Ein Überfall
Am späten Nachmittag machten sie sich auf den Rückweg. Jedoch kurz bevor sie die Brücke über die Oder erreichten, traf das ein, was Frank schon den ganzen Tag über insgeheim befürchtet hatte; sie liefen seinen früheren Freunden in die Arme. Frank versuchte ein direktes Zusammentreffen zu vermeiden, indem er mit Milena die Straßenseite wechselte, aber es gab kein Entrinnen, denn die drei Kerle kamen ebenfalls über den Fahrdamm und versperrten ihnen den Weg. Frank grüßte kurz und versuchte die Situation zu entschärfen, aber er sah, dass es keinen Sinn hatte. Die Drei waren auf Krawall gebürstet und freuten sich förmlich auf eine Auseinandersetzung. Nicoles Vater fragte scheinheilig: „Is det deine polnische Freundin?“ Als Frank dies bestätigte, begann sein Beinaheschwiegervater ihn zu beschimpfen, zu schubsen und mit der Faust zu attackieren, während die anderen beiden auf Milena losgingen. Sie versuchten ihr an die Brust und zwischen die Beine zu grapschen, aber Frank konnte ihr nicht helfen, da er Mühe hatte, die Schläge seines Gegners zu parieren. Allerdings hatte er auch nicht das Gefühl, dass Milena Hilfe benötigte, denn er hörte nur Schmerzensschreie aus männlichen Kehlen. Als diese verstummt waren, stand Milena plötzlich vor ihm und es war eine Sache von Sekunden, bis auch Nicoles Vater auf dem Straßenpflaster lag und seine Hände an die empfindlichste Stelle seines männlichen Unterleibs presste.
Um diese Zeit herrschte reges Treiben in der Stadt und so war diese handgreifliche Auseinandersetzung nicht ohne Zeugen geblieben. Mindestens einer der Zuschauer hatte die Polizei gerufen, die auch erstaunlich schnell anrückte. Die drei Angreifer hatten sich inzwischen vom Boden erhoben und begannen sofort auf die Polizisten einzureden. Sie beschuldigten Frank und Milena sie grundlos angegriffen und verletzt zu haben. Deshalb erstatteten sie Anzeige wegen schwerer Körperverletzung in drei Fällen. Obwohl der gesunde Menschenverstand das Gegenteil nahelegte, wenn man sich die Größen- und Gewichtsverhältnisse der Konfliktparteien ansah, verlangten die Polizisten die Ausweise von Milena und Frank zu sehen. Beide kamen zwar der Aufforderung nach, aber Frank konnte sich nicht verkneifen zu fragen, warum nicht auch die Ausweise der drei Gegner kontrolliert wurden. Er wurde barsch zurechtgewiesen, dass es Sache der Polizei sei, wen sie kontrolliere. Als die Polizisten sahen, dass es sich bei Milena um eine Polin handelte, war für sie die Angelegenheit klar. Sie fesselten Milenas Arm an den Arm von Frank und schon waren beide wieder mit Handschellen verbunden. Dann verfrachteten sie das Paar in das Polizeiauto, um es mit auf die Wache zu nehmen. Franks Protest nützte nichts. Die Polizisten waren Beamte und Beamte dürfen bekanntlich nichts annehmen – nicht einmal Vernunft. Unter grölendem Gelächter der drei Schläger verließ der Polizeiwagen mit den beiden Polizisten sowie Milena und Frank den Schauplatz des Geschehens.
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Nach Feststellung ihrer Personalien und Androhung eines Strafverfahrens wurden Milena und Frank auf freien Fuß gesetzt. Als sie das Revier verlassen hatten, meinte Milena vorwurfsvoll: „Das ist heute das zweite Mal innerhalb einer Woche, dass ich deinetwegen verhaftet worden bin. Soll das jetzt immer so weitergehen?“
Aus dem Buch "Geliebte Feindin - verhasste Freunde" von Wilfried Hildebrandt
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