Ein Toilettengeheimnis Radeberger Art


Ein Toilettengeheimnis Radeberger Art

Sonntag, den 10. Juli 1899
Commers, Concert, Theater und Ball
im „Kaiserhof“ zu Radeberg Entree: 6 Uhr nachmittags

Zur Aufführung kommt u. a.:
Ein Toiletten-Geheimniss oder
Du bist blass Luise.
Lustspiel in 1 Act von F. A. Sauer.
Personen:
Ferdinand Walther, Rentier.
Luise, seine Frau.
Karoline, deren Kammermädchen.
Peter, ein Diener.

So das Ankündigungsblatt von einem gesellschaftlichen Ereignis, dass danach noch wochenlang gerüchte – wie anekdotenweise in Radeberg in aller Munde war. Es waren jene Tage im Juli 1899 als Radeberg das größte Keglerfest als Sächsisches Bundesfest feierte, das es bis dahin gab und das in dieser Dimension nie wieder so gefeiert wurde. Sechs Tage stand der Kegelsport auf vierzehn fest installierten Bahnen, dazu hatte man noch zweiundzwanzig transportable aufgebaut. Und in der Tradition der Zeit gab es daneben jede Menge gesellschaftliche Ereignisse von Ausflügen in das Augustusbad, über jeden Abend „Tanz in allen Sälen“, Tombolas und Konzerte. Und dennoch reduzierte sich dann das Ganze auf den Höhepunkt am Sonntagabend, der Festveranstaltung. Mit dem Kommers begann es, eine damals übliche Form der Festansprache mit anschließenden Toasts und launigen Sprüchen. Beim Konzert der Stadtkapelle konnte man sich erst einmal entspannen.

Das Theaterstück hatte es dann in sich, denn zwei Radeberger Lehrer hatten ein Lustspiel, das um 1858 entstanden war, hervorgekramt und auf Radeberger Verhältnisse umgeschrieben. Das damals bekannte Wort „Du bist blass Luise“ entstammte Schillers „Kabale und Liebe“ und wurde oft in Theaterstücken verwendet. Und das Toilettengeheimnis, eigentlich ein Wort für heimliche Flüsterei unter Frauen, offenbarte Radeberger Geschehnisse. Diese sind zwar im Einzelnen nicht überliefert, aber da ein Bericht der Gendarmerie entstand ist z. B. bekannt, dass ein Teilnehmer notierte: „Ihr ganzes Wesen erschien ihm wie das Hauskleid, das sie jetzt eben trug. Harmonie, Bewegung, Gestalt, Durchsichtigkeit“. Das letztere Wort deutet auf die Kulissenarbeit hin, denn Schlossermeister Ernst Pfützner hatte mit Lichteffekten dafür gesorgt, dass beide handelnden Frauen in dem Stück in praktisch durchsichtigen Kleidern auftraten. Das war zu dieser Zeit eine Sensation. Und es sollten auch im Text Tabus gebrochen werden. So lautete ein Dialog: „Luise, Du hast mit Sehnsucht auf Deinen Geliebten gewartet. Du bleibst wie angeklebt auf Deinem Arsch sitzen“. Dieses A…Wort gehörte im bürgerlichen Publikum eigentlich zu den Tabuworten, hier kam es zu offenem Beifall, der zugegebenermaßen doch schon leicht angetrunkenen Festgäste. Es wurden noch Schillers Worte ironisch gebraucht: „Luise, Luise, Du bist blass Luise, geht es vielleicht um deine kalten Fiese?“ Und als dann Luise, dargestellt von der Tochter des Radebereger Stadtrates Messerschmidt, im Korsett tanzte war die „sittenlose“ Sensation perfekt. Doch offensichtlich gefiel es auch den auswärtigen Gästen, es gab von Niemandem eine Anzeige.



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Kommentare (1)

Willy Als Dresdner ist mir Radeberg und Umfeld natürlich bekannt, zumal ich in diesem Ort mal kurzzeitig berufstätig war. Die von dir erzähle Geschichte ist klein, aber fein. Erstaunlich wie mutig die Aufführenden waren und noch mehr, dass nicht einige Spießer, eine Anzeige erstatteten. In kleineren Orten
und im Hintergrund das Kegler-Volksfest, hatte die Zuschauer wohl etwas toleranter sein lassen, als man sonst, in der ach so prüden Zeit war.
Danke für diesen Rückblick und ich finde es wunderbar, wenn derartige Geschichten, wie von dir, bewahrt und der Nachwelt vermittelt werden.
b.G.
W.

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