Die Schweinlschneider
Hier wird nun die Rede sein von einer wahren Begebenheit, einem gruseligen, lebensgefährlichen Abenteuer, welcher der Bertl mit seinem Freund, dem Grieslhorstl, sehr erfolgreich durchgestanden hat.
Sie wollten das Handwerk eines besonderen und im Dorf sehr gefragten Spezialisten ausprobieren.
Es sollte für das spätere Leben sein, denn mit dieser Tätigkeit ließe sich sehr viel Geld verdienen, meinte der Horstl.
Naja, auf Bertls Miste ist diese Idee zum Ausprobieren dazu nicht gewachsen. Das muß er, um ganz ehrlich zu sein, schon sagen.
Sein Freund der Grieslhorst, Sohn vom Weichlbauern, ihm gebührt die Ehre, hier als Urheber des Gedankens und auch Inhaber des dazu gehörigen Wissens, genannt zu werden.
Wie schon gesagt, geht es um einen besonderes, achtbares und gut belohntes Handwerk, dem
Schweinlschneider
Eines Nachmittags des Jahres 1936, es ist noch Sommer und Frieden im wundervollen Zappenland, da hat der Bertl sein Kumpel, der Grieslhorstl, eine grandiose Idee.
Man muß wissen, daß der Grieslhorstl etwas kräftiger gebaut und auch größer ist als der Bertl. Sein Freund glaubt auch nicht mehr an den Glabberstorch und so.
Zu Hause, da sorgt er dafür, damit schließlich das Karnickel aus dem Stalle in die Herdpfanne kommt, also geschlachtet wird.
Der Bertl kann bei so was nicht hinsehen, zugucken schon gar nicht.
Außerdem wird ihm dabei immer schwindelig und schlecht, er kann doch kein Blut sehen.
So tut der liebe Grießlhorste also auch bei Löslschneiders aus lauter Freundschaft das, was man beim Karnickel "das Fell über die Ohren ziehn" nennt. Der Grieslhorste hat somit Ahnung und ist in diesen Dingen sehr erfahren.
Sie treffen sich, wie schon so oft vorher, hinter Löslschneiders Schuppendach bei den Karnickelbuchten.
Fachmännisch packt er auch heute jede Karnicklzippe mit der linken Hand im Rückenfell, auch wenn sie noch so sehr zappelt, Horstl hat sie fest im Griff. Bei einer ausgiebigen Betrachtung untersucht er sie gleich, ob sie Junge kriegen wird.
Bei den Karnickelböcken wird er dabei aber schon vorsichtiger, weil ihm der eine Bock bei der letzten Nachschau so richtig vollgespritzt hat.
Tagelang mußte der Grieslhorste mit dem übelriechendem Duft rum laufen.
Da half auch keine Kernseife, mit ihm seine Mama stundenlang abgeschrubbt hat. Deshalb beguckt er sich die Böcke respektvoll nur duchs Drahtgitter und erzählt seinem Freund, wozu die Spritzböcke überhaupt auf der Welt sind. Dabei knirscht er kräftig mit den Zähnen.
Sehr interessiert schaut der Bertl zu. Er paßt auf, wie ein bunter Schießhund, damit er auch jedes Wort mitkriegt. Bertl staunt Bauklötzer über das, w3as der Horstl alles kann und wissen tut.
Schließlich geht ihnen doch der Gesprächsstoff aus. Das kommt bei den Beiden sehr selten vor. Sie langweilen vor sich hin, suchen krampfhaft ein neues Thema.
Da erinnert sich der Horstl an das, was sie von Bäimsantsche, Bäims Annenarie, vorgestern nach dem großen Regen beim gemeinsamen Dammbau im Hohlweg bei Neißns, erfahren haben. Dixnerich, Hongnjetti und der Bäiwalter waren auch dabei.
Dort hat Anntsche ganz aufgeregt über die Sau von ihrem Papa erzählt und daß die Sau vor einigen Tagen eine Menge kleiner Ferkel bekommen hat. Vierzehn Stück an der Zahl.
Eine sehr interessante Tatsache. So viele auf einmal haben beide noch nicht begucken können. So kommt Horstl auf die Idee, endlich das auszuprobieren, was er doch schon öfters gesehen hat. Da sei heute die beste Gelegenheit dazu, meinte er.
Trotz angestrengtem Nachdenken, warum was gerade heute sein soll, versteht der Bertl nicht. Absolut nicht. Auch nicht, was wohl sein Freund gemeint hat.
Aber, wenn der Horstl das für richtig hält, dann wird es schon so sein. Außerdem meint Bertls Freund, es könne sehr interessant werden und so steht sein heimlicher Entschluß fest, auch mal das zu tun, was ein Schweinlschneider macht, damit die kleinen Ferkel auch groß und stark werden können: Schweinlschneidn!
Er, der Horstl, hat zu Hause schon genau zugeguckt, ja sogar kleine Ferkel gehalten, bekräftigt er dann.
Dazu fehle ihm jedoch hier ein richtiger Gehilfe, der zu mindest ein Ferkelbein bei der ganzen Sache festhalten tut. Dem Bertl fehlen die Worte. Er guckt seinen Freund bewundernd an.
Er, der Bertl, sei der Richtige dafür, meint schließlich Weichlbauers Sohn, der Griesl Horst, mustert ihn von oben bis unten und auch rund herum.
Stolz zeigt er dabei seinem Freund das neue Taschenmesser mit vier Klingen. Der Bertl guckt ganz traurig, denn so was hat er nicht.
"Kumm, mir gejhn bei Bäims schweinlschneidn"", überredet der Griesl Horste schließlich den Bertl. Dieser stimmt zu, nickt energisch mit dem Koppe.
Bis Bäims ist es nicht weit. Um Löslschneiders halbrunden Misthaufen, an der vollen Jauchengrube entlang, wobei es am Rande so richtig unter den Schuhsohlen matscht und knatscht.
Vorbei an Dixn's Gartentüre und Kühnls Scheune, schon sind beide bei Bäims.
Dann, als die Luft reine ist, bei Bäims und Dixns keiner aus dem Fenstern guckt, huschen sie unbemerkt die Auffahrt rauf und husch, schon sind sie durchs Eingangstor.
Grieslhorstl muß wohl schon öfters bei Bäims gewesen sein, er steuert sofort auf eine Tür links am Ende des Einganges zu. Tatsächlich! Der Schweinestall.
Der Bertl kommt kaum mit, so flink klettert der Horste in Bäims Schweinestall als erster über das meterhohe Holzgatter in den vorderen Koben, als könnte er was verpassen.
Bertl, wenn auch nicht so schnell, weil er etwas kürzere Beine hat, doch sehr mutig hinterdrein.
Ist das ein Gewimmel in der großen Buchte. Und niedlich sehen sie aus mit den kleinen Ringelschwänzchen. Bertl kommt aus dem Staunen nicht raus.
Wie eine Katze, die mit Nußschalen an den Pfoten in die warme Backröhre gesperrt wurde, so flitzen die Schweinl dahin, vergleicht er. Grieslhorste instruiert seinen neu ernannten Schweinlschneidergehilfen mit Brille, weißen Sockln und in kurzen Hosen einngehend über das, was er von ihm erhoffe: Zu erst muß ein Ferkel gefangen werden. Dann gilt es, eine Pfote, möglichst ein Hinterbein in den Griff zu kriegen und fest zu halten. Das sei besonders wichtig, meint der Horstl zu Bertl, dabei stark mit dem Kopf nickend, weil er das andere Bein erwischen muß, damit das Ferkel nicht mehr weglaufen kann.
Ist die Fangerei endlich gelungen, wird die ganze Geschichte sehr, sehr spannend. Dann kann er, der Horstl, mit der eigentlichen Sache anfangen, erklärt er.
Bertl, von den vielen Gerede seines Freundes schon halb konfus, will sich nicht mit seiner Unwissenheit blamieren und nickt für alle Fälle zustimmend, alles verstanden.
Bertl entsinnt sich, schon öfters Anschleichen geübt zu haben, kennt diese Gehart auch aus Onkel Fritzens feiertäglich erzählten Indianergeschichten.
Grieslhorste nickt jetzt seinen neuen Gehilfen ermutigend zu. Der neue, soeben ernannte Schweinlschneidergehilfe, der Bertl, schleicht gehorsamst durch die ganze Buchte.
Schritt für Schritt nähert er sich einer der vierzehn Ferkeln in immer schärfer werdenden gebückter Körperhaltung. Welches er dabei fangen will, das weiß er noch nicht so richtig, schleicht aber für alle Fälle weiter.
Jetzt hat er schon einmal die ganze Buchte umrundet und schleicht noch immer weiter.
Dem Bertl tut schon das Genicke weh vom ständig hoch und runter gucken, weil doch der Buchtenboden nicht mehr ganz sauber ist.
Rund herum um den kleinen Schleicher in kurzen Hosen flitzen die Ferkel. Ihr lustiges Gekwieke und Gespringe hat den Anschein, als ob sie sich köstlich amüsieren.
Jetzt hält der Bertl in seiner anstrengenden echt indeanischen Fortbewegung an, guckt sich ein Viechl als Zielobjekt aus.
Ganz langsam geht er auf der Stelle in die Hocke und sehr vorsichtig, damit die Viechln vor ihm nicht erschrecken tun, runter auf alle Viere.
Bertl, jetzt in der Funktion eines Ferkeljägers, beginnt zu grunzen. Schrillhell kommt es aus seinem angespitzen Maule, hört sich bald so an, wie Winterbauers Dackl, dem Bello, wenn der vom Schäferhund aus seiner Hütte gejagt wird.
Schon hört die Rumlauferei der Ferkel auf. Fast alle drängeln sich in eine Ecke.
Wohl an die zehn rosarote Ferkelköpfe mit gespitzten Ohren, recken sich fluchtbereit dem neuen, höchst seltsam grunzenden Vierbeiner entgegen.
Aufmerksam verfolgen an die zwanzig Knopfaugen jede Bewegung des Fremdlings in weißen Sockln.
Auch Grieslhorste ist gespannt, was da kommen soll.
Bertl hockt immer noch vor den fluchtbereiten Ferkeln.
Da kommt ihm, dem Bertl,eine Idee: Auf einem sehr beeindruckenden bunten Bild hat er einmal einen Löwen mit ausgebreiteten Pfoten durch die Luft springen sehen.
Ja, so will er es auch tun. Ihm wird gleich leichter ums Herze. So, wie zu Hause der alte Kater seinen Mäusesprung mit den Hinterpfoten vorbereitet, dreht jetzt Bertl mit den Schuhspitzen im schon etwas angefeuchtetem Einstreustroh.
Sein Hinterteil gleicht einem Katzenbuckel, der dabei so richtig prall gespannte Hosenboden überragt fast drei Faust groß die ganze Schleichfigur. Fingerspitze für Fingerspitze preßt sich jetzt, wie vor dem Wettlauf, in den feuchten Startboden.
Mit all seinen Sinnen bereitet der Mutige sein Unternehmen vor.
Jetzt tief Luft geholt und - fast einem kleinen Löwen gleich, schnellt Bertl aus dem Stand heraus mit weit ausgebreiteten Händen und Beinen in der unglaublichen Höhe von dreißig Zentimeter rudernd in die f3rkelbesetzte Ecke dieser geräumigen Schweinebuchte, seinem Ziel entgegen.
Aber nicht weit genug. Erschreckt quiekend stürmen sofort die zehn rosaroten und schwarz gefleckten Vierbeiner vor dem fast anfliegendem Fremdling davon, machen Platz.
Platschend fällt Löwenbertl in den frischen Ferkelmist,daß es nur so durch die Gegend spritzt.
Der Grieslhorste kann nicht schnell genug beiseite hoppsen und kriegt eine saftige Ladung des dünnen Zeugs ab. Sein Gesichte sieht aus als ob von der Kinnspitze bis zum Wuschelkoppe alles voller Sommersprossen wäre, so richtig natürlich.
"Mußtä ä bissl ufpossn ond dann tustä schnällä springn, wenn's vorbeiflitzt", meinte der bespritzte Grieslhorst etwas knurrig und wischt sich das Gesichte mit dem rechten Ärmel sauber. Dabei kann er sich aber beim Anblick seines strohbeschmierten Freundes trotzdem nicht das Grinsen verkneifen.
Der Bertl will sein Mißgeschicke nicht gelten lassen. Erneut wirft er sich mit seiner ganzen Körpergröße auf ein vorbei flitzendes Wesen. Wieder das Ziel verfehlt, klaubt er hinterher energisch das feuchte Strohgemenge und was sonst noch an ihm klebt vom Hemde, Gesicht und Brille, will nicht aufgeben.
Von neuem wartet er auf eine gute Gelegenheit, paßt in seiner Ecke jetzt auf wie ein Schießhund. Doch die kleinen Schweinchen werden immer flinker, ihre Mama im Koben nebenan immer unruhiger.
Aber dann hat der Grieslhorste doch noch eins am Bein erwischt. Das kleine Viechl quieckt ganz jämmerlich.
"Brauchst keenä Angst hobn", übertönt laut der Schweineschneiderspezialist das allgemeine Spektakel in der Buchte.
"Kumm, nimm dos andre Pfotl", fordert Grieslhorste. Der Bertl krabbelt sich schnaufend aus dem Einstreu. Zögernd faßt er zu, nimmt das andere Pfotl von dem zappelnden schwarzweiß geflecklten Schweinl in beide Hände.
Die wütende Schweinemama rennt ganz gefährlich grunzend an der hölzernen Trennwand auf und ab.
Dem Bertl kriecht bei dem hin und her laufendem Gegrunze hinter seinem Rücken erst langsam und dann immer schneller eine kribbelnde Gänsehaut nach der anderen vom Kopf über den Rücken bis in den Hosenboden.
Grieslhorste, er hat nur eine Hand frei, holt sein neues Taschenmesser aus der Jacke, beißt mit den Schneidezähnen in den Klingenrücken, macht so das Messer auf.
Jetzt wird es ernst.
Die Sau stürmt wie verrückt gegen das Gestänge ihrer Buchte und beißt ganz damisch in die trennenden Holzstangen, hinter der die Ferkel sind. Das macht sie immer dann, wenn unser Ferkel zu quieken anfängt.
"Halt feste!" ruft in diesen Krawall hinein der Griesl Horste seinem Freund zu.
Er will gerade dort, wo beim Ferkel die Beine zusammen gewachsen sind, offensichtlich etwas abschneiden.
Der Bertl kann das nicht genau sehen, weil seine Brille, die ihm in der letzten Woche der Doktor "ai Daatschn" (in Tetschen) verpaßt hat, schon wieder in der Schweinestallwärme anläuft und das Ferkel immer mehr strampelt.
Mit zusammen gebissenen Zähnen hält er deshalb das zappelnde Schweinebein mit seinen Händen wie im Schraubstock fest. So feste, wie er nur kann.
Jetzt rutscht ihm seine Brille schon wieder. Sie hat noch nicht so richtig hinter den vor Aufregung schon ganz roten Ohrwaschln ihren festen Platz gefunden.
Durch das ständige hin und her vom ängstlich zappelnden Ferkel gleitet das Gestell langsam und unaufhaltsam auf der kleinen Nase weiter abwärts, rutscht und rutscht - fällt schließlich auf den Schweinestallboden in das feuchte Stroh. Bücken und aufheben ist nicht möglich,weil er sonst das verflixte Schweinebeenl los lassen müßte.
Der Bertl hält trotz Malheurs mit seiner Brille das ihm von seinen Freund übertragene Schweinebeenl fest und preßt seine Milchzähmne ganz arg aufeinander. Von der Gusche bleibt nur noch ein ganz schmaler Strich übrig.
Die Sau von Bäimsannemarie ihrem Papa wird inzwischen immer wilder in ihrer Buchte. Unser Übungsferkel quiekt schon ganz heiser.
Der Grieslhorste ist jetzt soweit. Er will mit der Taschenmesserspitze also genau dort, wo am Bauchende die Hinterbeine zusammen kommen, mit seinem Vorhaben beginnen.
Dabei beguckt er nochmal das zappelnde Ding von allen Seiten. Energisch fuchtelt gleichzeitig seine Messerfaust wild durch die Luft. Jetzt pieckt er mit der Messerspitze zu.
Das Opfer wehrt sich lautstark und die Sau von Bäimsannemaries Papa wird immer wilder, rennt wie eine Besengte in ihrer abgesperrten Buchte herum.
"Halt feste, damit ich mich konzentrieren kann", ruft in diesen Klamauk der Horste in Hochdaitsch seinem Freund energisch zu.
Der Bertl kann in der Aufregung das Geschehene nicht so richtig verfolgen, weil er immer noch angestrengt nach seiner runter gefallenen Brille gucken tut.
Doch beim zweiten Piekser quiekt das kleine, von beiden Spezialisten fest gehaltene Schweinl ganz jämmerlich und strampelt ohne damit auf zu hören.
Erschrocken von dem so plötzlich lautem Gequieke und der Kraft des Ferkels läßt Bertl, der Schweineschneidergehilfe, nun doch seinen Anteil am zappelnden Schweinl los, den genau in diesem Augenblick sieht er im feuchten Stroh endlich seine Brille und bückt sich schnell danach.
Er will auf keinem Fall ohne seine Brille nach Hause kommen.
Schon halb befreit zappelt das Schweinl jetzt noch mehr. Grieslhorste kommt in Schwierigkeiten mit Messerspitze und Schweinebein.
Noch lauter wird da das Geschreie vom zappelndem Ding in seiner Todesangst.
Die Schweinemama stürmt wie wild in ihrer Buchte gegen das nun schon lockere Gestänge aus Holz. Jetzt beißt sie sich daran feste, will die Stangen abreißen.
Plötzlich läßt sie davon ab, stellt sich auf die Hinterbeine und setzt zum Sprung über das Gestänge am.
Inzwischen sucht Bertls Mama, Löslschneiderserna, vom Tratschen aus der Saachnscmeede kommend, ihren lieben Sohn.
Sie fragt Bäimsannemarie, ob sie den Bertl wohl gesehen habe. "Joo", meint diese. "Die tun ai 'n Stolle schweinlschneidn".
"Jessesmaria!!" Entsetzt sich Mama Erna, die ja auch das Gequieke aus dem Stalle hört.
"Daa is wu daamsch da Jungä", ruft sie furchtbar aufgeregt. "Nischt wie Dummheetn ain Koppe, der Bengel".
Bäimsmarie, die wegen dem Schweinegequieke besorgt aus der Küche zu der Hoftüre geeilt ist, meint energisch: "Na, dann wulln mou glei guckn, wos die Lausebengel im Stolle treibn".
Dort erstarren sie fast zu Salzsäulen: Mit schaumbedeckter Rüsselschnauze zeigt sich die aufgebrache Schweinemama den Spezialisten und will über das Gestänge.
Fast einem feuerspeiendem Drachen gleich stößt die besorgte Schweinemama dampfende Schwaden aus ihrem ganz gefährlich anzusehenden Rüsselgusche den so mutigen Spezialisten entgegen.
In der Ecke, gegenüber der drohenden Schweinemama hocken die Helden mit Taschenmesser und Schweinebeenl.
Immer noch hält Horste das zappelnde Schweinl fest, will der zornigen Schweinemama ganz scharf in die Pupillen gucken. Doch daraus wird nichts, obwohl seine Guggeln so groß wie böhmische Kronen sind.
Die drei Zentner schwere Fleischmasse setzt jetzt zum Sprung an.
Da läßt auch Grieslhorste das Beinl los, weil es ja zu seiner Mama will.
Wie auf Befehl klettern beide Spezialisten wieselflink über die Buchtenwand.
Grieselhorst und sein Freund rennen, als ob schon die wilde Sau hinter ihnen wäre, um Beiden den Hosenboden zu zerreißen.
Nur ein Gedanke beherrschte ihr Tun: Raus aus dem Stolle. Im Galopp ging es um die Buchte, vorbei an Bäimsmarie und Löslschneiderserna. Wie Springböcke sausten sie die Auffahrt runter, bei Kühnls rechts rauf und immer weiter. Ganz von selbst liefen die Beine vom Bertl, immer schneller.
Endlich, in Griesls Garten hinterm Hause hielten sie an. Am Birnbaum, neben dem Heuschober, da konnten sie sich Verpusten.
Laut schnappten beide nach Luft, erschöpft rutschen beide am Birnbaum runter.
Nach einer halben Stunde Pause finden sie ihre Sprache wieder. "Du stinkst", meint der Grieslhorste zu Bertl und zieht die Nase hoch.
Aber mit dem Mut der Verzweiflung und der überstandenen Gefahr, von so einer Wildsau gebissen zu werden, guckte der Bertl seinen Freund energisch in die Augen und sagte ganz betont: "Du owä ooch".
Dann fing das gegenseitige Beschuppern und Putzen mit Heu an. Beide fangen an zu grinsen, so, daß die Ohrwaschln Besuch kriegen. So zeigen sie ihre Freude, prusten los. Ganz laut.
So laut, daß Weichelbauers Hühner Reißaus und ließen die beiden alleine am Heuhaufen. Nur die Glucke ließ sich nicht vertreiben, blieb stur auf ihrem Eiernest sitzen.
Für heute sind sie zufrieden mit dem Erlebten. So ein Abenteur! Horste meint, das war echt gut! Bertl findet das nicht so, weil alle Beide, er und sein Freund, immer noch unangenehm und ganz ordinär nach Bäims Schweinestolle und Schweinemist stinken.
Mit Gras und Heu wird weiter gegenseitig geschrubbt, gewischt und geputzt und gerieben.
Almählich bedeckt beide Abenteurer eine trockene, hellbraune Farbe. Gegenseitig prüfen sie den noch anhafteten Geruch des anderen. Weiter schrubben heißt ihr Entschluß.
Erst abends, als es schon dunkel wird, wagt sich der junge Mann und Schweinlschneidergehilfe Bertl nach Hause. Was es da gab, wird nicht verraten. Das kann sich jeder Leser selbst ausmalen.
Oder doch?
Der Großvater Wilhelm, seine Tochter die Erna, was ja Bertls Mama ist, seine liebe Großmutter, zu der er immer nur "Muddl" sagte, alle wußten schon ganz genau und in jeder Einzelheit Bescheid, über den Nachmittag "ai Bäims Stolle".
....und Da hören meine Aufzeichnungen über den weiteren Verlauf auf, da ja sonst das Geschriebene noch länger wird.
Was dann so geschah, das möcht ich doch verschweigen.
Auch über die Runden um den großen Küchentisch in der guten Stube, wer wem erwischt hat, schweig ich mich aus.
Trotzdem, so was kann man nicht vergessen, deshalb hab ich es aufgeschrieben.
Es ist ja schon sooo lange her.
olebienkopp
Sie wollten das Handwerk eines besonderen und im Dorf sehr gefragten Spezialisten ausprobieren.
Es sollte für das spätere Leben sein, denn mit dieser Tätigkeit ließe sich sehr viel Geld verdienen, meinte der Horstl.
Naja, auf Bertls Miste ist diese Idee zum Ausprobieren dazu nicht gewachsen. Das muß er, um ganz ehrlich zu sein, schon sagen.
Sein Freund der Grieslhorst, Sohn vom Weichlbauern, ihm gebührt die Ehre, hier als Urheber des Gedankens und auch Inhaber des dazu gehörigen Wissens, genannt zu werden.
Wie schon gesagt, geht es um einen besonderes, achtbares und gut belohntes Handwerk, dem
Schweinlschneider
Eines Nachmittags des Jahres 1936, es ist noch Sommer und Frieden im wundervollen Zappenland, da hat der Bertl sein Kumpel, der Grieslhorstl, eine grandiose Idee.
Man muß wissen, daß der Grieslhorstl etwas kräftiger gebaut und auch größer ist als der Bertl. Sein Freund glaubt auch nicht mehr an den Glabberstorch und so.
Zu Hause, da sorgt er dafür, damit schließlich das Karnickel aus dem Stalle in die Herdpfanne kommt, also geschlachtet wird.
Der Bertl kann bei so was nicht hinsehen, zugucken schon gar nicht.
Außerdem wird ihm dabei immer schwindelig und schlecht, er kann doch kein Blut sehen.
So tut der liebe Grießlhorste also auch bei Löslschneiders aus lauter Freundschaft das, was man beim Karnickel "das Fell über die Ohren ziehn" nennt. Der Grieslhorste hat somit Ahnung und ist in diesen Dingen sehr erfahren.
Sie treffen sich, wie schon so oft vorher, hinter Löslschneiders Schuppendach bei den Karnickelbuchten.
Fachmännisch packt er auch heute jede Karnicklzippe mit der linken Hand im Rückenfell, auch wenn sie noch so sehr zappelt, Horstl hat sie fest im Griff. Bei einer ausgiebigen Betrachtung untersucht er sie gleich, ob sie Junge kriegen wird.
Bei den Karnickelböcken wird er dabei aber schon vorsichtiger, weil ihm der eine Bock bei der letzten Nachschau so richtig vollgespritzt hat.
Tagelang mußte der Grieslhorste mit dem übelriechendem Duft rum laufen.
Da half auch keine Kernseife, mit ihm seine Mama stundenlang abgeschrubbt hat. Deshalb beguckt er sich die Böcke respektvoll nur duchs Drahtgitter und erzählt seinem Freund, wozu die Spritzböcke überhaupt auf der Welt sind. Dabei knirscht er kräftig mit den Zähnen.
Sehr interessiert schaut der Bertl zu. Er paßt auf, wie ein bunter Schießhund, damit er auch jedes Wort mitkriegt. Bertl staunt Bauklötzer über das, w3as der Horstl alles kann und wissen tut.
Schließlich geht ihnen doch der Gesprächsstoff aus. Das kommt bei den Beiden sehr selten vor. Sie langweilen vor sich hin, suchen krampfhaft ein neues Thema.
Da erinnert sich der Horstl an das, was sie von Bäimsantsche, Bäims Annenarie, vorgestern nach dem großen Regen beim gemeinsamen Dammbau im Hohlweg bei Neißns, erfahren haben. Dixnerich, Hongnjetti und der Bäiwalter waren auch dabei.
Dort hat Anntsche ganz aufgeregt über die Sau von ihrem Papa erzählt und daß die Sau vor einigen Tagen eine Menge kleiner Ferkel bekommen hat. Vierzehn Stück an der Zahl.
Eine sehr interessante Tatsache. So viele auf einmal haben beide noch nicht begucken können. So kommt Horstl auf die Idee, endlich das auszuprobieren, was er doch schon öfters gesehen hat. Da sei heute die beste Gelegenheit dazu, meinte er.
Trotz angestrengtem Nachdenken, warum was gerade heute sein soll, versteht der Bertl nicht. Absolut nicht. Auch nicht, was wohl sein Freund gemeint hat.
Aber, wenn der Horstl das für richtig hält, dann wird es schon so sein. Außerdem meint Bertls Freund, es könne sehr interessant werden und so steht sein heimlicher Entschluß fest, auch mal das zu tun, was ein Schweinlschneider macht, damit die kleinen Ferkel auch groß und stark werden können: Schweinlschneidn!
Er, der Horstl, hat zu Hause schon genau zugeguckt, ja sogar kleine Ferkel gehalten, bekräftigt er dann.
Dazu fehle ihm jedoch hier ein richtiger Gehilfe, der zu mindest ein Ferkelbein bei der ganzen Sache festhalten tut. Dem Bertl fehlen die Worte. Er guckt seinen Freund bewundernd an.
Er, der Bertl, sei der Richtige dafür, meint schließlich Weichlbauers Sohn, der Griesl Horst, mustert ihn von oben bis unten und auch rund herum.
Stolz zeigt er dabei seinem Freund das neue Taschenmesser mit vier Klingen. Der Bertl guckt ganz traurig, denn so was hat er nicht.
"Kumm, mir gejhn bei Bäims schweinlschneidn"", überredet der Griesl Horste schließlich den Bertl. Dieser stimmt zu, nickt energisch mit dem Koppe.
Bis Bäims ist es nicht weit. Um Löslschneiders halbrunden Misthaufen, an der vollen Jauchengrube entlang, wobei es am Rande so richtig unter den Schuhsohlen matscht und knatscht.
Vorbei an Dixn's Gartentüre und Kühnls Scheune, schon sind beide bei Bäims.
Dann, als die Luft reine ist, bei Bäims und Dixns keiner aus dem Fenstern guckt, huschen sie unbemerkt die Auffahrt rauf und husch, schon sind sie durchs Eingangstor.
Grieslhorstl muß wohl schon öfters bei Bäims gewesen sein, er steuert sofort auf eine Tür links am Ende des Einganges zu. Tatsächlich! Der Schweinestall.
Der Bertl kommt kaum mit, so flink klettert der Horste in Bäims Schweinestall als erster über das meterhohe Holzgatter in den vorderen Koben, als könnte er was verpassen.
Bertl, wenn auch nicht so schnell, weil er etwas kürzere Beine hat, doch sehr mutig hinterdrein.
Ist das ein Gewimmel in der großen Buchte. Und niedlich sehen sie aus mit den kleinen Ringelschwänzchen. Bertl kommt aus dem Staunen nicht raus.
Wie eine Katze, die mit Nußschalen an den Pfoten in die warme Backröhre gesperrt wurde, so flitzen die Schweinl dahin, vergleicht er. Grieslhorste instruiert seinen neu ernannten Schweinlschneidergehilfen mit Brille, weißen Sockln und in kurzen Hosen einngehend über das, was er von ihm erhoffe: Zu erst muß ein Ferkel gefangen werden. Dann gilt es, eine Pfote, möglichst ein Hinterbein in den Griff zu kriegen und fest zu halten. Das sei besonders wichtig, meint der Horstl zu Bertl, dabei stark mit dem Kopf nickend, weil er das andere Bein erwischen muß, damit das Ferkel nicht mehr weglaufen kann.
Ist die Fangerei endlich gelungen, wird die ganze Geschichte sehr, sehr spannend. Dann kann er, der Horstl, mit der eigentlichen Sache anfangen, erklärt er.
Bertl, von den vielen Gerede seines Freundes schon halb konfus, will sich nicht mit seiner Unwissenheit blamieren und nickt für alle Fälle zustimmend, alles verstanden.
Bertl entsinnt sich, schon öfters Anschleichen geübt zu haben, kennt diese Gehart auch aus Onkel Fritzens feiertäglich erzählten Indianergeschichten.
Grieslhorste nickt jetzt seinen neuen Gehilfen ermutigend zu. Der neue, soeben ernannte Schweinlschneidergehilfe, der Bertl, schleicht gehorsamst durch die ganze Buchte.
Schritt für Schritt nähert er sich einer der vierzehn Ferkeln in immer schärfer werdenden gebückter Körperhaltung. Welches er dabei fangen will, das weiß er noch nicht so richtig, schleicht aber für alle Fälle weiter.
Jetzt hat er schon einmal die ganze Buchte umrundet und schleicht noch immer weiter.
Dem Bertl tut schon das Genicke weh vom ständig hoch und runter gucken, weil doch der Buchtenboden nicht mehr ganz sauber ist.
Rund herum um den kleinen Schleicher in kurzen Hosen flitzen die Ferkel. Ihr lustiges Gekwieke und Gespringe hat den Anschein, als ob sie sich köstlich amüsieren.
Jetzt hält der Bertl in seiner anstrengenden echt indeanischen Fortbewegung an, guckt sich ein Viechl als Zielobjekt aus.
Ganz langsam geht er auf der Stelle in die Hocke und sehr vorsichtig, damit die Viechln vor ihm nicht erschrecken tun, runter auf alle Viere.
Bertl, jetzt in der Funktion eines Ferkeljägers, beginnt zu grunzen. Schrillhell kommt es aus seinem angespitzen Maule, hört sich bald so an, wie Winterbauers Dackl, dem Bello, wenn der vom Schäferhund aus seiner Hütte gejagt wird.
Schon hört die Rumlauferei der Ferkel auf. Fast alle drängeln sich in eine Ecke.
Wohl an die zehn rosarote Ferkelköpfe mit gespitzten Ohren, recken sich fluchtbereit dem neuen, höchst seltsam grunzenden Vierbeiner entgegen.
Aufmerksam verfolgen an die zwanzig Knopfaugen jede Bewegung des Fremdlings in weißen Sockln.
Auch Grieslhorste ist gespannt, was da kommen soll.
Bertl hockt immer noch vor den fluchtbereiten Ferkeln.
Da kommt ihm, dem Bertl,eine Idee: Auf einem sehr beeindruckenden bunten Bild hat er einmal einen Löwen mit ausgebreiteten Pfoten durch die Luft springen sehen.
Ja, so will er es auch tun. Ihm wird gleich leichter ums Herze. So, wie zu Hause der alte Kater seinen Mäusesprung mit den Hinterpfoten vorbereitet, dreht jetzt Bertl mit den Schuhspitzen im schon etwas angefeuchtetem Einstreustroh.
Sein Hinterteil gleicht einem Katzenbuckel, der dabei so richtig prall gespannte Hosenboden überragt fast drei Faust groß die ganze Schleichfigur. Fingerspitze für Fingerspitze preßt sich jetzt, wie vor dem Wettlauf, in den feuchten Startboden.
Mit all seinen Sinnen bereitet der Mutige sein Unternehmen vor.
Jetzt tief Luft geholt und - fast einem kleinen Löwen gleich, schnellt Bertl aus dem Stand heraus mit weit ausgebreiteten Händen und Beinen in der unglaublichen Höhe von dreißig Zentimeter rudernd in die f3rkelbesetzte Ecke dieser geräumigen Schweinebuchte, seinem Ziel entgegen.
Aber nicht weit genug. Erschreckt quiekend stürmen sofort die zehn rosaroten und schwarz gefleckten Vierbeiner vor dem fast anfliegendem Fremdling davon, machen Platz.
Platschend fällt Löwenbertl in den frischen Ferkelmist,daß es nur so durch die Gegend spritzt.
Der Grieslhorste kann nicht schnell genug beiseite hoppsen und kriegt eine saftige Ladung des dünnen Zeugs ab. Sein Gesichte sieht aus als ob von der Kinnspitze bis zum Wuschelkoppe alles voller Sommersprossen wäre, so richtig natürlich.
"Mußtä ä bissl ufpossn ond dann tustä schnällä springn, wenn's vorbeiflitzt", meinte der bespritzte Grieslhorst etwas knurrig und wischt sich das Gesichte mit dem rechten Ärmel sauber. Dabei kann er sich aber beim Anblick seines strohbeschmierten Freundes trotzdem nicht das Grinsen verkneifen.
Der Bertl will sein Mißgeschicke nicht gelten lassen. Erneut wirft er sich mit seiner ganzen Körpergröße auf ein vorbei flitzendes Wesen. Wieder das Ziel verfehlt, klaubt er hinterher energisch das feuchte Strohgemenge und was sonst noch an ihm klebt vom Hemde, Gesicht und Brille, will nicht aufgeben.
Von neuem wartet er auf eine gute Gelegenheit, paßt in seiner Ecke jetzt auf wie ein Schießhund. Doch die kleinen Schweinchen werden immer flinker, ihre Mama im Koben nebenan immer unruhiger.
Aber dann hat der Grieslhorste doch noch eins am Bein erwischt. Das kleine Viechl quieckt ganz jämmerlich.
"Brauchst keenä Angst hobn", übertönt laut der Schweineschneiderspezialist das allgemeine Spektakel in der Buchte.
"Kumm, nimm dos andre Pfotl", fordert Grieslhorste. Der Bertl krabbelt sich schnaufend aus dem Einstreu. Zögernd faßt er zu, nimmt das andere Pfotl von dem zappelnden schwarzweiß geflecklten Schweinl in beide Hände.
Die wütende Schweinemama rennt ganz gefährlich grunzend an der hölzernen Trennwand auf und ab.
Dem Bertl kriecht bei dem hin und her laufendem Gegrunze hinter seinem Rücken erst langsam und dann immer schneller eine kribbelnde Gänsehaut nach der anderen vom Kopf über den Rücken bis in den Hosenboden.
Grieslhorste, er hat nur eine Hand frei, holt sein neues Taschenmesser aus der Jacke, beißt mit den Schneidezähnen in den Klingenrücken, macht so das Messer auf.
Jetzt wird es ernst.
Die Sau stürmt wie verrückt gegen das Gestänge ihrer Buchte und beißt ganz damisch in die trennenden Holzstangen, hinter der die Ferkel sind. Das macht sie immer dann, wenn unser Ferkel zu quieken anfängt.
"Halt feste!" ruft in diesen Krawall hinein der Griesl Horste seinem Freund zu.
Er will gerade dort, wo beim Ferkel die Beine zusammen gewachsen sind, offensichtlich etwas abschneiden.
Der Bertl kann das nicht genau sehen, weil seine Brille, die ihm in der letzten Woche der Doktor "ai Daatschn" (in Tetschen) verpaßt hat, schon wieder in der Schweinestallwärme anläuft und das Ferkel immer mehr strampelt.
Mit zusammen gebissenen Zähnen hält er deshalb das zappelnde Schweinebein mit seinen Händen wie im Schraubstock fest. So feste, wie er nur kann.
Jetzt rutscht ihm seine Brille schon wieder. Sie hat noch nicht so richtig hinter den vor Aufregung schon ganz roten Ohrwaschln ihren festen Platz gefunden.
Durch das ständige hin und her vom ängstlich zappelnden Ferkel gleitet das Gestell langsam und unaufhaltsam auf der kleinen Nase weiter abwärts, rutscht und rutscht - fällt schließlich auf den Schweinestallboden in das feuchte Stroh. Bücken und aufheben ist nicht möglich,weil er sonst das verflixte Schweinebeenl los lassen müßte.
Der Bertl hält trotz Malheurs mit seiner Brille das ihm von seinen Freund übertragene Schweinebeenl fest und preßt seine Milchzähmne ganz arg aufeinander. Von der Gusche bleibt nur noch ein ganz schmaler Strich übrig.
Die Sau von Bäimsannemarie ihrem Papa wird inzwischen immer wilder in ihrer Buchte. Unser Übungsferkel quiekt schon ganz heiser.
Der Grieslhorste ist jetzt soweit. Er will mit der Taschenmesserspitze also genau dort, wo am Bauchende die Hinterbeine zusammen kommen, mit seinem Vorhaben beginnen.
Dabei beguckt er nochmal das zappelnde Ding von allen Seiten. Energisch fuchtelt gleichzeitig seine Messerfaust wild durch die Luft. Jetzt pieckt er mit der Messerspitze zu.
Das Opfer wehrt sich lautstark und die Sau von Bäimsannemaries Papa wird immer wilder, rennt wie eine Besengte in ihrer abgesperrten Buchte herum.
"Halt feste, damit ich mich konzentrieren kann", ruft in diesen Klamauk der Horste in Hochdaitsch seinem Freund energisch zu.
Der Bertl kann in der Aufregung das Geschehene nicht so richtig verfolgen, weil er immer noch angestrengt nach seiner runter gefallenen Brille gucken tut.
Doch beim zweiten Piekser quiekt das kleine, von beiden Spezialisten fest gehaltene Schweinl ganz jämmerlich und strampelt ohne damit auf zu hören.
Erschrocken von dem so plötzlich lautem Gequieke und der Kraft des Ferkels läßt Bertl, der Schweineschneidergehilfe, nun doch seinen Anteil am zappelnden Schweinl los, den genau in diesem Augenblick sieht er im feuchten Stroh endlich seine Brille und bückt sich schnell danach.
Er will auf keinem Fall ohne seine Brille nach Hause kommen.
Schon halb befreit zappelt das Schweinl jetzt noch mehr. Grieslhorste kommt in Schwierigkeiten mit Messerspitze und Schweinebein.
Noch lauter wird da das Geschreie vom zappelndem Ding in seiner Todesangst.
Die Schweinemama stürmt wie wild in ihrer Buchte gegen das nun schon lockere Gestänge aus Holz. Jetzt beißt sie sich daran feste, will die Stangen abreißen.
Plötzlich läßt sie davon ab, stellt sich auf die Hinterbeine und setzt zum Sprung über das Gestänge am.
Inzwischen sucht Bertls Mama, Löslschneiderserna, vom Tratschen aus der Saachnscmeede kommend, ihren lieben Sohn.
Sie fragt Bäimsannemarie, ob sie den Bertl wohl gesehen habe. "Joo", meint diese. "Die tun ai 'n Stolle schweinlschneidn".
"Jessesmaria!!" Entsetzt sich Mama Erna, die ja auch das Gequieke aus dem Stalle hört.
"Daa is wu daamsch da Jungä", ruft sie furchtbar aufgeregt. "Nischt wie Dummheetn ain Koppe, der Bengel".
Bäimsmarie, die wegen dem Schweinegequieke besorgt aus der Küche zu der Hoftüre geeilt ist, meint energisch: "Na, dann wulln mou glei guckn, wos die Lausebengel im Stolle treibn".
Dort erstarren sie fast zu Salzsäulen: Mit schaumbedeckter Rüsselschnauze zeigt sich die aufgebrache Schweinemama den Spezialisten und will über das Gestänge.
Fast einem feuerspeiendem Drachen gleich stößt die besorgte Schweinemama dampfende Schwaden aus ihrem ganz gefährlich anzusehenden Rüsselgusche den so mutigen Spezialisten entgegen.
In der Ecke, gegenüber der drohenden Schweinemama hocken die Helden mit Taschenmesser und Schweinebeenl.
Immer noch hält Horste das zappelnde Schweinl fest, will der zornigen Schweinemama ganz scharf in die Pupillen gucken. Doch daraus wird nichts, obwohl seine Guggeln so groß wie böhmische Kronen sind.
Die drei Zentner schwere Fleischmasse setzt jetzt zum Sprung an.
Da läßt auch Grieslhorste das Beinl los, weil es ja zu seiner Mama will.
Wie auf Befehl klettern beide Spezialisten wieselflink über die Buchtenwand.
Grieselhorst und sein Freund rennen, als ob schon die wilde Sau hinter ihnen wäre, um Beiden den Hosenboden zu zerreißen.
Nur ein Gedanke beherrschte ihr Tun: Raus aus dem Stolle. Im Galopp ging es um die Buchte, vorbei an Bäimsmarie und Löslschneiderserna. Wie Springböcke sausten sie die Auffahrt runter, bei Kühnls rechts rauf und immer weiter. Ganz von selbst liefen die Beine vom Bertl, immer schneller.
Endlich, in Griesls Garten hinterm Hause hielten sie an. Am Birnbaum, neben dem Heuschober, da konnten sie sich Verpusten.
Laut schnappten beide nach Luft, erschöpft rutschen beide am Birnbaum runter.
Nach einer halben Stunde Pause finden sie ihre Sprache wieder. "Du stinkst", meint der Grieslhorste zu Bertl und zieht die Nase hoch.
Aber mit dem Mut der Verzweiflung und der überstandenen Gefahr, von so einer Wildsau gebissen zu werden, guckte der Bertl seinen Freund energisch in die Augen und sagte ganz betont: "Du owä ooch".
Dann fing das gegenseitige Beschuppern und Putzen mit Heu an. Beide fangen an zu grinsen, so, daß die Ohrwaschln Besuch kriegen. So zeigen sie ihre Freude, prusten los. Ganz laut.
So laut, daß Weichelbauers Hühner Reißaus und ließen die beiden alleine am Heuhaufen. Nur die Glucke ließ sich nicht vertreiben, blieb stur auf ihrem Eiernest sitzen.
Für heute sind sie zufrieden mit dem Erlebten. So ein Abenteur! Horste meint, das war echt gut! Bertl findet das nicht so, weil alle Beide, er und sein Freund, immer noch unangenehm und ganz ordinär nach Bäims Schweinestolle und Schweinemist stinken.
Mit Gras und Heu wird weiter gegenseitig geschrubbt, gewischt und geputzt und gerieben.
Almählich bedeckt beide Abenteurer eine trockene, hellbraune Farbe. Gegenseitig prüfen sie den noch anhafteten Geruch des anderen. Weiter schrubben heißt ihr Entschluß.
Erst abends, als es schon dunkel wird, wagt sich der junge Mann und Schweinlschneidergehilfe Bertl nach Hause. Was es da gab, wird nicht verraten. Das kann sich jeder Leser selbst ausmalen.
Oder doch?
Der Großvater Wilhelm, seine Tochter die Erna, was ja Bertls Mama ist, seine liebe Großmutter, zu der er immer nur "Muddl" sagte, alle wußten schon ganz genau und in jeder Einzelheit Bescheid, über den Nachmittag "ai Bäims Stolle".
....und Da hören meine Aufzeichnungen über den weiteren Verlauf auf, da ja sonst das Geschriebene noch länger wird.
Was dann so geschah, das möcht ich doch verschweigen.
Auch über die Runden um den großen Küchentisch in der guten Stube, wer wem erwischt hat, schweig ich mich aus.
Trotzdem, so was kann man nicht vergessen, deshalb hab ich es aufgeschrieben.
Es ist ja schon sooo lange her.
olebienkopp
Kommentare (5)
finchen
ich spreche noch mit Dir....es sei Dir verziehn, denn es waren "schlechte" Zeiten !! Und außerdem mußte was zu essen ran. Uns ging es ja nichts anders und haben auch gegessen was auf den Teller kam. Doch viel später verweigerte ich jeden Kaninchen-Braten, was mir den Ruf einer Mäklerin einbrachte. Bin trotzdem groß geworden - zumindest 168 cm, da hätte auch ein Karnickel nicht geholfen.
Mit lieben Gruß und ein Dankeschön
Dein Moni-Finchen
Mit lieben Gruß und ein Dankeschön
Dein Moni-Finchen
ehemaliges Mitglied
danke, für den sympi. habe die geschichte gelesen, gut und lebensecht beschrieben, mußte an vielen stellen lachen. warum? mein schwiegervater hat mir das schlachten von karnickel beigebracht! und das abziehen vom fell.
hatte mir mehere kaninchen angeschaft, und wurde auch von
einen bock angepi--t. ein zwei tage hielt es meine frau nicht aus, mußte auf dem Sofa nächtigen.
lieben gruß, in erwartung neuer geschichten.
helmut
hatte mir mehere kaninchen angeschaft, und wurde auch von
einen bock angepi--t. ein zwei tage hielt es meine frau nicht aus, mußte auf dem Sofa nächtigen.
lieben gruß, in erwartung neuer geschichten.
helmut
olebienkopp
Hallo Moni-Finchen...
...nun muß ioch wohl doch mit der Wahrheit rauß: Der Bertl, das bin ich selbst, ist mein zweiter Vorname, und dieses Erlebnis war ganz toll mit Nachwirkungen für mich, kanste glauben.
Hoffentlich sprichst und schreibst Du auch weiter mit den "Gehilfen" auf Zeit??
Man muß einfach selbst erlebt haben, auch beim Zahnarzt, um zu schreiben.
Viele Grüße aus Berlin von
olebienkopp
...nun muß ioch wohl doch mit der Wahrheit rauß: Der Bertl, das bin ich selbst, ist mein zweiter Vorname, und dieses Erlebnis war ganz toll mit Nachwirkungen für mich, kanste glauben.
Hoffentlich sprichst und schreibst Du auch weiter mit den "Gehilfen" auf Zeit??
Man muß einfach selbst erlebt haben, auch beim Zahnarzt, um zu schreiben.
Viele Grüße aus Berlin von
olebienkopp
finchen
daß Du nicht anwesend warst, bei dieser Schweinerei. Kein Wort würde ich mehr mit Dir wechseln.
Aber....eine toll geschriebene Geschichte, ich gratuliere dir.
Mit ganz lieben bleibenden Grüßen
Dein Moni-Finchen
Aber....eine toll geschriebene Geschichte, ich gratuliere dir.
Mit ganz lieben bleibenden Grüßen
Dein Moni-Finchen
So ist halt das Leben.
Grüße aus Berlin vom alten
olebienkopp