Die Weintraubentorte

Am Forstweg

Ein wenig brachte mich die Geschichte von Silesio zum Nachdenken. Da ging mir ziemlich schnell ein Geschehen durch den Kopf, das wohl schon 20 Jahre her ist.

Mit meinem Mann lebte ich am Fuße des Teutoburger Waldes, so richtig passend am Forstweg. Uns gegenüber gab es eine Bauersfamilie, die dort direkt vor unserem Haus ihren Hof mit Wiesen, Feldern und Wäldern hatte. Die Bauersfrau war Hauswirtschaftsmeisterin und unterrichtete auch in der örtlichen Hauswirtschaftsschule. Ich hatte zwar in meiner Schulzeit ein Jahr lang einmal wöchentlich Hauswirtschaftsunterricht gehabt, aber das war schon eine Weile her, doch kochen und backen war immer noch etwas, das ich seit meiner Kindheit gern tat.

Wir waren der Neuzugang ihrem Hof gegenüber, wurden aber im halbjährlich stattfindenden Treffen aller Anwohner des Forstwegs herzlich in die Gemeinschaft aufgenommen. Kurz vor einem nächsten Treffen hatte ich die Idee, mich für die Aufnahme in diese gute Gemeinschaft ein wenig bei der Bäuerin, die das jeweils organisierte, zu bedanken. Ich buck eine Weintraubentorte und brachte sie eines Nachmittags, als mein Mann sie und den Bauern über den Anbau einiger Weinstöcke am Bauernhaus informierte, rüber.

Mein Mann war entsetzt: „Du kannst doch der Hauswirtschaftsmeisterin nicht deinen Kuchen servieren!“ Doch die Söhne der Bauern hatten sich längst über die Leckerei hergemacht, so dass die Bäuerin sich mit ihrem Mann ein letztes Stück Torte nur noch teilen konnte. Natürlich bekam sie recht bald erneut eine Torte, deren Rezept sie dann auch in ihre Rezepte-Sammlung aufnahm.

Unser Wein trug zu der Zeit reichlich große Trauben, was den Bauern reizte, ebenfalls am Haus Wein zu ziehen. Der südlich liegende Eingangsbereich war wirklich prädestiniert dafür. Mechthilds Reaktion auf meine spontane Aktion hat sie mir nie vergessen – meinem Mann war es nur wichtig gewesen, dass ich „seine neue Nachbarschaftsfreundschaft“ nicht durch meine plumpe Aktion gefährdet hatte. War wohl nicht der Fall …