Das Märchen vom Storch
Überlieferung von
Frau Ruth Baer,
Oberstudienrätin
Krefeld
Am 28.02.1925 geboren und am 20.07.1974 verstorben.
Wir haben sie geliebt.
Das Märchen vom Storch
Tret’ ich neulich im Dämmerschein
Ganz leis’ ins Kinderzimmer ein.
Hab schnell mir ein Lauschereckchen ausgewählt,
Wollt’ hören, was sich mein Pärchen erzählt.
Und wie ich stehe und wie horch,
da richtig - da kommt die Geschichte vom Storch.
„Mein Liesel“, spricht Hans mit viel Bedacht,
„Der Storch hat uns beide nicht gemacht,
der hat sich gar nicht um uns gequält,
Mama hat mir’s neulich selber erzählt.
Das mit dem Storch sind alles nur Sagen,
dass er uns in seinem Schnabel getragen.
Und dass er die Mutter ins Bein gebissen?
Na, davon müsste sie doch auch was wissen.
Und das wir vorher lagen im Teich,
‚s ist alles nicht wahr, ich dacht’s mir gleich.-
In Wirklichkeit ist es viel schöner, du,
da liegt so ein Kindlein ganz in Ruh’,
so lang es noch zart ist und winzig klein,
an Mutter’s Herzen, du, das ist fein.
Die Mutter muss das Kindlein hegen,
sie darf sich nur ganz sacht bewegen,
dass sie ihm keinen Schaden tut,
so lang’s an ihrem Herzen ruht.
Allmählich wird das Kindlein groß,
es macht sich von der Mutter los,
sie leidet dabei viele Schmerzen,
es löst sich ja von ihrem Herzen.
Doch schön ist’s, wenn das Kind erst da,
da freut sie sich und schenkt’s Papa.“
Liesel hat schweigend zugehört,
den großen Bruder nicht gestört;
Jetzt hebt sie zu ihm das kleine Gesicht
Und ernsthaft sie die Worte spricht:
„Eins kann ich dabei nicht verstehen,
warum muss das immer der Mutter gescheh’n?
Kann das Kind nicht Vater am Herzen liegen,
können Papas keine Kinder kriegen?“
„Ach nein“, spricht Hans, der kluge Mann,
„Das geht doch ganz und gar nicht an,
sie wären ja sicher dazu bereit,
haben aber zu wenig Zeit!“
„Und dann“, spricht Liesel, und sie lacht:
„Papas bewegen sich nicht so sacht,
ich sah es neulich selbst mit an;
sie springen von der elektrischen Bahn,
laufen hinterher oft ganze Strecken,
da würde das Kindlein sich schön erschrecken,
da ist’s doch besser bei Mama!
Oh, sieh mal Hans, da ist sie ja!“
Und beide hatten mich schon umschlungen,
rechts hab ich das Mädel und links den Jungen;
und als ich mich zu guter Letzt
zu ihnen ins Schlummereckchen gesetzt,
spricht Liesel mit strahlendem Augenpaar:
„Mutti, was Hans sagt, ist das wahr?
Als ich ganz klein gewesen bin,
war ich da bei dir im Herzen drin?“
Fest schmiegt sie sich in meinen Arm hinein,
„Mutti! Wie schön muss das gewesen sein!“
Frau Ruth Baer,
Oberstudienrätin
Krefeld
Am 28.02.1925 geboren und am 20.07.1974 verstorben.
Wir haben sie geliebt.
Das Märchen vom Storch
Tret’ ich neulich im Dämmerschein
Ganz leis’ ins Kinderzimmer ein.
Hab schnell mir ein Lauschereckchen ausgewählt,
Wollt’ hören, was sich mein Pärchen erzählt.
Und wie ich stehe und wie horch,
da richtig - da kommt die Geschichte vom Storch.
„Mein Liesel“, spricht Hans mit viel Bedacht,
„Der Storch hat uns beide nicht gemacht,
der hat sich gar nicht um uns gequält,
Mama hat mir’s neulich selber erzählt.
Das mit dem Storch sind alles nur Sagen,
dass er uns in seinem Schnabel getragen.
Und dass er die Mutter ins Bein gebissen?
Na, davon müsste sie doch auch was wissen.
Und das wir vorher lagen im Teich,
‚s ist alles nicht wahr, ich dacht’s mir gleich.-
In Wirklichkeit ist es viel schöner, du,
da liegt so ein Kindlein ganz in Ruh’,
so lang es noch zart ist und winzig klein,
an Mutter’s Herzen, du, das ist fein.
Die Mutter muss das Kindlein hegen,
sie darf sich nur ganz sacht bewegen,
dass sie ihm keinen Schaden tut,
so lang’s an ihrem Herzen ruht.
Allmählich wird das Kindlein groß,
es macht sich von der Mutter los,
sie leidet dabei viele Schmerzen,
es löst sich ja von ihrem Herzen.
Doch schön ist’s, wenn das Kind erst da,
da freut sie sich und schenkt’s Papa.“
Liesel hat schweigend zugehört,
den großen Bruder nicht gestört;
Jetzt hebt sie zu ihm das kleine Gesicht
Und ernsthaft sie die Worte spricht:
„Eins kann ich dabei nicht verstehen,
warum muss das immer der Mutter gescheh’n?
Kann das Kind nicht Vater am Herzen liegen,
können Papas keine Kinder kriegen?“
„Ach nein“, spricht Hans, der kluge Mann,
„Das geht doch ganz und gar nicht an,
sie wären ja sicher dazu bereit,
haben aber zu wenig Zeit!“
„Und dann“, spricht Liesel, und sie lacht:
„Papas bewegen sich nicht so sacht,
ich sah es neulich selbst mit an;
sie springen von der elektrischen Bahn,
laufen hinterher oft ganze Strecken,
da würde das Kindlein sich schön erschrecken,
da ist’s doch besser bei Mama!
Oh, sieh mal Hans, da ist sie ja!“
Und beide hatten mich schon umschlungen,
rechts hab ich das Mädel und links den Jungen;
und als ich mich zu guter Letzt
zu ihnen ins Schlummereckchen gesetzt,
spricht Liesel mit strahlendem Augenpaar:
„Mutti, was Hans sagt, ist das wahr?
Als ich ganz klein gewesen bin,
war ich da bei dir im Herzen drin?“
Fest schmiegt sie sich in meinen Arm hinein,
„Mutti! Wie schön muss das gewesen sein!“
im Tierpark auf einen Storch und erzählte das alte Märchen.Da sagte der Kleine ganz laut:"Soll ich Euch mal aufklären?" Ringsum Gelächter!
Unserem Sohn - einige Jahre später - bin ich natürlich nicht mehr mit dem Storch gekommen.