Das Suppengirl
Immer wenn sich das Starmannequin Melanie nach dem Duschen im Spiegel betrachtete war sie mit ihrer körperlichen Ausstattung sehr zufrieden. Komisch.
Nach dieser heiligen Handlung zog sie ihren schwarzen BH an und ging in den Garten, um sich an ihrem Salatbeet, das ein Gärtner Ende Frühjahr angelegt hatte, zu erfreuen. Befriedigt und im tiefsten Innern glücklich ging sie auf die Terrasse. Auf dem Tisch erwartete sie ihr winziges rotes Lacktäschchen von Gucci. Sie streichelte es und ging in die Küche, wo sie am Küchentisch ein Käsebrot aß.
Melanie durchdrang ein Gefühl tiefer Zufriedenheit. „Es ist wunderbar“, frohlockte sie, „in die besseren Kreise hineinzuheiraten, Endlich frei zu sein!“
Melanie war das Starmannequin der Frauenzeitschriften auf Hochglanzpapier. Groß- und goldlockig und volumenreiches Haar, feste und wohlgeformte Brüste hatte ihr die Natur geschenkt, sie war ein wahres Prachtstück von Schönheit. Auf die Frage eines Reporters, der eine Homestory über sie vorbereitete, nach ihrem Lebensmotto antwortete Melanie mit dem Ausruf „nackt ist geil!“ Dabei zog die Maid eine verführerische Schnute.
Melanie hatte Friedrich, einen Leitenden Ingenieur eines weltweit tätigen Baukonzerns, geheiratet. Friedrich war oft im Ausland tätig. Melanie vermisste ihn dann nicht allzu sehr, sie hatte ja noch ihren Job als Starmannequin.
Eines Tages, Friedrich war in Südamerika, erhielt Melanie den Anruf ihrer Freundin und Kollegin Manuela.
„Melanie, willst du mich heute Abend in das 'Künstlerhaus Palette' begleiten?“
„Manuela, ich kenne die 'Palette' nicht, was ist dort los?“
„Eine Aufführung der Performance 'Ursprung und Gesellschaft'.“
„Manuela, das interessiert mich eigentlich nicht. Ich glaube, ich muss dich enttäuschen.“
„Ach ja, die Performance interessiert mich auch nicht, Melanie, aber man kann mit Künstlern verkehren. Sehr interessante Männer.“
Melanie badete ausgiebig und verwendete viel Sorgfalt, um sich herzurichten. Als sie vor der Frage stand, was sie anziehen soll, entschied sie sich, ohne lange zu überlegen, für das Kleine Rote. „Das Richtige, um in Künstlerkreisen zu verkehren“, murmelte sie. Das Kleine Rote bestand hauptsächlich aus Dekolletee.
Manuela stellte Melanie ihren Tischnachbar vor. „Giuseppe.“
Schon bald merkte Melanie mit leichtem Kribbeln, dass sich Giuseppe weit mehr für ihr Dekolletee interessierte als für die dargebotene Performance 'Ursprung und Gesellschaft'. So stimmte sie sofort zu, als Giuseppe ihr vorschlug, in seinem Atelier noch einen Drink zu nehmen.
Kaum waren sie in der Einzimmerwohnung des Künstlers angekommen – die drei Farbdrucke an der Wand nahm Melanie kaum wahr – vergaß Giuseppe die Drinks. Melanie berichtete am nächsten Tag Manuela: „Wir küssten uns, zuerst ganz vorsichtig, dann aber überkam mich die Leidenschaft, die wiederum seine Leidenschaft anstachelte, und so stachelten wir uns gegenseitig in unserer Leidenschaft an, bis sie kaum mehr zu steigern war.“
Endlich die Freiheit der Kunst leben!
Erstmals kam ihr der Gedanke, sich von Friedrich zu trennen und die Freiheit, weg vom Hausfrauendasein zu leben. Giuseppe.
Als der Arzt kurz darauf Melanie bestätigte, dass sie mit Zwillingen schwanger war, fingen bei ihr die letzten Reste von Hirnkleister an, eine Alarmglocke zu läuten. Heftiger Groll wucherte gegen Friedrich. „So ein rücksichtsloser Kerl, hält sich nicht an die Vereinbarung, aufzupassen, um einen ganz ungezwungenen Beischlaf auszuüben.“ Als ihr bewusst wurde, dass mit den Kindern auch das Ende ihrer Karriere verbunden sein würde, verzweifelte sie fast.
Über ihr Verhältnis mit Giuseppe berichtete Melanie Manuela:
„Bei meinem letzten Besuch stellte ich mich auf die Zehenspitzen und gab ihm einen von Herzen kommenden Schmatz. Mitten ins Gesicht. Dann gestand ich Giuseppe meine Schwangerschaft. Er schaute mich kurz an und gab mir den Laufpass.“
Nun nahm Melanie ihre Situation, so wie sie war, zur Kenntnis. Der Schicksalsschlag traf sie in Mark und Bein. Melanie wurde von einem krankhaften Ess- und Brechreiz gequält. Sie ernährte sich jetzt fast nur noch von Tütensuppen und Gin. Sie magerte schnell ab. Ihre vormals sehenswerten Brüste erschlafften und schrumpften zu Hemdenknöpfen. Nun trug sie nicht mehr einen überflüssig gewordenen BH. Als Starmannequin von Hochglanzmagazinen war sie nicht mehr gefragt. Aus Mitleid gaben ihr Redakteure gelegentlich eine Nebenrolle in Magazinen wie 'Frau heute' und 'Der Goldene Stuss'.
Freiheit?!
(Persiflage nach Hera Lind, Das Superweib)
Kommentare (2)
Lasst ihr denn gar nichts mehr dran an der armen Melanie Manuela; man kann doch auch mit Verve die Rolle wechseln.
Da schreibe ich lieber nichts zu. Die Modelwelt oder besser die Welt der Modeschöpfer
ist so überflüssig, wie mir ein Kropf am Hals. Mögen diesen Bekloptten doch einer wachsen.
Ja, dieser Giuseppe, warum sollte er mit einer Frau in Verbindung bleiben, die von ihren Mann Zwillinge erwartet.
LG
Willy