoll.

Fahr vorsichtig und mit Verständnis anderen gegenüber. Vergiß nie, Autos kann man wieder kaufen - so viele man will. Menschenleben aber nicht. ...

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