Aus meinem Buch "Wer nicht fährt, der fliegt"
Zum ersten Mal flogen wir mit einem nur sehr schwach ausgebuchten Flugzeug, weshalb es noch viele freie Plätze gab. Da es ein Nachtflug war, und wir aus dem Fenster ohnehin nichts sehen konnten, nahmen wir das Angebot der Stewardessen an, uns in verschiedenen Reihen auf den drei miteinander verbundenen Sitzen hinzulegen. Dazu bekamen wir eine Decke und das Licht wurde gedimmt, sodass wir es recht gemütlich hatten, während wir quer über Afrika flogen.
Meine Hoffnung, dass dieser Flug ruhiger verlaufen würde, da es nicht über den Atlantik ging, wurde enttäuscht, denn mitten über Afrika gab es heftige Turbulenzen und die Anschnallzeichen wurden eingeschaltet. So versuchte ich mich im Liegen anzuschnallen, was mir aber nicht gelang. Deshalb wollte ich zu meiner Frau gehen und sie wecken, damit auch sie nicht unangeschnallt bliebe. Einige Reihen weiter hinten sah ich nackte Beine und einen dunklen Haarschopf an den beiden Enden der Decke herausschauen. Liebevoll berührte ich einen Fuß und sagte zärtlich: „Hallo Schatz, wach mal auf.“ Als jedoch keine Reaktion erfolgte, begann ich eine der Waden zu streicheln, wobei ich ein ganz seltsames Gefühl hatte, denn solche stachligen Beine kannte ich an meiner Frau eigentlich nicht. Noch bevor ich meine Hand zurückziehen konnte, blickte ich in die erstaunten Augen eines jungen dunkelhaarigen Mannes. Schnell ging ich weiter, nachdem ich „Pardon“ gestammelt hatte. Einige Reihen später schaute ich genauer hin und erst als ich ganz sicher war, dass da meine Frau lag, streichelte ich ihre Beine.
Dieser Nachtflug hatte den Vorteil, dass wir schon vormittags am Ziel waren, wenn auch nicht wirklich ausgeschlafen. Obwohl wir bei diesem Flug den gesamten afrikanischen Kontinent von Norden nach Süden überquert und dabei zum ersten Mal den Äquator überflogen hatten, landeten wir nach elf Stunden wieder in der EU, und zwar an ihrem südlichsten und östlichsten Punkt. Deshalb gab es keine Einreiseformalitäten, sondern unsere Personalausweise reichten völlig aus, sodass wir schnell unseren Mietwagen bei Avis in Empfang nehmen konnten. Als eine schwarze Schönheit mit uns um das kleine Auto französischer Produktion herumging und das Übergabeprotokoll fertigte, hatte ich Probleme mich nicht auf sie, sondern auf das Auto zu konzentrieren. Ich konnte nur hoffen, dass sie wirklich alle Kratzer und Beulen im Übergabeprotokoll notiert hatte, denn ich sah keine.
Nach kurzer Zeit fuhren wir in Richtung unseres Hotels in Saint-Gilles. Die Fahrt sollte nur etwa 45 Minuten dauern und war laut Beschreibung nicht kompliziert. Das Auto fuhr sich gut und ich hatte keine Probleme, mich darauf einzustellen – ja, ich dachte fast, ich säße in meinem eigenen Auto, so glichen sich alle Bedienelemente. Dass dies ein Trugschluss war, bemerkte ich erst, als wir plötzlich in einen Tunnel fuhren, der nicht beleuchtet war. Vergeblich suchte ich den Lichtschalter an der Stelle, wo er bei meinem Mitsubishi war. Da es um uns herum sehr schnell dunkel wurde, hatte ich keine Chance den Lichtschalter zu finden. Oft ist es ja so, dass man bei der Einfahrt schon das berühmte Licht am Ende des Tunnels sieht. Das klappte in diesem Fall auch nicht, da der Tunnel nicht geradlinig verlief, sondern eine Kurve machte. Meine einzige Rettung war, die ganze Zeit die Lichthupe zu betätigen, damit ich nicht gegen die Tunnelwand lenkte. Ich fuhr langsam und hoffte nur, dass ein hinter mir fahrendes Fahrzeug meine Reflektoren sehen und nicht auffahren würde. Endlich waren wir aus dem Tunnel heraus und ich nahm mir vor, künftig bei jedem für mich neuen Auto immer als Erstes nach dem Lichtschalter zu suchen. In diesem Fall handelte es sich um einen Kippschalter am Armaturenbrett. Er war nicht mit dem Blinklichtschalter gekoppelt, wie ich es kannte.
Unser Hotel hieß Les Filaos und sah von außen recht gut aus. An der Rezeption wurden wir freundlich von einer jungen blonden Frau empfangen, die sogar englisch sprach und uns gleich erzählte, dass sie aus Paris stamme.
Während der Anmeldeprozedur erschien eine etwas ältere dunkelhaarige Frau in der Lobby und wurde als „Nathalie, la femme de chambre“ vorgestellt. Sie war sehr freundlich, gab uns die Hand und fragte, ob wir an diesem Morgen aus Paris angekommen wären. Als wir das bejahten, erzählte sie, dass wir dann im selben Flugzeug wie ihr Sohn gekommen wären. Während wir sprachen, tauchte ein junger dunkelhaariger Mann auf, den sie als ihren Sohn vorstellte. Zu meinem Schrecken erkannte ich genau den jungen Mann wieder, dem ich in der letzten Nacht so zärtlich sein Bein gestreichelt hatte. Ich hätte vor Scham in den Erdboden sinken wollen und hatte das Gefühl knallrot zu werden.
Mit dem Aufzug ging es in den zweiten Stock. Dort schlossen wir unser Zimmer auf und traten ein. Als wir jedoch die Tür von innen schließen wollten, sprang sie immer wieder auf, weshalb wir sie zuschlossen. Die Zimmereinrichtung entsprach dem Drei-Sterne-Niveau des Hotels und war für uns ausreichend. Lediglich die Töpfe waren inakzeptabel, denn sie waren dermaßen verbeult, dass man damit auf dem Elektroherd nicht kochen konnte. Wir hatten zwar nicht die Absicht, jeden Tag ein Menü zuzubereiten, aber wenigstens Kaffeewasser sollte sich kochen lassen.
Durch eine große Glastür gelangte man auf einen Balkon, auf dem wir uns sicherlich oft aufhalten würden. Gegenüber war ein Supermarkt, was die Frühstücksversorgung erleichtern würde und auf der Straße, die am Hotel vorbeiführte, war mäßiger Verkehr, der uns vorerst nicht störte, außer den Mofas, die ab und zu lautstark vorbeiknatterten.
Wir packten unsere Koffer aus und als wir danach das Zimmer verlassen wollten, sahen wir das Zimmermädchen auf dem Gang. Ich ergriff die Gelegenheit beim Schopfe und sagte: „Pardon Madame, les casseroles sont … .“ Dabei zeigte ich ihr die verbeulten Töpfe, denn was „verbeult“ auf Französisch heißt, wusste ich nicht. Sie begriff sofort, schloss das Nachbarzimmer auf und tauschte unsere Töpfe gegen die wesentlich besseren von dort aus.
Nach dem Verlassen des Hotels schlenderten wir durch eine Fußgängerzone unter Flammenbäumen in Richtung Meer. Unterwegs kamen wir an einem Restaurant vorbei und da es schon Mittag war, setzten wir uns und studierten die Speisekarte. Wir essen gern Fisch und den fanden wir auch auf der Karte, aber es stand dort ausschließlich „Pêche du Jour“ und ich wollte gern wissen, welcher Fisch das denn sei. Ich muss mich wohl sehr unklar ausgedrückt haben, denn die Wirtin schaute verzweifelt, um dann einen anderen Gast etwas zu fragen, das ich nicht verstand. Er sagte nur ein Wort und das war „Fish“. Wir bestellten daraufhin lieber Entrecôte und obwohl ich „bien cuit“ hinzufügte, war das Fleisch nachher ziemlich blutig und zäh.
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