der 17-te Juni 1953
ein Tag, der mich in eine andere Richtung brachte...............
Noch war ich 12 Jahre alt, die Mutti lag im Krankenhaus und Opa, der schon auf dem Friedhof lag, hätte heute Geburtstag.
Es war ein Mittwoch - wir waren Kartoffelkäfer "ernten" und irgendwie sah man Leute auf den Fahrrädern flitzen.
Eine Unruhe prägte die Luft. Wir durften früher nach Haue gehen - irgendwas lag in der Luft.
Ich flitzte nach Hause - schnitt für Opa's Grab ein paar weiße Lilien in meinem Garten ab, sagte meinem Stiefvater schnell Bescheid, daß ich zur Mutti fahre.
"Bleib hier"- rief er noch hinterher - doch ich hörte nicht.
Wie verrückt trat ich in die Pedalen, die Lilien hintendrauf und vor der Muldbrücke hielt ich an - voll abgebremst. Hier stimmt was nicht.
Ich hörte schon die Motorengeräusche - das kenne ich doch, das müssen Panzer sein?!
Und die Stadt schien nicht mehr zu atmen.
Aus dem Gebüsch schrie mich eine Stimme an: komm sofort hier runter - hierher- aber sofort- ich folgte und schliff mein Fahrrad mit den Lilien mit.
Nun erfuhr ich, was eigentlich geschehen ist....und die Panzer stehen auf der Zerbster Straße!
Dort wollte ich eigentlich hin, diesen Platz mußte ich queren - doch ich mußte über diese Brücke rüber.
Irgendwann fand sich Stille ein - die Männer am Mulderand sprachen: los jetzt!
Und wir rannten im Schutz des Brückengeländers zum anderen Ufer hin.
Ich schleppte mein Fahrrad am Vorderrad hinterher - doch wir sind in die Stadt gekommen.
Ich fuhr durch eine Gasse zum Rathaus hin - und dort standen sie - die Menschenmassen gegenüber den Panzern und den Mannschaftswagen.
Ich schlich um das Rathaus herum. Es fiel ein Schuß und ich in die nächste Nische hinein. Mein Fahrrad zog ich mit den Füßen langsam zu mir.
Das Geschrei und Gekreische hörte langsam auf und die Panzer fuhren langsam weiter. Es passierte nichts...........
Langsam lebte ich wieder und beschloß, von hier nach dort zu fahren, um zum Friedhof zu kommen. Ich kannte meine Stadt.
Irgendwann kam ich auf dem Friedhof an, meine weißen Lilien waren sehr ruiniert und ich entschuldigte mich bei Opa in seinem Grab.
Auf einem anderen Schleichweg kam ich im Krankenhaus an und Mutti sah an meinem Gesicht, daß irgendwas nicht in Ordnung war und ich mußte genau berichten, was mir widerfahren war.
Du, sprach sie, wenn sowas nochmal passiert - geh bitte nicht mehr aus dem Haus.
Traust du dich jetzt wieder nach Hause?
-Ja, ich mache das schon - du weißt doch, ich habe keine Angst.
Ja, das wußte sie und mit weichen Knien und zitternden Herzen fuhr ich die Strecke zurück.
Auf den Straßen war alles ruhig - die Panzer waren verschwunden - ich jagte durch die Stadt.
Erst als ich die Muldbrücke hinter mir hatte, sah ich auf die Böschung hin.
Kein Mensch war mehr da..................
Trotzdem fuhr ich, wie von Teufeln gejagt und zu Hause wurde ich mit offenen Armen empfangen.
Kind...wo warst du nur?
Das war mein 17.06.1953 - ein Tag in meinem Leben.......
mit lebendigen Grüßen
Euer Moni-Finchen
Noch war ich 12 Jahre alt, die Mutti lag im Krankenhaus und Opa, der schon auf dem Friedhof lag, hätte heute Geburtstag.
Es war ein Mittwoch - wir waren Kartoffelkäfer "ernten" und irgendwie sah man Leute auf den Fahrrädern flitzen.
Eine Unruhe prägte die Luft. Wir durften früher nach Haue gehen - irgendwas lag in der Luft.
Ich flitzte nach Hause - schnitt für Opa's Grab ein paar weiße Lilien in meinem Garten ab, sagte meinem Stiefvater schnell Bescheid, daß ich zur Mutti fahre.
"Bleib hier"- rief er noch hinterher - doch ich hörte nicht.
Wie verrückt trat ich in die Pedalen, die Lilien hintendrauf und vor der Muldbrücke hielt ich an - voll abgebremst. Hier stimmt was nicht.
Ich hörte schon die Motorengeräusche - das kenne ich doch, das müssen Panzer sein?!
Und die Stadt schien nicht mehr zu atmen.
Aus dem Gebüsch schrie mich eine Stimme an: komm sofort hier runter - hierher- aber sofort- ich folgte und schliff mein Fahrrad mit den Lilien mit.
Nun erfuhr ich, was eigentlich geschehen ist....und die Panzer stehen auf der Zerbster Straße!
Dort wollte ich eigentlich hin, diesen Platz mußte ich queren - doch ich mußte über diese Brücke rüber.
Irgendwann fand sich Stille ein - die Männer am Mulderand sprachen: los jetzt!
Und wir rannten im Schutz des Brückengeländers zum anderen Ufer hin.
Ich schleppte mein Fahrrad am Vorderrad hinterher - doch wir sind in die Stadt gekommen.
Ich fuhr durch eine Gasse zum Rathaus hin - und dort standen sie - die Menschenmassen gegenüber den Panzern und den Mannschaftswagen.
Ich schlich um das Rathaus herum. Es fiel ein Schuß und ich in die nächste Nische hinein. Mein Fahrrad zog ich mit den Füßen langsam zu mir.
Das Geschrei und Gekreische hörte langsam auf und die Panzer fuhren langsam weiter. Es passierte nichts...........
Langsam lebte ich wieder und beschloß, von hier nach dort zu fahren, um zum Friedhof zu kommen. Ich kannte meine Stadt.
Irgendwann kam ich auf dem Friedhof an, meine weißen Lilien waren sehr ruiniert und ich entschuldigte mich bei Opa in seinem Grab.
Auf einem anderen Schleichweg kam ich im Krankenhaus an und Mutti sah an meinem Gesicht, daß irgendwas nicht in Ordnung war und ich mußte genau berichten, was mir widerfahren war.
Du, sprach sie, wenn sowas nochmal passiert - geh bitte nicht mehr aus dem Haus.
Traust du dich jetzt wieder nach Hause?
-Ja, ich mache das schon - du weißt doch, ich habe keine Angst.
Ja, das wußte sie und mit weichen Knien und zitternden Herzen fuhr ich die Strecke zurück.
Auf den Straßen war alles ruhig - die Panzer waren verschwunden - ich jagte durch die Stadt.
Erst als ich die Muldbrücke hinter mir hatte, sah ich auf die Böschung hin.
Kein Mensch war mehr da..................
Trotzdem fuhr ich, wie von Teufeln gejagt und zu Hause wurde ich mit offenen Armen empfangen.
Kind...wo warst du nur?
Das war mein 17.06.1953 - ein Tag in meinem Leben.......
mit lebendigen Grüßen
Euer Moni-Finchen
Kommentare (4)
finchen
ja, so war das damals: Traute weiß es und Ingrid staunt.
Berichte in die westliche Welt wurden ja auch stark verfälscht bzw. unterdrückt. Was die Bevölkerung zu dieser Zeit erleiden mußte, war im Westen nicht bekannt. Ich lebte in zwei Welten - einmal Ost und einmal West.
mit ge-teilten Grüßen
Euer Moni-Finchen
Berichte in die westliche Welt wurden ja auch stark verfälscht bzw. unterdrückt. Was die Bevölkerung zu dieser Zeit erleiden mußte, war im Westen nicht bekannt. Ich lebte in zwei Welten - einmal Ost und einmal West.
mit ge-teilten Grüßen
Euer Moni-Finchen
indeed
Der 17. 6.53 ist für dich nicht nur ein geschichtlicher Eckstein, sondern auch ein ganz persönlicher in Bezug auf gemachte Erfahrungen. Ist ja noch einmal gut gegangen!
Also, soeben habe ich mit gezittert.
Alles Liebe für dich.
Ingrid
Also, soeben habe ich mit gezittert.
Alles Liebe für dich.
Ingrid
Traute
Das ist unsere Jugendzeit Teenzeit würde man heute sagen.
Die Kindheit waren Bomben und Kononendonner.
Die Erwachsenenzeit Aufbau des Zerstörten und heute sind wir für eine Menge Menschen die lästigen Alten.
Kopf hoch Finchenleinchen, was wir geschafft haben ist nicht zum schämen, auch wenn man uns im Alter das Brot nicht immer gerne reicht.
Hoffen wir, das der Jugend solche Erfahrungen erspart bleiben, dann hat sich unser Aufwand gelohnt.
Mit ganz er-innerlichen Grüßen,
Traute
Die Kindheit waren Bomben und Kononendonner.
Die Erwachsenenzeit Aufbau des Zerstörten und heute sind wir für eine Menge Menschen die lästigen Alten.
Kopf hoch Finchenleinchen, was wir geschafft haben ist nicht zum schämen, auch wenn man uns im Alter das Brot nicht immer gerne reicht.
Hoffen wir, das der Jugend solche Erfahrungen erspart bleiben, dann hat sich unser Aufwand gelohnt.
Mit ganz er-innerlichen Grüßen,
Traute
Aber wem hat dieser Tag sonst genutzt? Ich habe ja jetzt eine LG, die das östlich der Elbe erleben sollte – und obendrein, war der Vater bei der Volkspolizei im Ort. So, wie ich meinen Spatz davon erzählen höre, war da nicht allzu viel für eine Zwölfjährige begreifbar.
Ich wollte mich hinein fühlen in die Zeit da im Osten, wollte wissen, was an den verschiedenen Orten sich so tat, später noch hinter der Mauer. Ich kaufte mir entsprechende Literatur, die akribisch alles anzeigte, wie und wo es so zuging. Diese Revolution, die wenige starteten, die dann von Panzern abgedrückt wurde.
Prager Frühling: Uns Bundeswehr-Profis spendete das Ganze eine Dienstzeitverlängerung von einem Jahr – die einzigen die davon profitierten, waren Zeitsoldaten, die gerade zur Entlassung anstanden und so ein Jahr länger bleiben mussten (mit Profit!).
Und dann auch der 13.August: die scheinbare Ohnmacht in Ost und West. Das Dröhnen in Funk und Fernsehen. Der Westen trompetete, der Osten baute doch eine Mauer. Wie waren die Gefühle allgemein? Wie lebte man so „eingesperrt“?
Und dann die erneute Fluchtwelle aus dem Osten in den Westen – übertraf sie in ihrer Stärke die Welle von 1961?
Ich fragte, wollte hören, wie man „betroffen“ so damit lebte. Da war die Tochter von Spatz – sie war bei der „Interflug“ – nicht nach Hause gekommen. Tage später entdeckte Spatz Ungereimtheiten in der Wohnung, und dann kam die Aufklärung. Alles kurz bevor die Mauer fiel.
Gefühle und Sorgen, die wir Wessis uns nicht vorstellen konnten. Gefühle und Sorgen, die die Ost-Familie nicht kannte bzw. nicht zu haben brauchte … bis, ja bis die Wende ein neues Kapitel aufschlug.
Der Feiertag „17. Juni“ wurde eingestampft. Aber, weil es so schön ist, einen besonderen politischen Feiertag anzusetzen – haben wir doch keinen Kaiser mehr und auch nicht mehr „Führers Geburtstag“ und „Tag der Machtergreifung“, schon gar nicht den 9.Mai 1945 – so haben wir jetzt einen 3.Oktober, das ist eben nun mal so.