Angst um Oma
Manchmal bin ich allerdings an meine Grenzen geraten, vorallem hatte er einen anderen Rhythmus als ich. Da er keine Lehrstelle hatte machte er die Nacht zum Tag, manchmal kam er erst gegen Morgen nach Hause. Ich machte mir Sorgen, aber ich vertraute ihm auch. Wenn ich gegen 14 Uhr von der Arbeit kam lag er meistens noch im Bett. Er stand dann sofort auf, machte uns ein Frühstück, sein Erstes und mein Zweites. Dann besprachen wir den Tag, es war mühsam, ihm Struktur zu geben. Es gab große Probleme mit dem Stiefvater, er setzte ihn vor die Tür und er kam erst einmal in einer Jugend-WG unter. Wir hatten in dieser Zeit viel Kontakt und ich spürte immer mehr, wie er abrutscht und sich in Kreisen bewegte, die ihm nicht gut taten. Darum entschloss ich mich in Absprache mit dem Jugendamt und dem Einverständnis der Mutter, ihn zu mir zu nehmen. Er war als kleines Kind oft bei mir und so hatten wir viele gemeinsame Erinnerungen, die uns über manche Krise hinweg halfen.
Wir hatten eine feste Absprache, dass in meiner Wohnung nicht gekifft werden darf, kein Alkohol und er seine Musik über Kopfhörer hörte. Ich habe ihn in alle Dinge des Haushalts mit einbezogen, auch in den Umgang mit Geld. Eines Tages kam ich um 13 Uhr von der Arbeit, ich roch es schon im Flur, da saß er im Wohnzimmer und rauchte einen Joint. Erschrocken machte er sofort aus und meinte, er hätte noch nicht mit mir gerechnet.
Bleib' ruhig, dachte ich und machte uns erst einmal einen Kaffee. Ich setzte mich zu ihm und meinte, ich hätte noch nie so etwas geraucht und verstehe darum nicht, was er so toll daran findet. Er solle uns Beiden mal einen Joint drehen, ich möchte wissen, wie das ist, schließlich bin ich 70 Jahre und das ist eine Erfahrung, die mir fehlt.
Mit seiner Reaktion hatte ich nicht gerechnet, ich tat es intuitiv. Er starrte mich an, fassungslos, dann kamen die ersten Tränen.... Ich fragte, was ihn so aus der Bahn wirft, es gibt kaum Jugendliche, die mal mit Oma gekifft haben! Er schwieg eine Weile, dann nahm er mich in den Arm. "Nein Oma, ich will das nicht, ich möchte dich nicht verführen und wenn du abhängig wirst in deinem Alter, dann bin ich schuld. Ich hab dich so lieb, aber das darf nicht passieren." Ich nahm ihn in den Arm und es tat mir weh, zu fühlen, wieviel Schmerz in ihm war.
Ich lächelte, mein Gedankengang war genau richtig, so zu reagieren. Nie wieder hat er in meiner Wohnung gekifft und das Thema auch nicht mehr erwähnt. Erst letzte Woche hat er mir diese Episode nochmal erzählt.
Wir haben eine innige Beziehung und er ist immer für mich da, wenn ich mal Hilfe brauche. Er lebt heute mit seiner Freundin zusammen in einer kleinen Wohnung in meiner Nähe und er besucht mich oft.
Kommentare (4)
Irgendwie war Deine Reaktion ja riskant. Du konntest ja nicht ahnen, wie er reagieren würde. Und dann das! Einfach toll.
Und wenn er heute über diese Episode frei reden kann und Dich so lieb hat, konnte und kann nichts Besseres passieren.
So danke ich Dir wieder, diese Geschichte hier erzählt zu haben und wünsche Dir weiterhin diesen guten Kontakt und ebenso eine besinnliche Adventszeit.
Andrea
Ich schließe mich den Worten von Ladybird an. Es ist darin alles gesagt.
Toll reagiert.
Einen schönen zweiten Advent wünsche ich dir und sei herzlich gegrüßt.
indeed
Liebe Malina,
Deine wahre Geschichte über das Zusammenleben mit Deinem Enkel ist sehr berührend.....sie läßt mich eine tiefe, echte LIEBE erkennen....nur mit Deiner Liebe konnte Dein Enkel auf der rechten Bahn bleiben, wie die positive Entwicklung zeigt.
Dazu ist Euch beiden zu gratulieren......
lieben Dank fürs Teilen dieses "Erfolges"
herzlichen Adventgruß aus Köln
von ladybird-Renate
Was Liebe vermag - davon erzählt Deine Geschichte.
Sie hat mich berührt.
Alles Gute
Seija