ein Tagebuch 3

Jammert nicht über das Alter! Es hat so viele Vorteile:
Man muss nicht immer präsent sein.
Man muss sich nicht mehr mit Leuten abgeben, die einem nicht gut tun.
Man , ach was: ich meine mich!
Hinter mir pfeift keiner mehr her. Ich kann Knoblauch essen, denn mich küsst eh keiner mehr.
Ich koche und esse was mir gefällt. (Das hat aber mehr mit dem Alleinsein zu tun.)
Ich sitze auf meinem Balkon und schaue den langsam vor sich hin grasenden Kühen zu, denn ich kann vor meinem leer gegessenen Teller sitzen, so lange ich will.
Es ist sonderbar: die Zeit, die ich noch leben werde, ist kurz, aber trotzdem habe ich jetzt viel Zeit zu leben.
Ich beobachte die weißen Wolken am azurblauen Himmel und stelle mir die Figuren vor, deren Formen sie ähneln: da ist ein Krokodil, dort ein Frosch und zwei kleine Schildkröten. Dann vergehen sie wieder und bilden Neues.
Ich muss nicht joggen und rennen, denn die Figur ist eh nicht mehr zu retten.
Aber mich gehen lassen aus Bequemlichkeit, das kann ich nicht. In meiner Wohnung darf ich bis Mittag im Schlafanzug herumlaufen und meine Hausarbeit erledigen. Aber wenn ich rausgehe, ist meine Frisur tipptopp und meine Kleidung modisch und passend. Das ist immer noch so wie früher Aber dass die Jahre sich im Gesicht abzeichnen, die Figur keine Taille mehr hat,und dass jeden Tag ein anderes Zipperlein mir mein Alter präsentiert, damit muss ich fertig werden. Die Vorteile jedoch, die das Alter auch mit sich bringt, will mir täglich vor Augen halten. Und vor allem jeden Tag dafür dankbar sein.