eine Kurzgeschichte

Autor: ehemaliges Mitglied



"Oh Gott, sie kommen!" (Teil 1)

Eine Urlaubsfahrt ins Blaue mit Radtour sollte es werden. Aber: Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt. In den letzten Jahren waren in dieser Zeit immer der Bruder meines Mannes und seine Familie bei uns. Schlafen, Essen, Trinken bei der Verwandtschaft ist eben doch ein unbeschwerter und kostengünstiger Urlaub. Nun soll das Ganze mal andersrum passieren. Wir wollen auch Urlaub machen und nicht nur Gastgeber sein. Doch der Bruder meines Mannes weiß noch nichts davon. Und die anderen Bekannten und Freund, die auch schnell mal ihre Zelte in unserem riesigen, parkähnlichen Garten aufbauen und dann wie selbstverständlich bleiben, auch noch nicht.
Hurra, die großen Ferien sind da. Die Schulsachen unserer Kinder fliegen schwungvoll in die erstbeste Ecke, die sich für die nächsten Wochen als Aufbewahrungsort eignet.
"Kinder, euer Vater ist auch gleich da. Packt schnell eure Sachen zusammen!"
"Was denn für Sachen?", schall es durch das Treppenhaus.
Mein Gott, denke ich: "Na eure Sachen eben, die ihr mit auf Reisen nehmen wollt. Aber denkt dran, nicht zu viel, nur das allernötigste. Der Hund muss auch mit in den Kleinbus passen. Morgen, gleich nach dem Frühstück, fahren wir gemütlich los. Ich will keine Hektik und keinen Stress wie sonst haben."
Die älteste Tochter Susanne erscheint in der Küchentür und staunt die völlig im Packeifer aufgelöste Mutter ratlos an.
"Ich denke, die Reise ist wegen unseres Hundes geplatzt?"
"Nein, er fährt mit uns mit. Wir fahren ins Blaue und besuchen dieses Jahr alle Freunde und Bekannten, die sonst immer bei uns einfliegen.
"Na, wenn das mal gut geht", zweifelt sie.
"Ein Quartier findetet sich dann schon irgendwo. Die Zelte sind mit dabei, also können wir gegebenenfalls auch in unseren Villen "Wiesenglück" schlafen. Die Zelte und Fahrrädern sind schon verstaut. Also beeilt euch! Stellt alles das, was ihr mitnehmen wollt, dazu! Den Rest erledige dann ich als letztes."
Der Vater kommt nach Hause und hat von dem hektischen Drumherum der Urlaubsvorbereitungen mal wieder nichts abbekommen. "Oh, es ist alles schon gepackt, dann kann es morgen in aller Frühe losgehen", freut er sich glücklich.
"Ist es nicht immer so?", frage ich ihn. Eine Antwort bleibt aus. Von den Vorbereitungsarbeiten geschafft, gehe ich völlig erschöpft zu Bett.
Des Nachbars Hahn kräht, die Sonne scheint blank aus einem blauen, wolkenlosen Himmel. Die Familie ist gewaschen, geschminkt und urlaubsfrisch angezogen. Der Teewasserkessel pfeift, der Eierkocher lärmt, der Toast wird kalt. "Beeilt euch! Ein energischer Ruf meines Ehemannes verhallt im Treppenhaus. Nch frühstücken und es kann endlich losgehen.
Nur was wird das jetzt wieder? Was macht denn mein Mann auf einmal? "Aber! Im Fahrzeug und vor der Abfahrt dieser Reise muss alles noch einmal
überprüft werden", sagt mein Mann. "Du könntest etwas vergessen haben, Liebling". Das heißt, er packt alles das wieder aus, was ich am Vortag eingeräumt habe.
"Geht das schon wieder los?" Ich bin wütend. Ich hatte alles verstaut und das Auto war abfahrbereit. War!
"Man kann ja nie wissen", meint er. "Ich gucke lieber noch einmal alles durch." Und schon wurde aufgezählt, was ihm noch so eingefallen ist und eventuell doch noch fehlen könnte. Vielleicht auch nicht auf der Packliste stand?
"Immer das Selbe! Komme einfach zeitiger nach Hause und helfe beim packen des Kleinbusses mit. Kinder, kommt schnell oder ich fahre alleine los!" Schon will ich in den Bus einsteigen.
Der Vater wedelt mit seinen Armen, steht vor dem Kleinbus und schüttelt mit dem Kopf: "Was machst du bloß wieder für ein Theater?", schreit er aufgebracht. "Ich will doch nur sicher sein, dass alles da ist und nichts Wichtiges fehlt!", antwortet er noch etwas lauter werdend.
Die Kinder kommen um die Ecke gerannt: "Ach ja, Vati braucht bestimmt noch eine Weile!", riefen sie und schon waren sie wieder um die Ecke und im Garten verschwunden. Die Kinder hatten vor Beginn der Reise auch noch Geheimnisse zu erledigen.
Er packt alles noch einmal um und lässt sich von mir absolut nicht stören. Bei seiner Aktion vergehen fast zwei Stunden. Wie immer, denke ich. Ich packe nie mehr das Auto oder irgendwas vorher ein. Aber das denke ich jedes Jahr und mache es dann doch nicht. "Schatz, soll ich noch schnell was zu Mittag kochen?", frage ich jetzt genervt und giftig.
"Nein, in einer halben Stunde können wir dann los. Hier steht einen toller
Picknickkorb im Auto", meinte er mir entgegenkommend. "Essen können wir dann auf einer schönen Wiese. Gemütlich bei unserer ersten Rast", er strahlt mich liebevoll an.
Ich koche: "Schade um die von dir verplemperte Zeit. Wir könnten schon zwei Stunden unterwegs sein."
"Schatz, du kennst mich doch. Oder?"
"Leider!" Ich sage sonst nichts mehr. Alles ist jetzt endlich fertig und die Familie abfahrbereit. Nur Fritz, unser jüngster Sohn, braucht bereits ein zweites Bad und frisch gewaschene Sachen. Weil: er hat in der Zeit bis zur Abfahrt schnell selbst gefüllte Pfützen leer gesprungen.
"Mami, wir können nichts dafür! Er wollte einfach nicht hören", verteidigten sich unsere Töchter.
"Warum hast du ihm alleine in den Garten gelassen?", fragte verärgert dessen Vater.
"Hättest du nicht deinen Kontrollwahn ausleben müssen, wären wir bereits drei Stunden unterwegs. Ich würde am liebsten zu Hause bleiben", zische ich ihm wütend entgegen. "Warum bloß immer ich?", frage ich laut.
"Weil du seine Mutter bist?"
"Was hat das denn damit zu tun? Immer wenn er Blödsinn macht, weil er sich langweilt, bin ich Schuld oder er ist nur ! mein Sohn. Wenn du ihn vorzeigen kannst, natürlich dann deiner!", schrei ich heißgelaufenen meinen Mann an.
Unser Tochter steht vor dem Fahrzeug und fragt: "Soll ich wieder alles auspacken?"
Diese Frage lässt uns auf einmal schweigen. Wir müssen lachen, weil wir alle drei diese Debatte kennen. Manches ändert sich eben nicht. Wir kennen die Knöpfe, die wir bei unserem Partner drücken müssen.
"Nein, natürlich nicht, wir fahren! Und zwar jetzt gleich! Egal, was dein Vater noch auf dem Hof stehen hat. Schließlich war das Auto schon einmal fertig und abfahrbereit!"
Mein Mann sagt lieber nichts mehr. Dafür hatte er sich Fritz kleinlaut unter den Arm geklemmt, ist ins Bad gerannt und hat ihn zwangsmäßig unter die Dusche gestellt und rundum gereinigt. Das mag er überhaupt nicht und strampelt sich los.
"Liebling, kannst du mal schnell kommen?" Fritz spritzt seinen Vater von unten bis oben nass. Beide müssen trocken gelegt werden. Also dusche ich vorsichtshalber mit. Frisch angezogen, eilen wir eine weitere Stunde später in den Hof und zum Auto. Mein Mann sitzt nun hinter dem Steuer, ich daneben. Unsere Töchter scheinheilig auf ihren zugewiesenen Platz. Warum sind sie so friedlich? Irgendwas stimmt da nicht? Nur was? Ich komme nicht darauf. Schaue nur vorsichtshalber drohend nach hinten. Die Gesichter schauen alle nach unten.
"Wie lange dauert das denn noch?", fragen sie.
"Hättet ihr auf eueren kleinen Bruder Acht gegeben, wäre alles schneller gegangen", antworte ich ihnen auf ihre Frage. "Nun sind wir wieder schuldig".
"Oder auch nicht!", meint mein Mann, schaut mir grinsend auf den Ausschnitt meiner neuen, teuren Bluse. Oh ja, das hätte ich auch mal wieder! Mit diesem Gedanken grinse ich wieder zurück.
Unsere pubertierende Tochter lässt ein: "Oh auch das noch", von sich hören. Sie kennt sich aus. "Sagt mal, habt ihr nicht etwas vergessen?"
"Was denn, fragt Fritz, ich habe meine Autos doch eingepackt." Auch wir schauen fragend zu Susanne hin.
"Na Max? Unser Hund? Soll er nicht auch noch mit und nicht zum nun auf einmal krank gewordenen Großvater?"
"Opa wird immer krank, wenn Gustav zu ihm soll", bemerken altklug unsere Zwillinge. Wie war? Doch auf diesem Ohr ist des Großvaters Sohn und mein Angetrauter taub. Also kann es nun doch mit Harmonie weiter gehen. Man weiß ja nie, was noch so kommen wird und kann. Also wieder raus aus dem Kleinbus, um die Ecke und in den Garten. Max schnarcht unter dem Kirschbaum. Er will nicht mit. Er fährt nicht gerne Bus. Nur damit kommt er nicht durch. Wir locken ihn erfolgreich in das Fahrzeug. "Dazu sage ich lieber nichts", sagt mein Mann.
Der Hund muss jetzt auf einmal töpfeln, was uns ein unangenehmer Duft aus seiner Richtung verrät. "Auch das noch!", ruft unsere große Tochter, springt aus dem Kleinbus und rennt dem Hund zum Zaun hinterher. Er wollte sich wieder verdrücken. Ein lautes Bellen kündet vom Ende dieser Einfangaktion. Knurrend steigt er gemächlich wieder ein. Endlich kann es losgeht. Alles, Hausherr, Hund, Kinder und Mutter sind neben allen anderen Dingen im Kleinbus verstaut.
"wo fahren wir jetzt eigentlich hin?", wollen die Zwillinge wissen. Die Kinder schauen fragend auf das nun entspannte und Urlaubslieder pfeifende Gesicht ihres Vaters. Nach ungefähr fünfzig Kilometern treffen wir auf unser erstes Opfer, auf Onkel Max. Nur diese Tür bleibt verschlossen. Es ist Urlaubszeit.
"Sie sind bestimmt bei unserem Badesee", mutmaßt mein Mann. "Und damit auf unserem ersten Schlafplatz. Ich hatte ihm schon vor längerer Zeit erzählt, dass wir dort wieder hin wollen."
Und schon sind wir da. Unsere Villen sind schnell aufgestellt. Die Vesper beendet. Noch steht viel Tag mit Sonne am Himmel. Die Fahrräder sind schnell vom Kleinbus geschnallt.
"Sollte es nicht auch eine Radtour geben?", fragen die Zwillinge.
"Wir wollen heute Abend eine Nachtwanderung haben", freut sich Fritz und hüpft von einem Bein auf das andere.
"Dafür haben wir auch Knicklichter gekauft und eingepackt", verraten nun die Zwillinge. "Ja, Knicklichter! Du musst uns noch das Geld dafür zurückgeben."
"Knicklichter?", fragt der Vater. "Davon weiß ich nichts."
"Du musst ja auch nicht alles wissen. Hätten wir gefragt, hättest du uns das Ganze bestimmt auch verboten." Die Zwillinge Tom und Klara maulen ihren Vater an.
"Na klar, das ist eine gute Idee und ich verbiete euch diesen Spaß nicht!", antworte ich ganz schnell.
"Ich auch nicht", lächelt der Vater seinen Kindern entgegen. "Ich hätte bloß nicht daran gedacht. Auf Ideen kommt ihr mal wieder."
"Aber vorher auf die Räder!" Die Familie ist begeistert. Es geht los. Es geht einmal rund um den See. Am anderen Ende begegnen wir einer Familie beim Grillen. Es ist Onkel Max. Ein großes Hallo ist zu hören, aber die Grillwürstchen sind abgezählt. "Hätten wir gewusst, dass ihr kommt, wäre natürlich mehr dagewesen."
"Wir wäre es mit morgen Abend?", schlug mein Mann vor.
"Na da wollten wir eigentlich zu euch kommen und wie jedes Jahr paar Tage bleiben", meint Onkel Max. "Ihr habt doch bestimmt genügend Würste für alle im Frost?"
"Geht nicht, wir fahren seit heute früh ins Blaue", sagt Vater.
Onkel Max mit Tante Hilde und ihren zwei Kindern gucken sparsam aus der Wäsche. "Na dann verteilen wir uns im größten eurer Zelte und bleiben auch mit hier."
"Nein, das bewohnen wir mit Fritz und Max. In diesem Jahr müsst Ihr einfach mal ohne uns Urlaub machen", antwortet ich. "Ihr könnt aber Eure Zelte holen und nachkommen."
Unsere Zwillinge verschwinden in ihrem Zelt und bringen ein geheimnisvolles Päckchen zum Vorschein. Knicklichter! Dazu viele Zettel, auf denen sie zu Hause schnell einen Plan vom See gezeichnet hatten. Auf anderen Blättern hatten sie Fragen notiert, die gelöst werden müssen. An kleine Taschenlampen hatten sie auch gedacht.
"Susanne geht dann voraus und bringt die Knicklichter an"; meint Tom. "Wenn ihr einen treffpunkt erreicht habt, löst ihr die Rätsel. Wer am schnellsten zurück ist, alles richtig gefunden und gelöst hat, bekommt diesen Preis." Er hebt etwas hoch. "Es ist dieses Päckchen hier. Das verstecken wir noch. Mit Sägespänen markieren wir zusätzlich die Strecke", erklären nun Tom und Klara zusammen.
"Vater, hier gucke mal. Unser Taschengeld ist darum alle. Wir brauchen neues."
" Das bekommt ihr auch von mir", ihr habt euch wirklich viel Arbeit gemacht und etwas ganz besonderes ausgedacht. Wann habt ihr denn das alles organisiert? Danke, daran hatte ich nicht gedacht. Du Susanne, gehst aber mit eurer Mutter los", sagte Vati zu uns. "Ich möchte dich nicht nachts alleine durch den Wald laufen lassen. Versteckt diese Lichter im Wald. Wir folgen euch in geringen Abständen." Und schon geht es los. "Das wird eine tolle Nachtwanderung" jubeln unsere Kinder vor Begeisterung.
Onkel Max und seine Familie ist eingeschnappt, was bestimmt noch anhalten wird. "Also sind wir in diesem Jahr nicht willkommen?", will er wissen. Sie sind wir erst einmal los? Er hat Einwände. Ihm passt das Ganze nicht. Doch wir lassen uns von seinen Bedenken nicht beeindrucken. Onkel Max weiß immer alles besser und kann angeblich auch immer alles besser. Das nervt.
"Wann wollt ihr morgen weiter?", fragt er abschließend.
"Erst mal ausschlafen, gemütlich frühstücken und dann noch baden gehen. Wir haben Urlaub und lassen uns nicht treiben. Ich denke, wir bleiben auch noch einen Tag länger und radeln um den See herum."
"Na ja, ich weiß ja nicht, ob das so spannend wird? Der See ist langweilig, hier ist nichts weiter los. Nur Wald und Landschaft rundherum", meint meine Schwägerin.
"Dann noch diese kaum organisierte, nicht durchgeplante Nachtwanderung?", meint Max wieder.
"Wisst ihr eigentlich, was da alles passieren kann? Dazu bei Nacht, nachts in einem fremden Wald? Dazu kommt, die Kinder gehen auch noch alleine los. Nein, ich halte überhaupt nichts von dieser Idee Halbwüchsiger. Max hat Recht!" Seine Frau muss auch ihren Kommentar dazu geben.
"Ihr müsst nicht mitmachen", verteidigen sich unsere Zwillinge. "Fahrt nach Hause", wir spielen dann eben alleine. Ich gebe meinen Kindern Recht.
Damit hatte Max nicht gerechnet. Mein Schwager klingt sich auch noch einmal mit ein. "Wir fahren dann mal lieber nach der Nachtwanderung nach Hause! Man weiß ja nie, ob ihr uns gebrauchen könnt und wozu?"
"Ich denke, ihr wollt nicht mit?", fragt mein Mann seinen Bruder. Von ihm kommt allerdings nur ein Nicken zurück, was wohl ja, wir bleiben heißen sollte.
"Gut, dann teilen wir uns auf. Wer zuerst wieder hier vor Ort ist, hat gewonnen."
"Was ist der Preis?", wollen Tochter und Sohn von Onkel Max wissen. Sie haben überhaupt keine Lust und treten abwartend von einem Bein auf das andere. Und schon geht es los:
"Ich habe keine Lust!", so die Tochter. "Pu, so was Blödes mache ich nicht mit! Das ist doch Kindergarten jüngste Gruppe!" So sein Sohn.
"Jetzt ist Schluss! Der Gewinner bekommt einen Euro von mir", sagt Onkel Max streng. Alleine wäre er nie auf so eine schöne Idee gekommen. Das wissen wir alle. Also gibt er klein bei. Nachtwanderung ist schon was.
"Ach, bloß einen Euro?", mault seine Tochter.
Meine Schwägerin schweigt nun. "Ich weiß nicht, was euer Vater sonst noch ausgibt?", sagte sie sehr leise.
"Vielleicht sind es auch fünf Euro?" Ich stichle absichtlich. Seine Kinder nörgeln eigentlich immer so lange, bis die Familie sich in die Haare bekommt und wir friedlich alleine spielen dürfen. Leider heute eben nicht.
Warum soll ich unsere Preise teilen? Meine Kinder gucken schon. Ich sage zu meiner großen Tochter: "Ihr habt schöne Pläne gezeichnet. Gebt bitte jeden einen davon ab. Auch an Onkel Max, damit es losgehen kann. Wer das kürzeste Streichholz zieht, darf als erster starten", ergänze ich noch. Die Streichhölzer wurden schnell gezogen.
"Danke wir brauchen keinen Plan. Das Licht der Knicklichter ist bestimmt schon von hier sichtbar", meint Onkel Max. "Wozu dann die Pläne?"
"Na gut, wenn du denkst? Langsam verdirbst du uns den ganzen Spaß! Am besten ist es, ihr bleibt hier oder fahrt nach Hause." Ich habe die Nase voll.
Es passiert auch so, wie ich dachte. Die Riege um Onkel Max gehen als erste und planlos ins Rennen. Ich wollte noch den Kindern einen Plan geben, doch sie lehnten neben Taschenlampen auch die Pläne ab.
"Danke, brauchen wir nicht! Wir kennen uns außerdem hier im Wald gut aus! Wir sammeln hier jeden Herbst Pilze", entgegnet mir meine Nichte.
Im Abstand von wenigen Minuten laufen sie los. Fritz und mein Mann folgen uns als letzte und werden dann auch die Knicklichter wieder einsammeln. Der Förster soll uns am Morgen nicht auch noch einen belehrenden Vortrag halten. Fritz ist begeistert.
Susanne und ich machen uns als erste mit den Knicklichtern und dem Katzenstreu auf den Weg. Wir laufen auf dem vorgegebenen Pfad um den See und bisschen in den Wald hinein. Hier und da leuchten nun Knicklichter auf. Die Sägespäne zeigen zusätzlich eine neue Richtung an. An jedem Platz verstecken wir die Fragezettel. Das Ganze macht uns wirklich viel Spaß. Ich bin stolz auf unsere Kinder. Wie lange wird es diese Gemeinsamkeiten noch geben? Ab wann werden sie alleine in Urlaub fahren? Es ist dunkel im Wald. Alles sieht in der vollmondhellen Nacht anders aus. Mein Mann folgt mit Fritz den Mädchen. Tom geht als einziger alleine und findet auch alle Punkte, die wir gelegt hatten. Wir treffen uns am ersten Punkt wieder. Auf einmal taucht auch Klara auf. Nur Susanne steckt alleine mitten im Wald. Fritz ist bei meinem Mann und hat sich mit den Fragen alle Mühe gegeben. Er konnte mir stolz seine richtigen Antworten präsentieren. Also gehen wir nun gemeinsam unseren großen Kindern hinterher. "Vati, lasse mich auch einmal ein Stückchen alleine gehen", fragt Fritz. "Bitte!" Aber im selben Moment hören wir eine Eule schreien und von links grunzt es leise durch das Dickicht. Damit hat Fritz doch Bedenken. Er schaut sich ängstlich um. "Ach wisst ihr, ich bleibe doch bei Dir, Vati."
"Halt, dort ist einer der Zwillinge." Wir drei ducken uns ins Gebüsch und hören, wie sie sich die Antwort auf unsere Frage überlegen. Ruhig verhalten sie sich nicht. Die Antwort kommt schnell und schon laufen sie zügig weiter. Wir folgen ihnen und entfernen das Licht aus dem Geäst. Dabei treten wir auf einen Zweig. Es knackt. "Schnell runter!", sagt mein Mann. Unsere Kinder haben uns aber nicht gehört. Das war aber knapp, sonst hätten sie uns noch entdeckt. Die Zwillinge lauschen auf die Geräusche. Wir machen uns dennoch bemerkbar.
"Wir sind es bloß."
"Oh je, nachts sieht alles anders aus. Aber nun haben wir keine Angst mehr. Das wart ja nur ihr." Und schon waren sie wieder im Wald verschwunden.
"Sind die anderen schon durch?", fragt mein Mann mich leise und küsst mich ungesehen zärtlich auf den Mund. Auch Fritz möchte nun mit seinem Vater alleine los. Susanne und ich bleiben paar Momente zurück.
"Ich weiß es nicht, vielleicht? Sollten wir die Lichter vielleicht doch morgen und bei Tageslicht einsammeln? Vielleicht werden sie von Maxens Familie noch gebraucht?", antworte ich Susanne.
"Ich glaube nicht, denn ich konnte beobachten, dass sein sonst sehr mutiger Sohn auf seine Eltern und seine Schwester gewartet hatte. Sie gehen gemeinsam. Dabei kann also nicht viel passieren." Bei diesem Wortwechsel stießen wir auch wieder auf die Kinder.
"Ach Mama, warum seit ihr so laut? Wartet hier, wir wollen nun auch alleine weiter. Uns fehlt noch eine Antwort auf eine versteckte Frage."
"Na gut, also los, wir warten hier noch eine kleine Weile." Sie rennen los. Schon entfernen sich die Schritte unserer Kinder in die Nacht. Wir schleichen trotzdem schnell hinterher. Nun sind wir am letzten Punkt und vor ihnen da.
"Hat jemand Onkel Max getroffen?", wollte mein Mann wissen.
"Nein, nur am Anfang. Bodo hat geflucht und aus Angst sich fast in die Hosen gemacht", lachen sie laut los. Ich habe eine Eule und Klara ein Wildschwein nachgemacht." Beide lachen wieder laut.
"Leute, das ist nicht nett von euch. Ihr geht auch gemeinsam. Also lasst das bitte! Mit Wildschweinen ist nicht zu spaßen. Ich bin aber jetzt froh, dass das kein Schwein war, was wir gehört haben."
"Mama, es gibt hier nur uns", antworten die Zwillinge.
"Ihr habt auch alle Fragen beantwortet."
"Mama, wir haben uns die Fragen doch selber ausgedacht."
"Nein das war Susanne und die hat uns nichts verraten", meint Klara.
"Kommt lasst uns gehen", sagt mein Mann.
"Da vorn sind die Zelte", sage ich. Wir nehmen noch die letzten Knicklichter an uns und schon sind wir zurück am Ausgangspunkt. An den Zelten angekommen, werten wir gemeinsam Susannes Fragen aus. Es wurden alle Fragen richtig beantwortet. Es gibt also nur Sieger. Ich hatte auf dem Vorplatz eine Truhe versteckt. "Sucht gemeinsam den Schatz", sage ich nun ganz entspannt. In der Truhe finden die Kinder Süßes für alle.
"Leute, das war einfach nur toll. Das machen wir wieder." Wir schauen uns um. Aber wo ist Max? Wo seine Familie abgeblieben? Keiner da! Kein Laut dringt von ihnen aus dem Wald und zu uns heraus. Alles ist ruhig. Nichts zu sehen oder zu hören. Die Kinder sind müde. Sie verteilen sich schnell auf ihren Luftmatratzen. Alle schlafen nach einem Gute-Nacht-Kuss schnell ein. Auch wir wollen in Richtung unseres Zeltes. Unser Hund hat sich auch schon in eine Ecke vor unserem Zelt zusammengerollt und schläft. Er war nicht in den Wald zu locken. Sehr mutig ist er wirklich nicht. Nur gut, dass er sich nicht selbständig gemacht hat. Nur Onkel Max und seine Familie fehlen immer noch. Ich habe kein gutes Gefühl.
"Sollen wir sie suchen?", frage ich meinen Mann.
"Wenn jemand geht, dann bin ich das", sagt er. "Bleibe bitte bei den Kindern und den Zelten. Es könnte der Kleine aufwachen und weinen. Und...". Er lächelt.
"Ja, schon gut. Große Lust habe ich sowieso nicht."
"Es ist ein gelungener erster Tag. Nur leider begann er nicht so toll. Bitte sei mir nicht böse!", sagte mein Mann zu mir und gab mir einen zärtlichen Kuss.
"Gut, dann gehe eben alleine. Nur wo willst du suchen? Sie könnten überall sein?"
Bei diesen Worten knackte es im Wald neben uns und ein Hund mit Förster stand vor uns.
Unser Hund schweigt und schläft. Ein Wächter ist er also auch nicht. Kein Laut ist von ihm zu hören. Und das ist vielleicht auch gut so. Er ist nämlich nicht angeleint. Er trägt auch keinen Maulkorb.
"Sie wissen schon, dass sie hier eigentlich nicht zelten und Feuer machen dürfen?"
"Warum? Im letzten Jahr ging das noch?"
"In diesem Jahr gehört der See auch mit zum Gebiet des Naturschutzparks. Ich kenne sie." Wir geben uns die Hand. "Ihre Kinder jetzt zu wecken, ist vielleicht auch nicht so einfach. Bitte suchen sie sich im nächsten Jahr einen anderen Platz. Auf der anderen Seite des Sees entsteht ein Zeltplatz. Dort müssen sie sich aber zeitig genug anmelden. Die Stellplätze sind begrenzt. Leider fehlen auch noch die Schilder, also können sie von dem neuen Verbot sowieso noch nichts wissen. Bitte gehen sie dann morgen vormittags."
"Das ist klar. Nur wir müssten noch auf unseren Schwager und seine Familie warten. Die haben sich bei unserer Nachtwanderung verlaufen. Ich wollte gerade nach ihnen suchen."
"Auch das noch", war die Antwort des Försters. "In welche Richtung sind sie gegangen?" Wir zeigten nach links.
"Oh na wunderbar, dort auf der Lichtung hatte ich Wildschweine gesichtet. Die Jäger sind auch auf der Pirsch. Sie treiben die Tiere in diese Richtung. Also genau dahin, wo sich ihr Schwager befinden könnte? Hoffentlich nicht! Sie bleiben hier! Denn das könnte gefährlich werden." Der Förster verschwand in der Richtung, in die wir gezeigt hatten. Sie führt aus dem Wald und aus dem Naturschutzgebiet, in das Dunkel der Nacht. Nur gut, dass wir unsere gesamten Knicklichter wieder eingesammelt hatten. Sonst müssten wir nun wirklich mit Ärger rechnen. Viele Jahre zelteten wir hier, nun war es da letzte Mal.
Am Morgen war von der Familie meines Mannes immer noch nichts zu sehen. Wir packten, verzichteten auf unser Frühstück und neues Feuer für einen Morgenkaffee. Das holen wir dann im Gasthof nach. Wir verabschiedeten uns von unserem langjährigen Platz am See. Für Max habe ich einen Zettel am Zweig eines Baumes angebracht. Er sollte Max von unserer Abreise und dem noch nicht vorhandenen Ziel informieren.
"Wo fahren wir hin und wo treffen wir Onkel Max wieder?", wollte Tom wissen.
Das blieb erst einmal die Frage, die uns alle beschäftigte. Aber so sehr nun auch wieder nicht. Obwohl? Seine Geschichte von dieser Nacht hätten wir dennoch gern erfahren. Denn? Es ist schön, der Himmel ist blau und wir fahren weiterhin ins Blaue.
"Wohin soll es als Nächstes gehen?"
"Einfach nur ins Blaue", rufen die Kinder. Wir lachen alle gemeinsam los.
"Und wann machen wir unsere große Radtour?", will unser Jüngster noch wissen.
Wieder alle: "Später!"

DAS SCHREIBHAUS von herbstkind





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