Ein Seelenschreiber hilft in allen Lebenslagen


Ein Seelenschreiber hilft in allen Lebenslagen

Aus der Geschichte des Spiritismus

Eine Annonce in der „Radebereger Zeitung“ aus dem Monat November des Jahres 1870 brachte mich auf den Gedanken, zu recherchieren was wohl damals in Radeberg geschah. Ein Wilhelm Falkenberg aus Frankfurt an der Oder bot den Psychographen an, mit dem man zum Beispiel mit seinen verstorbenen Vorfahren sprechen konnte. Diese Sache lag absolut im Zeitgeist, denn mit der für damalige Verhältnisse rasanten Entwicklung der Technik und Wirtschaft, war auch die Frage zum Diesseits und Jenseits wieder in Aller Interesse. Und dies nutzten schamlose Betrüger aus, die gutgläubigen und sich nach einer Orientierung außerhalb der Kirche sehnenden Menschen allerlei Scharlatanerie anboten, aufschwatzten oder vorführten. So auch geschehen „im Anbau zu Radeberg“. Hinter diesem Ortsteil stehen die ersten Häuser außerhalb der eigentlichen Kernstadt, an der heutigen Dresdener Straße in Richtung der Dresdener Heide gelegen.
In einem solchen Haus trafen sich „gläubige Spiritisten“ als „Radebergs intimer Cirkel“. Sie hatten sich in den 1850er Jahren bereits gefunden und waren bestrebt die „geistige Dimension unerklärlicher Phänomene“ zu erleben und erklärt zu bekommen. Da diese okkulte Bewegung von der Amtskirche unter starker Kritik stand, war vieles daran eher geheimnisvoll. Bis eben jener Wilhelm Falkenberg per Annonce und unmittelbarem praktischen Versuchen diese doch nahezu sensationelle Verbindung zu den Ahnen ermöglichen wollte.

Und er schaffte es. In einer ersten Sitzung im Januar 1871 führte er den Anwesenden bei völlig verdunkeltem Raum und der Ehefrau des Stadtrats Messerschmidt als Medium einer Geistererscheinung vor, in denen viele der Teilnehmer glaubten es sei der 1844 im Goldbach ertrunkene Handelsmann Reinicke. Halluzination oder tatsächliche Wahrheit? Vor Gericht stellte es sich später heraus, dass Falkenberg gut geschult die Psyche der Teilnehmer beeinflusste. Es hatte nämlich vor der Sitzung in etwa fünfundvierzig Minuten alle persönlichen Seiten des zu Erscheinenden beschrieben oder auch um glaubhafter aufzutreten von älteren Teilnehmern Gehörtes und Gesehenes erzählen lassen. Damit waren praktisch die Teilnehmer auf das zu Erwartende vorbereitet. Zusätzlich hatte er das neue Medium „Photographie“ benutzt. Auf einem völlig diffusen Bild hatte man angeblich zwei Jahre zuvor, eine solche Geistererscheinung „neuartigst“ abgelichtet. Was ja damals in jeder Hinsicht eine Sensation war. Wer kannte 1870 schon die Möglichkeiten der Fotografie.

In den nun folgenden Sitzungen arbeitete Falkenberg mit einem sogenannten „Psychographen“, einem sogenannten Seelenschreiber. Dieses Gerät hatte seinen Ursprung in einem 1853 in Berlin von Adolph Theodor Wagner erfundenen Instrument „welches Gedanken erraten, Gedichte machen und Faksimile entfernter Personen nachahmen sollte, zugleich auch ein Schreibapparat, durch den die Geister den Spiritisten sich offenbarten.“ Auch hier zur Sitzung eine Dämmerung mit etwas gesteuertem Licht. Der Apparat war so konstruiert, dass man die Teilnehmer glauben ließ, ihre „magnetischen und sonstigen biologischen Körperschwingungen“ den Zugang zu Reinicke anno 1844 oder einer anderen Person ermöglichten. Und es wurden tatsächlich auf dem Papier Buchstaben und okkulte Zeichen sichtbar. Der Clou: Nur der Ausführende, in diesem Fall Wilhelm Falkenberg, war in der Lage, die Zeichen zu deuten. Dazu benötigte er Zeit und Geld. Beides wurde ihm gewährt. Und so gab einem Teilnehmer, ein unlängst Verstorbener, ihm auf den Weg, in der Familienangelegenheit in Cottbus Geld zu investieren. Und der Nächste erhielt den Rat, sich um das Fräulein Koch in Kleinwolmsdorf zu seinem Vorteil zu bemühen. So erhielt praktisch jeder „gute Tipps“, der Preis schwankte zwischen 14 und 35 Talern. Den Psychograph nahm Falkenberg mit. Angezeigt wurde er dennoch, denn in zwei Fällen trat nicht ein, was er versprach. Da war Falkenberg jedoch schon wieder in Preußen unterwegs und konnte nicht mehr belangt werden.

haweger

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Kommentare (1)

omasigi ganz andere Historie.
Nicht nur in der Zeit als Deine Geschichte sich ereignete gab es Scharlatane sondern auch heute koennen einem Solche begegnen.

Also immer wachsam sein meint
omasigi

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