Als die Mauer fiel
Premiere - heute nun schreibe ich meinen ersten Blog.
Ich gehöre zu den Kindern des Landes, die bis zum November 1989 in einer von einer Mauer umgebenen Stadt gelebt haben, was sich viele Menschen aus „Westdeutschland“, wie wir Berliner es nannten, nie hätten vorstellen können. Wir haben hier gelebt, vielleicht eingeengt, aber nicht eingesperrt, und wir waren trotzdem glücklich. Gleichzeitig habe ich beim Mauerfall aber auch eine zweite Stadt dazu bekommen sowie ein wundervolles Umland, das zu Ausflügen einlädt, die immer wieder Neues entdecken lassen. Früher ließ ich mir meinen frischen Spargel aus der Heide mitbringen. Es war ein erhebendes Gefühl, plötzlich den Spargel frisch vom Feld vor den Toren Berlins kaufen zu können.
Nicht täglich wurden wir mit der Tatsache konfrontiert, von einer Mauer umgeben zu sein. Wenn wir verreisen wollten, ich meine mit dem Auto, mussten wir uns aber endlosem Wartenschlangen unterwerfen, wobei ein mürrisch drein blickender VoPo (Volkspolizist) meistens in jedes Auto seinen Kopf steckte und fragte: „Funkgeräte oder Waffen?“ worauf die ganz Mutigen entgegneten: „Nö, braucht man die hier?“ (was natürlich nur lustiges Gerücht war, denn niemand hatte Lust auf DDR-Knast).
Wir sind zu jener Zeit, als sich die Mauer öffnete erstmal an die uns wichtigsten Punkte gefahren. Jedes Wochenende haben wir benutzt. Ich weiß es noch wie heute, welch glückliches Gefühl es war, in einer Tagestour einfach mal nach Rügen oder Warnemünde hochzurutschen. Endlich mal das Kloster Chorin, das man aus dem Heimatkundeunterricht kannte, mit seiner hervorragenden Akkustik bei einem der vielen klassischen Konzerte live zu erleben – nicht zu vergessen die Wartburg und natürlich der Spreewald. Ich könnte noch ellenlang weiter schwärmen .....
Zugegebenermaßen kenn ich mich noch heute nicht richtig aus in Ost-Berlin .... aber wozu habe ich ein Navi?
Bin sowieso lieber in der stillen Natur der Mark Brandenburg, in der Fontane schon von seinen wundervollen Wanderungen durch selbige berichtete. Eines seiner Gedichte und mein Lieblingslingsgedicht hänge ich jetzt einfach mal hier ran:
Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland,
Ein Birnbaum in seinem Garten stand,
Und kam die goldene Herbsteszeit
Und die Birnen leuchteten weit und breit,
Da stopfte, wenn's Mittag vom Turme scholl,
Der von Ribbeck sich beide Taschen voll,
Und kam in Pantinen ein Junge daher,
So rief er: »Junge, wiste 'ne Beer?«
Und kam ein Mädel, so rief er: »Lütt Dirn,
Kumm man röwer, ick hebb 'ne Birn.«
So ging es viel Jahre, bis lobesam
Der von Ribbeck auf Ribbeck zu sterben kam.
Er fühlte sein Ende. 's war Herbsteszeit,
Wieder lachten die Birnen weit und breit;
Da sagte von Ribbeck: »Ich scheide nun ab.
Legt mir eine Birne mit ins Grab.«
Und drei Tage drauf, aus dem Doppeldachhaus,
Trugen von Ribbeck sie hinaus,
Alle Bauern und Büdner mit Feiergesicht
Sangen »Jesus meine Zuversicht«,
Und die Kinder klagten, das Herze schwer:
»He is dod nu. Wer giwt uns nu 'ne Beer?«
So klagten die Kinder. Das war nicht recht -
Ach, sie kannten den alten Ribbeck schlecht;
Der neue freilich, der knausert und spart,
Hält Park und Birnbaum strenge verwahrt.
Aber der alte, vorahnend schon
Und voll Mißtraun gegen den eigenen Sohn,
Der wußte genau, was damals er tat,
Als um eine Birn' ins Grab er bat,
Und im dritten Jahr aus dem stillen Haus
Ein Birnbaumsprößling sproßt heraus.
Und die Jahre gingen wohl auf und ab,
Längst wölbt sich ein Birnbaum über dem Grab,
Und in der goldenen Herbsteszeit
Leuchtet's wieder weit und breit.
Und kommt ein Jung' übern Kirchhof her,
So flüstert's im Baume: »Wiste 'ne Beer?«
Und kommt ein Mädel, so flüstert's: »Lütt Dirn,
Kumm man röwer, ick gew' di 'ne Birn.«
So spendet Segen noch immer die Hand
Des von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland.
- Theodor Fontane -
Es grüßt aus der Hauptstadt und danke fürs Lesen
loretta
Ich gehöre zu den Kindern des Landes, die bis zum November 1989 in einer von einer Mauer umgebenen Stadt gelebt haben, was sich viele Menschen aus „Westdeutschland“, wie wir Berliner es nannten, nie hätten vorstellen können. Wir haben hier gelebt, vielleicht eingeengt, aber nicht eingesperrt, und wir waren trotzdem glücklich. Gleichzeitig habe ich beim Mauerfall aber auch eine zweite Stadt dazu bekommen sowie ein wundervolles Umland, das zu Ausflügen einlädt, die immer wieder Neues entdecken lassen. Früher ließ ich mir meinen frischen Spargel aus der Heide mitbringen. Es war ein erhebendes Gefühl, plötzlich den Spargel frisch vom Feld vor den Toren Berlins kaufen zu können.
Nicht täglich wurden wir mit der Tatsache konfrontiert, von einer Mauer umgeben zu sein. Wenn wir verreisen wollten, ich meine mit dem Auto, mussten wir uns aber endlosem Wartenschlangen unterwerfen, wobei ein mürrisch drein blickender VoPo (Volkspolizist) meistens in jedes Auto seinen Kopf steckte und fragte: „Funkgeräte oder Waffen?“ worauf die ganz Mutigen entgegneten: „Nö, braucht man die hier?“ (was natürlich nur lustiges Gerücht war, denn niemand hatte Lust auf DDR-Knast).
Wir sind zu jener Zeit, als sich die Mauer öffnete erstmal an die uns wichtigsten Punkte gefahren. Jedes Wochenende haben wir benutzt. Ich weiß es noch wie heute, welch glückliches Gefühl es war, in einer Tagestour einfach mal nach Rügen oder Warnemünde hochzurutschen. Endlich mal das Kloster Chorin, das man aus dem Heimatkundeunterricht kannte, mit seiner hervorragenden Akkustik bei einem der vielen klassischen Konzerte live zu erleben – nicht zu vergessen die Wartburg und natürlich der Spreewald. Ich könnte noch ellenlang weiter schwärmen .....
Zugegebenermaßen kenn ich mich noch heute nicht richtig aus in Ost-Berlin .... aber wozu habe ich ein Navi?
Bin sowieso lieber in der stillen Natur der Mark Brandenburg, in der Fontane schon von seinen wundervollen Wanderungen durch selbige berichtete. Eines seiner Gedichte und mein Lieblingslingsgedicht hänge ich jetzt einfach mal hier ran:
Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland,
Ein Birnbaum in seinem Garten stand,
Und kam die goldene Herbsteszeit
Und die Birnen leuchteten weit und breit,
Da stopfte, wenn's Mittag vom Turme scholl,
Der von Ribbeck sich beide Taschen voll,
Und kam in Pantinen ein Junge daher,
So rief er: »Junge, wiste 'ne Beer?«
Und kam ein Mädel, so rief er: »Lütt Dirn,
Kumm man röwer, ick hebb 'ne Birn.«
So ging es viel Jahre, bis lobesam
Der von Ribbeck auf Ribbeck zu sterben kam.
Er fühlte sein Ende. 's war Herbsteszeit,
Wieder lachten die Birnen weit und breit;
Da sagte von Ribbeck: »Ich scheide nun ab.
Legt mir eine Birne mit ins Grab.«
Und drei Tage drauf, aus dem Doppeldachhaus,
Trugen von Ribbeck sie hinaus,
Alle Bauern und Büdner mit Feiergesicht
Sangen »Jesus meine Zuversicht«,
Und die Kinder klagten, das Herze schwer:
»He is dod nu. Wer giwt uns nu 'ne Beer?«
So klagten die Kinder. Das war nicht recht -
Ach, sie kannten den alten Ribbeck schlecht;
Der neue freilich, der knausert und spart,
Hält Park und Birnbaum strenge verwahrt.
Aber der alte, vorahnend schon
Und voll Mißtraun gegen den eigenen Sohn,
Der wußte genau, was damals er tat,
Als um eine Birn' ins Grab er bat,
Und im dritten Jahr aus dem stillen Haus
Ein Birnbaumsprößling sproßt heraus.
Und die Jahre gingen wohl auf und ab,
Längst wölbt sich ein Birnbaum über dem Grab,
Und in der goldenen Herbsteszeit
Leuchtet's wieder weit und breit.
Und kommt ein Jung' übern Kirchhof her,
So flüstert's im Baume: »Wiste 'ne Beer?«
Und kommt ein Mädel, so flüstert's: »Lütt Dirn,
Kumm man röwer, ick gew' di 'ne Birn.«
So spendet Segen noch immer die Hand
Des von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland.
- Theodor Fontane -
Es grüßt aus der Hauptstadt und danke fürs Lesen
loretta
Kommentare (24)
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Ich war bei der "Chorvereinigung Jung Wien" und wir wurden im Jahre 1961 vom Berliner Bürgermeister Willi Brandt für ein Chorkonzert eingeladen und zwar war diese Aufführung in einem Schloß in Berlin (West - welches Schloß es war weiß ich leider nicht mehr) vorgesehen. Es war daher üblich, daß wir als Junge Sänger einzeln bei musikliebenden Gastfamilien eingeladen wurden, wo wir Verpflegung und Nachlager bekamen. Ich war bei einer netten Gastfamilie u.zw. bei zwei Damen die beide eine klassische Tanzausbildung hatten und mich extrem nett und freundlich empfangen haben, und wir plauderten bis spät abends sehr angeregt.
Als ich am nächsten Tag aufwachte und zum Frühstück herunterkam war alles ganz anders, ich wußte nicht was los war, die beiden Damen waren komplett aufgelöst und weinten bitterlich. Zuerst dachte ich es wäre jemand gestorben oder etwas anderes schreckliches passiert und dann erzählten sie mir schluchtzend, daß um Berlin in der Nacht eine Mauer gebaut wurde und sie ihre Familie nicht mehr sehen oder besuchen dürften - ich war zuerst erschrocken und dann mußte ich mit ihnen mitweinen.
Wir setzten dann unsere Gesangstournee fort, Berlin mit Willy Brandt und sehr sehr traurigen Besuchern, man konnte die Trauer im Publikum spüren. Wir hatten dann noch einen Berlinbesichtigung, soweit diese möglich war, Mittagessen am Kurfürstendamm. Die Tournee in Prag wurde abgesagt, nur eine Stadtbesichtigung mit Begleitpolizei wurde uns gestattet. Wir brachen unsere Tournee dann ab und fuhren wieder nach Hause. Dies war mein Erlebnis von Berlin und Prag das ich bis heute nicht vergessen kann.
Liebe Grüße aus Wieb sendet Saphira010
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Für mich ist jede Mauer, auch die kleinste eine Mauer, die uns beschrängt.
Kein Volk,keiner sollte hinter der Mauer stehen und schauen.
Als ich,das erste mal in Berlin war, und mit meiner Reisegruppe von Oben das erleuchtete West Berlin sah,voller Leben.Man spürte,das die Menschen dort anders leben.
Wir standen alle sehr still.Keiner sagte laut was er denkt.Jeder wußte doch,sie belauschten, und man wird dann beschränkt reisen können usw.
Ja,freilich war nicht alles schlecht.Aber egal was nicht schlecht war.
Das Glück der Menschen zu sehen wie die Mauer zertrümmert wurde,dieses wunderbares Gefühl,keine Teilung, ein Volk mit der selben Sprache und Kultur.Und bitte nicht mehr Ossis oder Wessis.Ein Deutschland.
Viele Grüße Tilli
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wir sind gleichaltrig - ich wurde vor 65 Jahren aus Berlin gegangen, Du hast in der Zwischenzeit Berlin für Dich erobert. Ich kann mein Wiederheimkehren seit Mai 2008 aktiv in einem 12-Wochenrhytmus immer für 3 Wochen Leben in Berlin üben. Bis ich endlich eine Wohnung gefunden habe: 2 1/2 Zimmer, ruhig Q3A in renovierter Platte, aber eben höchsten 1.OG, weil's keinen Aufzug gibt. Und bis dahin gehe/fahre/radele ich im Dütt durch Stadt und Land. Bin bereits Mitglied bei Feierabend.de in den RegioTreffs Berlin-Mitte und Potsdam. Bin auch Mitglied bei Abo65+, weil wir damit, immer, wenn ich "daheim" bin, Berlin und Mark Brandenburg erobern, ich der Wessie und sie die Ossie. und drei Wochen nach meiner Zeit in Berlin sehen wir uns drei Wochen lang bei den Wessies um, natürlich bis zum Umzug im westlichen Freistaat, der Preussen überhaupt nicht mag.
65 Jahre Abstinenz von Berlin, von meinem Geburtsort, sind wohl genug.
Berlin ist nicht nur eine Reise wert, Berlin ist Mittelpunkt.
ortwin
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Den Tierpark im Osten wollte ich mit einem italienischem Freund besuchen. Ich wollte damals in seinem Wagen mit ihm über den Checkpoint Charly in "die Hauptstadt der Deutschen Demokratischen Republik" einreisen. War ja nur für Ausländer eingerichtet. Ich wurde natürlich auf die Friedrichstraße verwiesen. Traurig ging ich zurück. Mein Freund wartete fast 3 Stunden im Osten auf mich. Durch Zufall begegneten wir uns auf der Friedrichstraße wieder. Gingen nur noch Essen und dann jeder über seinen Übergang wieder nach Westberlin, wo wir dann gemeinsam die Fahrt nach Lichterfelde starteten. Das war meine Erinnerung an den Tiergarten! lifong2007
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Warum meinst Du, mir "energisch widersprechen" zu müssen? Wir geben doch alle (davon gehe ich mal aus) hier unsere ureigensten Wahrnehmungen bekannt.
Meine Wahrnehmung des Zustandes der Stadt Berlin während der Teilung war eben die, dass da alles so schrecklich provinziell war. Dabei hatte ich aber nicht nur die Theater im Focus, sondern auch und eigentlich mehr das öffentliche Leben auf der Straße und in den öffentlichen Verkehrsmitteln. Und das war in diesen Zeiten nun wirklich nicht erhebend und vor allen Dingen nicht mit anderen Weltstädten und auch deutschen Großstädten wie etwa Frankfurt oder München zu dergleichen zu vergleichen. Alles spielte sich im klein/klein ab, Westberlin, die Insel im sozialistischen Umland, war alles andere als attraktiv. Und ich erinnere mich noch sehr gut daran, als ich trotz allem von Berlin (vor der Wende!) als einer tollen Stadt erzählte und ich zur Antwort bekam:"Was? Berlin? Nee, interessiert mich nicht! Da fahre ich doch lieber nach Braunschweig"
Berlin hatte damals keinen hohen Stellenwert, die Insellage, nur durch Transitautobahn oder per Flieger zu erreichen, bot nicht viel.
Das änderte sich fast schlagartig mit dem Fall der Mauer. Plötzlich war die Stadt von überall her wieder direkt zu erreichen und die Westberliner konnten wieder ungehindert ins Umland fahren, was ja auch in dem Beitrag von loretta sehr plastisch zum Ausdruck kommt. Vorbei war es mit der Laubenpieperruhe an der Mauer.
Heute, 20 Jahre nach dem Fall der Mauer, hat Berlin wieder den Platz inne, der ihm gebührt. Berlin hat inzwischen so manch anderen Hauptstadt in der Welt den Rang abgelaufen. Berlin ist toll, Berlin ist aufregend, Berlin ist rund um die Uhr geöffnet. Für mich ist Berlin so etwas wie meine zweite Heimat.
Ich habe Berlin wandernd erlebt. Im Urstromtal des Tegeler Fließ bei Lübars, ein wundervolles Naturschutzgebiet innerhalb der Stadtgrenze. Am Tegeler See, im Tegeler Forst, am Müggelsee, auf den Müggelbergen, im Grunewald, an der Seenkette von Grunewaldsee,Krumme Lanke bis Schlachtensee, und und und. Es ist ganz toll. Man steigt irgendwo aus der Bahn aus, geht ein paar Schritte......und ist im Wald, in der Natur. Und im Herbst des vergangenen Jahres habe ich es mir auch angetan, endlich mal den Funkturm, den "langen Lulatsch" zu besteigen, um mir die Stadt aus einer bisher noch nicht gekannten Perspektive anzuschauen.
Berlin ist internationaler geworden. Betrachtet man sich die Menschen, die z.B. zum Brandenburger Tor kommen, kann man Leute aus allen Ländern dieser Erde treffen. Und viele Firman, die der Stadt während der Teilung den Rücken gekehrt hatten, sind zurück gekommen und viele neue noch dazu. Berlin ist zum Scharnier zwischen West- und Osteuropa geworden.
Ach ja, ich könnte grad weiterschwärmen.
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Ich habe von 1964 - 1976 in Westberlin gelebt. Diese Jahre sind für mich unvergeßlich. Ich besuchte damals Berlin im April und am 1. August arbeitete ich bereits in dieser Stadt. Da gab es pulsierendes Leben, viel Kunst und viel Kultur. Ich lebte in Lichterfelde und arbeitete in der Schaperstraße 3 Minuten vom Kurfürstendamm entfernt. Da ich einen Westdeutschen Paß hatte, konnte ich auch Ostberlin besuchen. Ich ging dort gern in die Komische Oper, die durch Felsenstein geprägt war und somit einzigartig. Nein, ob Ost oder West, Provinzstädte sehen anders aus. Lifong2007
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Meine Tochter fing ca. 1979 ihre Ausbildung zur Krankenschwester an und hatte sich dazu das Martin Luther-Krankenhaus im damaligen Westberlin ausgesucht. Und weil sie sich auch schon bald der "Familienplanung" hingab, blieb es nicht aus, dass sie heiratete und nun in Berlin lebte.
Das hatte zur Folge, dass der frischgebackene Opa des Öfteren nach Berlin reiste. Erst in den Wedding, später nach Alt-Moabit. Wenn ich dann die junge Familie zwei- bis dreimal im Jahr besuchte, musste ich natürlich auch diese Weltstadt kennen lernen. Manches Mal per Auto, meistens mit der Bahn.
Ein bisschen verschlafen und altmodisch erschien mir dieses West-Berlin, nicht besonders gepflegt. Verfahren konnte ich mich mit dem Auto kaum, denn irgendwann stand ich halt immer vor dieser gräßlichen Mauer, die einfach grad so eine Straße absperrte. Ich stieg auf die verschiedenen Aussichtsplattformen, am Brandenburger Tor, in der Bernauer-Straße. Ich fuhr auch schon mal in den Ostteil hinüber über die Friedrichstraße. Aber da drüben war ja noch mehr tote Hose. Ein einsamer Wurststand am Fernsehturm verkaufte "Ket-Wurst", was auch immer das gewesen sein mag. In einem Restaurant am Alex aß ich zu Mittag und bekam so eine halbgrüne Orange als Nachtisch und wunderte mich darüber, dass es Leute gab, die extra wegen dieser Orange hier etwas aßen. Im Kaufhaus am Alex versuchte ich, in die Bücher-Abteilung zu kommen und musste erst einmal warten, bis ein Einkaufswagen frei wurde, denn ohne diesen durfte man da gar nicht rein. Glücklicherweise fand ich dort dann auch Klaviernoten für meine Frau und konnte so den Zwangsumtausch wenigstens gut anlegen. Mein Schwiegersohn hatte bei einem Besuch die DM-Ost in einen Papierkorb geschmissen.
Die S-Bahn fuhr mit klapprigen alten Zügen, die Haltestelle Gesundbrunnen war damals ziemlich verwahrlost.
Ich erinnere mich noch, dass ich entlang der Mauer im Bezirk Kreuzberg fuhr, als im Radio die Nachricht kam, dass Honecker zurückgetreten worden sei. Naja, sagte mir noch nicht viel.
Ja, und dann fiel die Mauer!
Ich kam zuhause in Karlsruhe nicht mehr vom Fernseher weg, das war einfach alles nur noch aufregend. Beim nächsten Besuch konnte ich endlich mal das Land durchfahren, das ich bislang immer nur von der Transitautobahn aus gesehen hatte, in ständiger Sorge, so ein Vopo könnte mich anhalten, weil ich zu schnell gefahren wäre. Ich machte in Leipzig Station und fuhr auf Landstraßen weiter nach Berlin über Wittenberg.
Und Berlin war im Aufbruch! Vorbei wars mit der beschaulichen Ruhe in der Insel Westberlin. Ein quirliges Leben hatte eingesetzt. Noch waren die innerstädtischen Verbindungen von U- und S-Bahn nicht hergestellt, aber es wurde mit Hochdruck daran gearbeitet. Straßenübergange gabs schon zuhauf und ich erinnere mich noch, wie ich eines abends von Kaulsdorf kommend nach Alt-Moabit fuhr und jeweils an den Straßenlampen erkennen konnte, wann ich mich im West-Teil und wann im Ost-Teil befand. Die Ostlampen waren gelb, die Westlampen weiß. Und das wechselte auf dieser Fahrt mehrmals.
Nun begann eine aufregende und hochinteressante Zeit, denn jedes Mal, wenn ich wieder nach Berlin kam, hatte sich etwas verändert. Ich habe den ganzen Aufbau am Potsdamer Platz miterlebt. Erst fing es mit Reisigbüscheln an, die in den Boden gesteckt waren, wahrscheinlich als Abgrenzung der Claims. Dann die Bagger, die die Schlitzwände herstellten und ihre schmalen Greifer endlos (so schien es) in den Boden versenkten. Dann die wassergefüllten Baugruben, in denen richtige Kähne schwammen.
Da nun überall freier Zugang war, konnte man all die Gegenden, die einem bislang verschlossen waren, aufsuchen. Wenn ich alles aufzählen wollte, was ich mir damals angesehen und besucht habe, müsste ich wohl ein Buch schreiben. Es gibt kaum ein Kiez, das ich damals nicht aufgesucht hätte. Ich bin mit der weißen Flotte nach Brandenburg gefahren,aber auch über den Müggelsee bis in seine hintersten Winkel. Ich war auf dem Müggelturm, am Kalksee,, beim Hauptmann in Köpenick. Ich habe viele der Ostberliner Straßenbahnlinien abgefahren und auch die S- und U-Bahnen.
Ich bin sehr froh darüber, dass ich das alles mehr oder weniger hautnah miterlebt habe, wie sich diese Stadt verändert hat. Aus zwei Teilen einer Stadt, die auf das Niveau einer Provinzstadt herabgesunken waren, ist eine richtige Weltstadt geworden. Diese Stadt ist nicht mehr wiederzuerkennen. Zwar hört man immer mal wieder negative Stimmen (und die Berliner können ganz schön meckern!), aber wenn ich sehe, wie die Bahnen voller Menschen von West nach Ost und von Ost nach West fahren, so, als ob das nie anders gewesen wäre,dann finde ich das ganz toll.
Seit fast 30 Jahren komme ich regelmäßig nach Berlin, ich liebe diese Stadt und auch in diesem Jahr werde ich wieder zwei Wochen dort sein. Ich freue mich schon jetzt darauf!
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Wenn unsere Enkel aus Deutschland uns hier besuchen, habe ich ihnen das Gedicht vorgelesen, bis sie 15 und 16 Jahren waren. Als ich in dem Jahr den Gedichtsband holte, sagten sie einstimmig: "Nein Oma, nicht schon wieder die Birne!"
Es gruesst Dich herzlich
Anita/Australien
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"Herr von Ribbeck" ist mein Favorit. Ich habe es einmal von einer Schuelerin, die zweisprachig, franz./deutsch, aufwuchs, gehoert. Sie hatte beim Lesen einen leichten franzoesischen Akzent und konnte das Gedicht so richtig schoen von Herzen vortragen.
Es ist so viele Jahre her, aber ich werde es nie vergessen, wenn ich an "Herrn von Ribbeck" denke.
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Als ich 1986 in die Zone fuhr, durfte ich Harz und Thüringen und rund um Berlin das trostlos erscheinende Grau erleben, ich litt. Ja Potsdam, aber in der DDR-Hauptstadt nicht von Osten (Alex) hin zur Mauer, ich wollte das herzlose Stück nicht sehen. Die Reise war geprägt von Heimweh. Und dann kam der Run des Westens in die "armen", wiedergewonnenen Gebiete, ich steuerte einen Geschäftswagen - viel zu wenig Zeit, das Wiederzuhauseseindürfen auszukosten.
Seit zwei Jahren nun wechsele ich mich mit einem Berliner Mädel im Dreiwochen-Rhytmus ab, Berlin (an der Görlitzer Strecke) und Ingolstadt (letzte "Notlandung"). Wir sind hier wie da unterwegs - hier Ganghofer, da Fontane. Und lache nicht: mein Berliner Mädel kam aus der Lausitz, bloß mich hat der Esel auf der Rennbahn Karlshorst vor 79 Jahren verloren.
Was du damals genauso wenig wußtest wie ich: man kann in der "Platte" ganz prima leben.
Ich habe mein Berlin als Ganzes wiedergefunden, ich schaufele mit den Sandalen wieder Sand der Märkischen Heide, erinnere mich an die Dinge aus dem Heimatkundeunterricht, an die Radtouren mit meinem Vater, freue mich schon wieder auf die Touren mit dem Mädel per Bahn und Rad, weniger mit dem Auto.
LG Dieter
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Für alle, die Theodor Fontane mögen, hier noch einmal sein Gedicht als Viedeo, was sehr gelungen ist, wie ich finde:
Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland
Liebe Grüße und allen einen schönen Frühlingstag
loretta
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Danke nochmals, Loretta! M
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Wir hatten -und haben noch!- Freunde in Thüringen, heute wohnen sie in Dresden.
(Ich freue mich schon- im Sommer kommen wir wieder nach Meissen und Dresden!! )
1988 war ich zum 1. Mal in der damals-noch-DDR.
Ich bin Jahrgang 1936. Dass ich später mal, zum Beispiel, die Wartburg
sehen würde, von der ich als Kind schon hörte, das hätte ich nie zu träumen gewagt!
Grüße an alle, ehem. Ossis und Wessis!
Marianne
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..Fontanes Gedicht, das haben wir auch im ehemaligen Sudetenland, in der böhmischen Schweiz, in der Schule erlernt.
Und den guten Geschmack der Birnen, den haben wir als brave Schüler und Lausbuben auch in unserer Heimat nach der ersten Gedichtsstunde über Fontane richtig erproben können. War das ein Gaudium.
das ist lange her. Der zweite Weltkrieg kostete uns die Heimat und das, was wir hatten.
Ich war damals noch keine 14 Jahre alt.
Die neue Heimat wurde dann für uns die Ostzone, so, wie es in Potsdam beschlossen wurde. Es war ein hartes Leben.
Und nun ist das Land wieder im Krieg.
Da kann man schon nachdenklich werden.
Und, danke loretta für den ganzen Wortlaut des Gedichtes. Und besuch auch mal die "Gärten der Welt" in Marzahn, schau über den Zaun, dort siehst Du auch unsere "Birn".
Grüße aus Berlin von
olebienkopp
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auch ich war begeistert von Deinem Artikel.Bin auch in der ehem. DDR zur Schule gegangen und muß sagen, wir haben viel gelernt. (Auch das schöne Gedicht) Frag mal heute einen Schüler was er davon kann!!!
Es ist gut, dass man heute von einem Stadtteil in den anderen laufen kann, ohne angehalten zu werden.Dafür hat die Kriminalität zugenommen.
Herzliche Grüße Ruth
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Und weißt du was, wir fahren bald in die Richtung...herzlichst Renate
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Ich denke auch,daß´nicht alles schlecht war,außer die Stasi mit ihrem totalitären Überwachungssystem,das aus Menschen Spitzel gemacht hat.Wo jeder jedem was anhängen konnte und so.Nur daß alle Menschen Arbeit hatten und die Kinder Kindergartenplätze
usw. im Gegensatz zu hier,wo das nicht in jeder Region so ist.
Naja es gab schon vieles das besser war als heute im vereinten Deutschland.Aber vor
allen Dingen,die Freheit,hin zu gehen wo man möchte ohne Kontrolle.Das ist schon ein großer Vorteil.Und berlin bleib Berlin ,egal ob Ost oder West es ist eine Stadt.
Genieße es sie zu erkunden und all die anderen wunderschönen Plätze und Gegenden die es in diesem Land gibt.man braucht nicht in die weite Welt zu fliegen,hier ist die Natur genau so schön,egal ob im Narden oder Süden Osten oder Westen!
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