Das verschlossene Tor
Und er wagte nicht mehr offen
auf ein bißchen Glück zu hoffen.
(Erich Kästner)
Und dann fällt das Tor zu. Ein dumpf hallender, weithin durch die Nacht hörbarer Ton. Der Schlüssel wird im Schloss herumgedreht, einmal, zweimal. Dann das Rasseln einer Kette.
Er steht draußen. Vor dem Tor. Noch vor kurzem, ja eben noch, gehörte er dazu. Und nun, Sekundenbruchteile später ist das alles vorbei. Er kann es nicht fassen, er starrt auf das schwere Tor, das sich hinter ihm schloss.
Verzweifelt hämmert er mit seinen Fäusten gegen das harte Holz. Der Schmerz zwingt ihn, aufzuhören. In ihm breitet sich eine Leere aus, die eine ohnmächtige Wut nach sich zieht. Gestern hat er noch gelacht, mit den Anderen gescherzt, dumme Sprüche vom Stapel gelassen, fröhlich in die Welt geschaut.
Die Sorgen? Die betrafen ihn doch nicht. Das war draußen, das war vor der Tür. Hörte er denn das Weinen, das leise Wimmern nicht, dort draußen? Doch. Sicherlich. Aber warum sollte er sich darum kümmern, was konnte er da schon tun?
Er schlägt noch einige Male an das schwere, nietenbeschlagene Holz. Vergebens, niemand hört ihn; und wenn ihn jemand hört, dann nimmt er keine Notiz davon. Nichts von der Beschwingtheit klingt aus dem Gestern heraus. Möglich, dass es draußen nicht hörbar ist? Er steht ja draußen, außerhalb von all dem was bisher das Leben lebenswert machte. Schemenhafte Gestalten erzeugen ein Gefühl von Unsicherheit. Angst vor dem Unbestimmten macht sich breit.
Irgendwo dann ein hohles Lachen, Geräusche aus einer anderen Welt. Dann Stimmen, unverständliche Töne. Graue, diffuse Gestalten auf leisen Sohlen bedrängen ihn mit einem Netz aus wirren Gedanken.
Gedankenwelten mit genau dem gleichen Muster und denselben Interferenzen. Ratlosigkeit macht sich breit. Er schreit in das schemenhafte Etwas hinein, das ihn mit Daseinslosigkeit bestraft. »Ich bin doch hier! Ich stehe hier draußen und begehre Einlass! Ich möchte dazugehören, zur Freude, zur Helligkeit, zum inneren Kreis der Daseinsberechtigten.« Er schreit es in die Dunkelheit hinein, in diese laute Dunkelheit!
Dann plötzlich eine Antwort; ein hallender Ton einer riesenhaften Glocke, die Dunkelheit der Nacht wird mit einem zweigestrichenen ‚e‘ gefüllt.
Wenn die Wirklichkeit es nicht wert ist, wirklich zu sein, dann versinkt sie nur noch im grauen Schatten des Nichts! Was geschieht, wenn nichts mehr da ist, woran er sich halten kann, wenn alles, was früher richtig war, auf einmal falsch ist? Wenn alles, was er früher, gestern, vorgestern gesagt und getan hat, ein Irrtum gewesen ist – welch eine grausame Erkenntnis tut sich da auf!
Etwas ist geschehen. Etwas muss geschehen sein. Dort jenseits aller Tore. Ist es denn sicher, ob das, was heute gesagt wird, getan wird, unterlassen wird, nicht morgen schon falsch und überholt ist? Das »Alter Ego« will nicht zulassen, dass dies Farbenspiel der Vergangenheit noch einmal ablaufen wird. Die Glocke ist verklungen. Und es geht weiter, unablässig weiter.
»Pantha Rhei«, das wussten schon die alten Griechen, alles fließt eben. Jeder Moment im Leben ist eine Veränderung des Bestehenden. Gestern war jeder ein anderer als heute! Gestern stand er auf der anderen Seite des Tores. Es ist noch derselbe Mensch, aber es ist nicht mehr der gleiche Geist! Gestern gehörte er dazu. Heute aussortiert, ein Nichts. Schwer zu begreifen. Wirklich nicht zu verstehen? Dabei ist es einfach: Einer, der draußen steht, der vergessen hat, mit den Wölfen zu heulen ...
©by H.C.G.Lux
Er steht draußen. Vor dem Tor. Noch vor kurzem, ja eben noch, gehörte er dazu. Und nun, Sekundenbruchteile später ist das alles vorbei. Er kann es nicht fassen, er starrt auf das schwere Tor, das sich hinter ihm schloss.
Verzweifelt hämmert er mit seinen Fäusten gegen das harte Holz. Der Schmerz zwingt ihn, aufzuhören. In ihm breitet sich eine Leere aus, die eine ohnmächtige Wut nach sich zieht. Gestern hat er noch gelacht, mit den Anderen gescherzt, dumme Sprüche vom Stapel gelassen, fröhlich in die Welt geschaut.
Die Sorgen? Die betrafen ihn doch nicht. Das war draußen, das war vor der Tür. Hörte er denn das Weinen, das leise Wimmern nicht, dort draußen? Doch. Sicherlich. Aber warum sollte er sich darum kümmern, was konnte er da schon tun?
Er schlägt noch einige Male an das schwere, nietenbeschlagene Holz. Vergebens, niemand hört ihn; und wenn ihn jemand hört, dann nimmt er keine Notiz davon. Nichts von der Beschwingtheit klingt aus dem Gestern heraus. Möglich, dass es draußen nicht hörbar ist? Er steht ja draußen, außerhalb von all dem was bisher das Leben lebenswert machte. Schemenhafte Gestalten erzeugen ein Gefühl von Unsicherheit. Angst vor dem Unbestimmten macht sich breit.
Irgendwo dann ein hohles Lachen, Geräusche aus einer anderen Welt. Dann Stimmen, unverständliche Töne. Graue, diffuse Gestalten auf leisen Sohlen bedrängen ihn mit einem Netz aus wirren Gedanken.
Gedankenwelten mit genau dem gleichen Muster und denselben Interferenzen. Ratlosigkeit macht sich breit. Er schreit in das schemenhafte Etwas hinein, das ihn mit Daseinslosigkeit bestraft. »Ich bin doch hier! Ich stehe hier draußen und begehre Einlass! Ich möchte dazugehören, zur Freude, zur Helligkeit, zum inneren Kreis der Daseinsberechtigten.« Er schreit es in die Dunkelheit hinein, in diese laute Dunkelheit!
Dann plötzlich eine Antwort; ein hallender Ton einer riesenhaften Glocke, die Dunkelheit der Nacht wird mit einem zweigestrichenen ‚e‘ gefüllt.
Wenn die Wirklichkeit es nicht wert ist, wirklich zu sein, dann versinkt sie nur noch im grauen Schatten des Nichts! Was geschieht, wenn nichts mehr da ist, woran er sich halten kann, wenn alles, was früher richtig war, auf einmal falsch ist? Wenn alles, was er früher, gestern, vorgestern gesagt und getan hat, ein Irrtum gewesen ist – welch eine grausame Erkenntnis tut sich da auf!
Etwas ist geschehen. Etwas muss geschehen sein. Dort jenseits aller Tore. Ist es denn sicher, ob das, was heute gesagt wird, getan wird, unterlassen wird, nicht morgen schon falsch und überholt ist? Das »Alter Ego« will nicht zulassen, dass dies Farbenspiel der Vergangenheit noch einmal ablaufen wird. Die Glocke ist verklungen. Und es geht weiter, unablässig weiter.
»Pantha Rhei«, das wussten schon die alten Griechen, alles fließt eben. Jeder Moment im Leben ist eine Veränderung des Bestehenden. Gestern war jeder ein anderer als heute! Gestern stand er auf der anderen Seite des Tores. Es ist noch derselbe Mensch, aber es ist nicht mehr der gleiche Geist! Gestern gehörte er dazu. Heute aussortiert, ein Nichts. Schwer zu begreifen. Wirklich nicht zu verstehen? Dabei ist es einfach: Einer, der draußen steht, der vergessen hat, mit den Wölfen zu heulen ...
©by H.C.G.Lux
Täglich verliert sich der Glocke Klang,
ewig verloren im Universum,
doch beginnt ein erneuer Anfang,
ergründe dieses Mysterium!
....................
...sieht als ständig wiederkehrende Aufgabe
Syrdal