Die Geschichte einer Geschichte
Die Geschichte einer Geschichte
Heute moechte ich ein wenig ueber meinen Roman Mulkhavegla erzaehlen. Dieses Marathi Wort besteht aus zwei Teilen. Mulukh bedeutet Region, oder Bezirk, oder Heimat oder die eigene Gegend. Und das Teil Vegla bedeutet weg von. Das ist also die Geschichte eines Menschen , der weg von seiner Heimat ist, also ein Fremder ist.
Vor vielen Jahren schickte mir ein Bankier-Freund von mir , der die Abteilung fuer Stiftungen einer indischen Bank betreute, eine Anzahl von Dokumenten, die aus einem Schriftverkehr ueber ein Schweizer Bankkonto bestanden. Natuerlich weiss man, wofuer Schweizer Bankkonten bekannt sind. Ein in Deutschland lebender Inder verfuegte ueber ein Schweizer Bankkonto und jetzt wollte diese indische Bank dieses Geld aus der Schweiz fuer eine indische Stiftung zurueckgewinnen. Ich uebersetzte die Dokumente und habe die Einzelheiten schnellstens vergessen. Ein paar Jahre spaeter kam ein anderer Herr zu mir und wollte ein kleines deutsches Dokument ins Englische uebersetzen lassen. Es was das letzte Testament eines in Berlin ansaessigen Inders, der 1982 verstorben war. Das Testament war ein faszinierendes Dokument. Es war das Testament desselben Mannes mit dem Schweizer Bankkonto.
Ploetzlich hatte ich einen fantastischen ‘Rahmen’ fuer eine Geschichte. Der Mann kam naemlich aus einem kleinen Dorf aus meinem Distrikt in Indien. Er war ein Uhrmacher in Bombay, der 1932 von einem Deutschen fuer Ausbildung nach Deutschland mitgenommen wurde. Er lebte in Deutschland seit Ende 1932, erlebte den Aufstieg und den Niedergang des Dritten Reiches, nach dem Weltkrieg heiratete er eine Deutsche im Jahre 1948, lebte durch die Nachkriegszeit mit Muehe und Not, und nahm auch an dem Deutschen Wirtschaftswunder teil, und in der Zeit verdiente er selber ein Haufen Geld. Er war ein erfolgreicher Uhrmacher und Juwelier in Berlin. Von diesen Geldern kam ein gutes Anteil auf das Schweizer Bankkonto. Nach einigen Jahren ist seine Frau verstorben. Nach ihrem Tod hat er das grosse Geschaeft in Berlin zusammen mit seiner deutschen Assistentin erfolgreich gefuehrt. Das Ende kam dann 1982.
Das waren ungefaehr die Tatsachen, die man aus dem Testament herausnehmen konnte und dann das wichtigste, letzte Teil des Testaments. Mein erstes Problem war der Standort der Geschichte. Er hatte ja in Berlin gelebt, die ganzen Jahre hindurch. Aber ich kenne Berlin nur aus den Paar Besuchen. Das war nicht gut. Dann habe ich mich fuer Emden entschieden. Ich kenne Emden viel besser als manche Emder, wie man aus meinem Roman ‘The Works’ feststellen kann. Seine Laufbahn beginnt in Bremen. Bremen kenne ich ein wenig mit den vier Stadtmusikanten und mit dem Roland. Ausserdem landete man immer in Bremen, als man etliche Mal aus Indien kam.
Dann began die eigentliche Arbeit. Ich sollte das Leben in Indien um 1908-10 in seinem Dorf und in der Stadt Bombay in den dreissiger Jahren richtig darstellen. Dann Bremen und Deutschland ab 1932, durch den Krieg in Emden, die am meisten bombardierte Stadt Deutschlands. Dann die Uhrindustrie und den Alltag eines Uhrmachers und dann Emden selbst in den schicksalschweren Jahren, mit dem Bunkerbau. Emden hat ja ein Dutzend ueberirdische Bunker. Das schwierigste war der Alltag einer mit Krieg belasteten Kleinstadt. Zum Glueck fand ich etwas. Wissen Sie, was das war? Das Bunkermuseum in Emden hat drei Tagebuecher von Emderinnen aus jener Zeit gefunden. Also es wurde authentisch. Total authentisch. Ich habe drei mir unbekannten Emderinnen dies zu verdanken.
Und mein Held hatte zwei Frauen im Unterschied zu dem Gentleman. Eine erste, bei der er als Landarbeiter taetig sein musste. Und die andere kommt aus Dresden. Wieder mehrere Websites. Das wurde alles so genau dargestllt und geschildert, wie nur moeglich. Insgesamt 150 Websites habe ich besucht. Das Buch hat 276 Seiten. Es dauerte aber zwei-drei Jahre bis ich fertig war. Und dann kam es nicht schlecht an.
Und wissen Sie, was er in seinem Testament gesagt hat? Dieser Mann, der vor 50 Jahren die Heimat verlassen hatte.
Er teilt sein Vermoegen in zwei Teilen. Die Haelfte bekommt seine Assistentin im Geschaeft, und zwar mit der Bedingung, dass die andere Haelfte an die Stiftung geht, die er fuer sein Dorf in Indien schon gegruendet hatte. Ausserdem muss die Dame seinen Hund Maxi bis zu seinem Tode betreuen.
In meiner Gegend in Indien sagten die Leute, dass Du immer zu jener Stelle zurueckkommst, wo Dein Nabelschnur begraben worden ist. Und der letzte Satz meines Romans lautet:
Sein Nabelschnur wurde dort begraben.
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