Apokryph-isches
Prolog
Als Gott, Adam und Eva erschaffen hatte, segnete er sie und sprach: „Seid fruchtbar und mehret euch und füllet die Erde und macht sie euch untertan und herrschet über die Fische im Wasser und über die Vögel unter dem Himmel und über alles Getier, dass auf Erden kriecht.“
Wir glaubten, den Herrn beim Wort nehmen zu müssen und begannen allmählich, sämtliche Tierarten auszurotten, ganze Wälder abzuholzen, jegliches Stückchen Wiese mit Beton vollzukleistern und vergifteten schließlich die Gewässer und den Himmel über uns.
Ganz sicher haben wir Gott missverstanden, dass wir die von ihm geschaffene Welt systematisch zerstören, das kann doch kaum sein Wunsch gewesen sein.
Nur – wir Menschen – wozu taugen wir sonst? Wir haben keine echte Funktion – uns brauchen weder Fauna noch Flora, sie genügen sich selbst. Sie benötigen weder unseren Schutz noch unsere Hilfe und sprechen wir von Erhaltung und Pflege der Umwelt, meinen wir die kläglichen Versuche, begangene Untaten wieder gutmachen zu wollen. So gelingt es uns in der Tat, manchmal ein kleines Loch zu stopfen, während ein paar Schritte weiter neue und größere aufgerissen werden.
Vielleicht sitzt der Herr auf seinem Wolkenthron, schaut auf uns und unser sündiges Treiben herab und murmelt in seinen Rauschebart; „Weniger wäre vielleicht mehr gewesen?"
Es geschieht
Als die Meeresspiegel überraschend schnell anfingen zu steigen; Wissenschaftler und eine Menge von Scharlatane in den Medienprognosen darüber abgaben, was da wann wieso geschehen könne, müsse oder würde, ging der große Landraubboom los.
Spekulanten krallten große Gebiete in höher gelegenen Lagen, verkauften sie mit hohem Gewinn und, wie Schlaumayer „Marx“ und andere vorausgesagt hatten, ging die Gier nach Maximalprofit wieder einmal über Leichen.
Bestechung, Schiebung, Erpressung und im immer größeren Maße – Mord – waren dazu die Mittel. Die Staatsmacht, Armee und Polizei waren längst so korrumpiert, dass sie auf der Seite der Täter standen.
Von den Regierungen schon lange vorher ausgearbeitete Evakuierungspläne wurden torpediert, trugen der neu entstandenen Situation nicht Rechnung; waren Makulatur.
Erste Vorboten der kommenden Katastrophe waren Wirbelstürme, die wie Blitze aus heiterem Himmel ganze Landstriche verwüsteten. Erd- und Seebeben – von niemandem vorausgesehen – richteten überall entsetzliche Schäden an. Vulkane spuckte Aschewolken in den Himmel, begruben beim Niederfall ganze Ortschaften und die Lavaströme verbrannten Felder, Vieh und Menschen. In allen Ländern kam nach und nach die Infrastruktur zum völligen Erliegen. Geschäfte wurden geplündert und wie immer in großer Not dachte jeder nur noch an sich. Priester riefen zur Buße und Vernunft auf, viele mögen in ihrer Not zu Gott gefunden haben, aber es ist möglich, dass ebenso viele sich von ihm abwandten.
Als dann die Wasser kamen, die Küstenstädte überall in den Wellen versanken, wie einst das sagenhafte Atlantis, brach das Chaos herein und nichts zählte mehr außer brachialer Gewalt. Jeder wollte sich und seine Familie in Sicherheit bringen und die Flüchtlinge mussten sich mit Gewalt ein Fleckchen Bleibe erstreiten, was ihnen in den seltensten Fällen gelang.
Wie früher die Landsknechte fuhren und zogen Soldatentrupps, denen schon lange keiner mehr Befehle erteilte, plündernd und mordend durch das Land. Im Gefolge ein Tross Frauen und Kinder, die der Soldateska nacheiferten.
Wer Glück hatte, konnte mit den Trupps einig werden, sie integrieren und genoss so wenigstens Schutz vor anderen marodierenden Banden. Einige besonders begehrte Landstriche wurden regelrecht umkämpft und es wurde alles an Waffen eingesetzt, solange die Munition und der Treibstoff langten. Was dem Sieger dann in die Hände fiel, war meist nichts als verbrannte Erde, die Jahre brauchte, um wieder fruchtbarer Acker zu werden.
Die Menschen hungerten, waren bereit, wegen einer Handvoll Mehl die Nachbarn totzuschlagen. Ruhr, Cholera, andere Infektionskrankheiten ließen nebst der radioaktiven Umweltverschmutzung die Bevölkerung wie Fliegen sterben. Alle aasfressenden Tiere hatten eine gute, fette Zeit, vermehrten sich und Schwärme von Rabenvögeln lagen wie eine Gewitterwolke über den wenigen, noch im Halm stehenden Feldern. Als man glaubte, endlich etwas aufatmen zu können, holte die von den Menschen so geschundene Erde zum letzten großen Schlag aus.
Was dann weiter geschah, ist Inhalt einer anderen Geschichte, die niederzuschreiben ich vielleicht keine Zeit mehr habe.
Kommentare (7)
Lieber Willy,
ein gruseliges Szenario, in dem der Mensch, als wohl größter Parasit dieses Erdball`s seiner Strafe nicht entgehen kann. Dramatisch und gut beschrieben!
(Hoffe aber, dass dabei die armen, leidenden und barmherzigen Menschen verschont bleiben)
Gruß
Rosi65
@Rosi65
Ich bin fest davon überzeugt, dass unsere Nachkommen unsere Fehler begradigen können und sich umsichtiger verhalten als wir es eben tun.
Meine Mini- eine auf die Spitze getriebene Fantasie. mit einer Spur Realismus.
Ich schreibe Geschichten und bin kein Historiker …
LG
Willy
Das ist ja furchtbar, lieber Willy, wie du uns da die Apokalypse vorführst. Muss das sein? Deine neueste Redewendung „Weniger wäre vielleicht mehr gewesen?", hättest du das nicht anlegen sollen?
@Manfred36
Ihr verlangt von einem KG- Schreiber, dass er die Dinge so beschreibt, wie ihr sie sehen, haben möchtet.
Es ist hier im Forum, wo mehr Lyrik als Prosa gefragt ist, übrigens sehr schwer, mit dem was man schreibt, verstanden zu werden. Das mag am Schreiber liegen oder eben an den Vorstellungen, die Leser manchmal haben. Ihr gutes Recht und ich habe eben meine Sichtweise auf die Dinge.
LG
Willy
Ja, das ist ein mögliches Szenario.
Dass es so wie bisher nicht weitergehen kann,
ist offensichtlich.
Es muss eine Wende geben,
und sie wird mehr als schmerzhaft sein.